Gesellschaft | Biolandwirtschaft

Das System umstellen

Toni Riegler, Bozner Obstbauer, ist der neue Obmann von Bioland Südtirol. Der 33-Jährige sagt, Bauern sollten insgesamt mutiger sein mit ihren Betrieben.
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Foto: Bioland Südtirol

Du bist seit einem guten Monat neuer Obmann von Bioland Südtirol, was hat dich dazu gebracht, diese Verantwortung zu übernehmen, noch dazu in Zeiten wo die Landwirtschaft sehr genau beobachtet wird?

Als Biobauer möchte ich für und in der Landwirtschaft etwas verändern, ich kann das zwar individuell in meinem Betrieb daheim in Moritzing auch tun, aber das alleine ist mir zu wenig. Ich möchte die Veränderung in der Landwirtschaft auf einer breiteren Ebene verwirklicht sehen, in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit.

Und dazu braucht es einen Verband?

Gemeinsam geht es leichter und es macht vor allem Sinn, denn die Landwirtschaft ist zu wichtig für die Gesellschaft, für den Menschen und die Natur, als dass man sie im Einzelkampf betreibt.

Woher kommt dein Engagement für die Biolandwirtschaft, wie bist du dorthin gekommen?

Meine landwirtschaftliche Karriere verlief ziemlich geradlinig; ich bin der Jüngste von vier Geschwistern auf einem Obsthof in Bozen Moritzing und es war recht klar, dass ich den Hof übernehme. Von meinen Geschwistern zeigte niemand Interesse daran. So bin ich nach der Landwirtschaftlichen Oberschule und der Matura 2003 gleich in den Betrieb eingestiegen und habe begonnen, gemeinsam mit meinem Vater am Hof zu arbeiten. Nach etlichen Kursen und Weiterbildungen war der Gedanke an Bio naheliegend, auch weil ich begriffen habe, dass eine Landwirtschaft ohne die vielen chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel möglich ist. Das hat mich angespornt und eine weitere Motivation war, dass bei anderen das Umstellen auf Bio problemlos funktioniert hat. Vor allem aber wollte ich etwas Neues wagen, das hat mich gereizt. So bin ich zu Bioland gekommen und da kam dann der richtige Schwung in die Sache, mit dem Kreislaufgedanken des naturnahen Wirtschaftens, dem theoretischen und praktischen Hintergrund und den Kriterien.

Ich habe mir die Freiheit genommen, etwas Neues in meinem Betrieb auszuprobieren und nicht nur auf Nummer Sicher zu gehen.

Für dich war der Reiz des Neuen mit ein Grund auf die biologische Landwirtschaft umzustellen, für viele ist es heute auch der Preis, man bekommt einfach mehr für Bioware?

Das stimmt sicher, für Bio-Äpfel und Bio-Milch werden auch in Südtirol gute Preise gezahlt, für mich war der Preis jedoch nie Motivation.  Mir war wichtig, dass mich mein Vater in den Jahren des Experimentierens und des Umstellens unterstützt hat, in einer Zeit wo es noch der Betrieb meines Vaters war. Angst vor wirtschaftlichen Einbußen hatte ich deswegen nie, auch später nicht, ich habe mir einfach die Freiheit genommen, etwas Neues in meinem Betrieb auszuprobieren und nicht nur auf Nummer Sicher zu gehen. Ich weiß, dass für viele Umsteller der gute Biopreis eine Rolle spielt und das darf auch so sein. Ich fände wichtig, dass man die Angst vor etwas weniger Ertrag verliert, dass es nicht ausschließlich um die Gewinnmaximierung geht, wenn man schon auf bio umstellt. In jedem Fall ist es gut, dass wir so viele Umsteller gerade in den letzten Jahren bei Bioland haben. Viele von ihnen sind von der Sache überzeugt und die anderen können es noch werden.

Die Politik und auch die Öffentlichkeit wünscht sich den Bauern als Heger und Pfleger der Landschaft, nicht nur der Landwirtschaft, was sagst du dazu?

Wir Bauern gestalten die Landschaft mit und das ist auch gut so. Wenn da besondere Ansprüche gestellt werden, dann sollte es auch bezahlt werden. Es ist zweischneidig, wenn die Verbraucher dies von uns Bauern fordern, dann aber in den Laden gehen und ein Billigprodukt aus einem anderen Land kaufen. Sicherlich ist die Landwirtschaft insgesamt auch zu einer Industrie geworden, und hier fehlt der Bezug zum Konsumenten, doch gerade in einer Region wie der unseren kann ich einiges verändern und unterstützen mit meinem Einkaufsverhalten.

Ist Regionalität das neue Zauberwort?

Für mich ist es ein sehr wichtiger Begriff, denn wenn ich Produkte aus der Region kaufe, unterstütze ich die Produzenten aus der Region, wenn ich Lebensmittel kaufe, die hier produziert und veredelt wurden, unterstütze ich den Bauern, den Bäcker, den Metzger. So einfach ist das. Und wenn ich Bioprodukte aus der Region kaufe, dann trage ich noch dazu bei, dass auch die Natur, der Boden und der Lebenskreislauf ein wenig geschont werden, das garantieren jene Kriterien, nach denen wir Bioland-Bauern wirtschaften. Deswegen bin ich bei Bioland, nach dieser Vision, nach diesen Rahmenbedingungen.

Ich bin der Auffassung, dass wir ruhig offensiv vorgehen können, wir sind schließlich die größte Vertretung der Biolandwirtschaft in Südtirol.

Du hattest kürzlich ein Treffen mit dem Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler, wie ist das gelaufen?

Er ist in erster Linie problembewusst und hat beim Gespräch auch gleich die heiklen Themen angesprochen: Mals, die Abdrift, das Verursacherprinzip. Da ist wie gesagt, das Problembewusstsein da, aber da der Landesrat ja Politiker ist, versucht er sich hier nicht allzuweit in eine Richtung aus dem Fenster zu lehnen und verteidigt auch die Integrierte Landwirtschaft, bzw. die Mehrheit seiner WählerInnen. Dass Bio die Lösung sein kann, sieht er nicht. Das ist halt unsere Aufgabe.

Wie kämpferisch wirst du dich als Bioland-Obmann zeigen, gerade in der Stellungnahme zu diesen heiklen Themen?

Ich bin der Auffassung, das wir ruhig offensiv vorgehen können, wir sind schließlich die größte Vertretung der Biolandwirtschaft in Südtirol. Dass es eine Gratwanderung ist, weiß ich aber auch. Was wir nicht wollen ist die Zwangsbeglückung mit Bio, dafür ist die Freiheit des Einzelnen zu wichtig. Am besten ist, wenn es einleuchtet und überzeugt, dass Bio der zukunftsweisende Weg in der Landwirtschaft ist, für Mensch und Natur.

Wie kann die Biolandwirtschaft weiter entwickelt werden, wenn man etwa an die Apfelmonokulturen im Etschtal und Vinschgau denkt?

Natürlich kommt man zum Schluss, dass wir hier im Land Kulturen stehen haben, die von vornherein Probleme bereiten, Eintönigkeit ist immer schlecht. Der Weg geht in Richtung Vielfalt in den Kulturen, mit guten Standorten und resistenten Sorten, auch dahin den Pflanzenschutz zu minimieren und die Variation der Landschaft zu fördern. Hier brauchen wir jedoch die Unterstützung der Konsumenten, welche die Produkte aus der Region auch kaufen. Ich habe jetzt selbst begonnen, einen kleinen Gemüseacker zu bestellen, ich möchte sehen, wie das läuft. Dass wir wieder vielfältiger werden, ist mein Ziel, denn Vielfalt stimuliert auch den Geist und die Kreativität des Menschen, des Bauern, während Eintönigkeit und Monokulturen keinen Platz für Neues lassen.

Wir müssen unsere Denkweise, unsere Wirtschaftsweise verändern, wir müssen unser System umstellen.

Vergessen Südtirols Bauern diese Gestaltungsvielfalt möglicherweise?

Diese Freiheit sollte sich jeder Bauer auch nehmen; ich wünsche mir, dass jeder einen Teil seines Betriebes hernimmt und als Versuchfläche für die eigenen Belange ausweist. Ohne gleich die Rechnung zu machen, ob es sich rentiert oder nicht. Als Obstbauer müsste ich der Rechnung wegen sowieso nur Äpfel anbauen. Das kann sich aber ändern. Aber weil wir diese Freiheiten haben, sollten wir sie nutzen.

Du bist Obstbauer und folgst auf einen Obmann, Michael Oberhollenzer aus dem Ahrntal, der einen Betrieb mit Schafen und Ziegen führt. Wie unterstützt du die Milchwirtschaft weiterhin?

Wir haben mit Günther Wallnöfer, Walter Steger und Claudia Insam Obletter sehr erfahrene Viehbauern im Vorstand, hier kann ich sicher viel von ihnen lernen. Es gab kürzlich Gespräche mit den Vertretern der Milchwirtschaft über einen Bio-Standard in Südtirol, und dass man sich über kurz oder lang am Bioland-Standard orientieren wird.

Themen gibt es also genügend für dich in den nächsten Jahren, wo siehst du die Landwirtschaft Südtirols in Zukunft?

Ich setze stark, wie auch der Präsident des großen Bioland Verbandes, Jan Plagge, auf die Regionalität Südtirols. Unser Land ist einzigartig weil es Landwirtschaft und Lebensraum auf so engem Raum miteinander verzahnt, dazu kommt der Tourismus und die großartige Landschaft. Wir sollten auf all das setzen und unsere Produktion und Wertschöfpung viel stärker im Land betreiben, unsere Produkte hier vertreiben. Der Export von Äpfeln läuft derzeit mal gut, aber er schafft auch Probleme im eigenen Land, wie wir deutlich sehen. Mit den großen Landwirtschaftsindustrien anderer Länder können wir sowieso nicht mithalten, im Preis und in der Menge nicht. Ich glaube, es bringt auch wenig, lediglich die Produktion von konventionell auf  bio umzustellen, wir müssen unsere Denkweise, unsere Wirtschaftsweise verändern, wir müssen unser System umstellen.

Toni Riegler, 33 Jahre, bewirtschaftet und lebt gemeinsam mit seiner Frau Edith und den Kindern Theresa, Johann und Pauline am Rieglerhof in Moritzing Bozen. Zu seinem Biolandhof gehören rund 4,5 Hektar Obstbau, ein halber Hektar Weinbau und ein Gemüsefeld.