Gesellschaft | Partneruniversität

Gemeinsam forschen statt Vodka trinken

Die Uni Bozen hat ein Abkommen mit der Moskauer Universität MIIT geschlossen. Stephanie Risse* über die Rolle Russlands für Südtirol.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
unibz russia
Foto: unibz

*Stephanie Risse ist Verantwortliche für die Koordination mit russischen Partneruniversitäten

 

Das MIIT mit rund 113.000 Studierenden gehört zu den wichtigsten russischen Universitäten im Bereich Technik. Es ist demnach nicht verwunderlich, dass das russische Verkehrsministerium die Moskauer Uni damit beauftragte, ein Netzwerk für die großen Verkehrsachsen von West nach Ost und von Nord nach Süd  zu erstellen. Jetzt soll im Bereich der Logistik eine Kooperation mit der Uni Bozen stattfinden. Als einzige italienische Universität wurden Dozenten der Uni Bozen eingeladen, an einer großen Konferenz dazu im Oktober teilzunehmen. Stephanie Risse ist Dozentin für Deutsch an der Fakultät für Bildungswissenschaften und Verantwortliche für den Austausch mit Russland. Für sie bietet diese Kooperation großes Potential für die Bozner Universität: „Das sind spannende Angebote für uns. Nachdem wir auch einen relativ starken Schwerpunkt im Bereich Technik haben, war von unserer Seite ein großes Interesse da. Ich persönlich habe großes Interesse daran, weil die Sprachendidaktik in der ehemaligen Sowjetunion aber auch noch in Russland sehr gut war und zu unrecht aus ideologischen Gründen außer Acht gelassen wurde. Wir orientieren uns stärker an westlichen Modellen, aber es ist unbestritten, dass die Sprachendidaktik in Russland immer hervorragende Ergebnisse erzielt hat. Gerade von der MIIT als technische Uni könnte man für die Berufsbildung viel übernehmen, da im Berufswesen der Bereich Sprachbildung vernachlässigt wird.“ Frau Risse spricht aus Erfahrung, denn sie hat bereits Projekte, etwa mit der Landesberufsschule für Industrie und Handwerk in diesem Bereich geleitet. Der Fokus liege aktuell stärker bei Gymnasien, allerdings benötigten berufsbildende Schulen gerade aufgrund der höheren Anzahl an Absolventen mit Migrationshintergrund verstärkte Sprachbildung, meint Frau Risse. Die Kooperation mit Russland könne maßgeblich dazu beitragen.

 

Aber nicht nur im Bereich der Logistik und des Ingenieurswesen soll die Kooperation mit der Moskauer Uni stattfinden. Mittlerweile bietet das MIIT ein breiteres Fächerspektrum an, darunter Jura, Wirtschaft und Sprachenbildung mit einem eigenen Deutsch-russischen Institut. Daher wird auch im Bereich Tourismus eine verstärkte Zusammenarbeit angestrebt. Wie wichtig russisch in diesem Bereich ist, erklärt Frau Risse, die sich seit gut 30 Jahren mit der russischen Kultur und Sprache, auch im Rahmen ihres Studiums und ihrer Forschung beschäftigt:  „Russisch ist eine sehr wichtige europäische Sprache. Man sollte nicht außer Acht lassen, dass es mittlerweile eine große russischsprachige Diaspora gibt. In den ganzen zentralasiatischen Ländern, in Teilen des Baltikums, sowie in der Ukraine und Weißrussland ist Russland nach wie vor die Haupt-Kommunikationssprache. Es sind also einfach sehr große Sprecherzahlen und daher ist es keine Sprache, die wir einfach so ignorieren können. Als touristisches Gebiet wäre Südtirol für Russland bestimmt sehr interessant. In Nordtirol und Teilen von Bayern gab es in den letzten Jahren einen signifikanten Anteil an russischen Touristen. In Südtirol gibt es aufgrund negativer Vorurteile noch eine gewisse Skepsis. Die Leute denken, Russen sind nur Vodka-trinkende, zerstörerische Menschen, was de facto nicht so ist. Die russische Bildungsbürgerschicht, die sich aus kulturellen Gründen an Südtirol interessieren würde, wächst stetig. Wir können und sollten deshalb unsere Region noch viel interessanter für Russland gestalten.“ Auch im Bereich der Landwirtschaft schreibt die Russlandforscherin dem größten europäischen Nachbarn eine wichtige Rolle zu. Russland sei ein großer Markt für den Apfel und Weinexport. Zwar brachte das Embargo einen Einbruch, allerdings werde dieses nicht ewig dauern: „Russland negieren zu wollen ist fast schon lächerlich,“ meint Stephanie Risse.

 

Dass Russland schon immer eine Rolle in Südtirol gespielt hat, zeigt etwa die Meraner Gemeinschaft Borodina. Die Organisation, die seit 120 Jahren existiert, und um die sich russischsprachige in Südtirol sammeln, organisiert regelmäßig kulturelle und wirtschaftliche Events. Unter anderem ist auch die Universität Bozen Mitglied. Die Initiative für die Kooperation mit der MIIT kam auch maßgeblich durch Theo Dipoli, Bozner Russlandexperte in Wirtschaftsfragen, zustande. Selbst die italienische Botschaft in Moskau unterstützt die Zusammenarbeit der Uni Bozen mit russischen Partnern. Die Rolle der Zusammenarbeit im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich mit Russland kann also nicht negiert werden.

 

Das MIIT ist nicht die erste Universität, an die künftig Professoren, Forscher und Studierende der Uni Bozen über das bilaterale Abkommen reisen und gemeinsam zu Schwerpunkten kooperieren werden. Bereits im Sommer 2014 gab es gemeinsam mit der Uni Innsbruck einen Austausch zwischen Dozenten in Forschung und Lehre mit der südrussischen Universität KUBSU in Krasnodar: „Das Projekt damals hieß Alpen-Kaukasus, Natur und Kulturräumlicher Vergleich, der auch eine Sommerschule mit Exkursionen vorsah. Es verlief aber noch rein auf Dozentenebene. Krasnodar ist insofern interessant, da es etwas außerhalb der Ballungszentren liegt. Es hat außerdem das Gebiet Sochi mit dabei, in dem die olympischen Spiele stattfanden und insofern aus dem Aspekt des Tourismus sehr spannend ist, aber auch als Bergregion für Südtirol sehr interessant,“ so Stephanie Risse. Aus finanziellen Gründen war das Projekt nur auf 2 Jahre angelegt. Für Risse ist es allerdings ein persönliches Anliegen, solche Kooperationen zu fördern, insbesondere den Austausch von Studenten: „Wenn sie als Studierender der heutigen Zeit ein Studium vorweisen, währenddessen Sie sich von ihrem Studienort nie wegbewegt haben, egal in welchem Fach, ist das nicht sehr gern gesehen. Zum Glück ermöglichen europäische Programme Mobilität für Studenten. Es sollte aber auch außerhalb Europas möglich sein, da z.B. auch Russland mit demselben Ects-System arbeitet, wie europäische Unis. Daher halte ich diese Möglichkeit auch mit Russland den Austausch zu betreiben, für sehr wichtig.“

 

Im Moment befindet sich die Uni Bozen noch am Anfang. Laut Risse sind Austausch-Programme schwerer umzusetzen, da Russland kein Mitglied der EU ist und daher größeren bürokratischen Hürden ausgesetzt. Nichtsdestotrotz bleibt russisch eine gefragte Fremdsprache, insbesondere an deutschen Schulen. Das Sprachenzentrum der Universität bietet bereits Russischkurse an, künftig will Stephanie Risse an der Ausbildung von Russischlehrern weiter arbeiten und das Angebot für Schulen erweitern. Das Abkommen mit Krasnodar wurde im Dezember ratifiziert und formalisiert. Die Kooperation mit der Moskauer MIIT erweiterte die Kooperation der Uni Bozen auf eine zweite Partneruniversität in Russland. Zurzeit wird an Konzepten für den Studentischen Austausch sowie den Ausbau der Forschungskooperation gearbeitet.