Kultur | Salto Return

#120318

In Salto Return geht es nicht um den Begriff „underdressed“, es geht um Overtourism, Griller und Grilloni.
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Foto: Salto.bz

Grillgroll
„Mehr und mehr Destinationen leiden unter Überfüllung. Das Phänomen Overtourism hat bereits zu Spannungen in urbanen und ruralen Gebieten geführt. Es scheint, dass manche Destinationen die Grenze an Touristenzahlen, die beliebte Attraktionspunkte besuchen, erreicht haben…“ heulte mir eine im Tourismus arbeitende Teilzeitkraft vor und steckte mir einen Handzettel in die Notebook-Tasche.
Ich würde den Flyer später aufmerksam studieren, versprach ich, verabschiedete mich mit einem gekünstelten Lächeln und zog am Tag X weiter meines Weges.

Der Grill-Lino, ja sicher, der könne Fleisch wie Gemüse galanter grillen als er und andere.

Ich bemerkte wie an diesem Tag X, kaum jemand über Overtourism sprach, alle hingegen über das Phänomen Grillini. Auch zwei Männer, die sich lautstark am Obstmarkt unterhielten.
„Grill i niii?“ schrie der eine, ein verzweifelt wirkender Bozner Bürger. Er würde sich nicht von einem Hobby-Vegetarier sagen lassen, dass er im Unterschied zu anderen Bozner Männern kein großer Griller sei. Der Grill-Lino, ja sicher, der könne Fleisch wie Gemüse galanter grillen als er und andere.

Overgrill
Mit seinem „Grill i niii?“, als Frage formuliert, stellte der Mann nicht nur sein Gegenüber als beleidigenden Bösewicht bloß, er weckte auch die Aufmerksamkeit einer Hundertschaft an Passanten, welche sich just in diesem Moment in der Nähe der beiden Streithähne aufhielten. Laut meiner Schätzung waren es rund 20 deutschsprachige Südtiroler, 20 italienischsprachige Südtiroler, 20 gemischtsprachige Menschen mit Migrationshintergrund und Ladiner, knapp 20 Touristen und circa 20 sich auf Alt- und Neuboznerisch verständigende menschenähnliche Wesen.
Auf den lauten „Grill-i-ni?“-Sager folgte eine beängstige Stille, alles schwieg, niemand wollte sich politisch outen. Bis plötzlich jemand ein „Ich tu auf jeden Fall lieber Pizza al taglio essen als Grillen“ aus einem Bozner Lauben-Laden rief und in feiner Bozner Sprachfärbung die Zaungäste 100% zum Lachen brachte.

Ich ging noch nicht nach Hause, setzte mich nachdenklich auf eine Parkbank in der Nähe und zog den Handzettel aus meiner Computer-Tasche. Ich begann über die Städte Venedig, Barcelona, Dubrovnik zu lesen, die wie eine Vielzahl an  Weltnaturerbe- und Kulturerbestätten an Overtourism leiden. „Overtourism ist eine schwer heilbare Krankheit“ hatte mir die Frau vom Tourismusamt erzählt, „es sind die steigenden Touristenzahlen, eine Folge der zunehmenden Mobilität der Menschen weltweit sowie des wachsenden Wohlstands und veränderten Lebensstils.“
Da auch ich an Overtourism leide, nahm ich die Flyer-Ankündigung zur Tagung ernst (Dienstag, 13. März von 9.00 bis 13.15 Uhr an der Eurac). Es soll dort um mögliche „lunch-Strategien“ gehen, welche negative Auswirkungen auf das Tourismusbewusstsein der „Bereisten“ verhindern sollen, lese ich. Vielleicht gibt es auch ein Buffet, Pizza al taglio oder Gegrilltes…