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Römischer Präzedenzfall

Ein römisches Zivilgericht hat ein Urteil gefällt, das die Südtiroler Volksbank zur unmittelbaren Zahlung an geschädigte Anleger verdonnert. Sonst winkt die Pfändung.
Volksbank Hauptsitz
Foto: Oskar Dariz
Es ist das erste Mal in Italien, dass ein Richter eine so klare und mutige Entscheidung fällt“, sagt Massimo Cerniglia. Der römische Rechtsanwalt, der bereits Klagen gegen Riesen wie Google oder Banken wie die „Monte Paschi di Siena“ erfolgreich geführt hat, ist sichtlich stolz auf seinen letzten Sieg.
Ende März hat ein Zivilgericht in Rom ein Urteil gefällt, das so bisher einmalig in Italien ist und das nicht nur am Sitz der Südtiroler Volksbank in der Bozner Schlachthofstraße für einige Aufregung sorgen wird.
Die Volksbank wird zahlen müssen“, sagt der Verbraucherschutzanwalt, „sonst wird sie gepfändet werden“.
Es ist ein Paukenschlag in einem langjährigen Rechtsstreit.
 

Das Schiedsgericht

 
Ähnlich wie bei der Südtiroler Sparkasse sind auch bei der Volksbank viele Aktionäre über den Preisverfall der Aktien mehr als nur verbittert. Hunderte Anleger wehren sich gerichtlich und werden dabei entweder von der Südtiroler Verbraucherzentrale oder vom neuen „Südtiroler Aktionärskomitees für Bankengeschädigte“ vertreten.
Dabei sind nicht alle Geschädigte gleich vor das Landesgericht gezogen, sondern auf Anraten des Rechtsbeistandes haben viele Aktionäre zuerst einen alternativen Rechtsweg bestritten.
Im Mai 2016 hat die der Börsenaufsicht CONSOB den "Arbitro per le Controversie Finanziarie (ACF)“ eingerichtet. Es ist ein Schiedsgericht, das Sparern und privaten Investoren bei Streitigkeiten mit Banken, Finanzdienstleistern und Anlageberatern zu Hilfe kommt. Immer dann, wenn es um den Vorwurf geht, der Finanzdienstleister habe die Regel der Börsenaufsicht in Sachen Transparenz oder Informationspflicht verletzt. Jeder Sparer kann dann vor dem Schiedsgericht für Finanzstreitigkeiten rekurrieren, wobei gesetzlich eine Obergrenze eines möglichen Schadenersatzes von 500.000 Euro festgelegt ist. Der ACF besteht aus einem fünfköpfigen Senat, in dem Juristen und Fachleute aus dem Bankensektor sitzen.
 
 
 
Der Sinn dieser Einrichtung ist einfach. Der ACF soll eine Plattform sein, die schnell und relativ unbürokratisch Streitfälle zwischen Kunden und Finanzdienstleistern außergerichtlich löst. Der Vorteil für die Kunden: Die Anrufung des Schiedsgerichtes ist fast kostenlos, kann ohne Anwalt erfolgen und der Schiedsspruch ist ein erster Gradmesser, ob die Beschwerde angemessen ist oder nicht.
 

28 Sprüche

 
Im Frühjahr 2020 hat sich das ACF mit 28 Eingaben von Südtiroler Volksbankaktionären befasst. Dabei nahm das Schiedsgericht die Beschwerden dieser Aktionäre an. Die Fachleute kamen zum Schluss, dass die Volksbank beim Aktienverkauf verschiedene Informationspflichten und Verhaltensregeln der Börsenaufsicht verletzt haben soll.  Dabei wurden den Sparen Schadenersatzzahlungen zwischen 801,72 Euro und 101.627,61 Euro zugesprochen. Insgesamt muss die Bank über eine halbe Million Euro an verschiedene Sparer zahlen. 
Das Problem dabei: Die Schiedssprüche des ACF können die Banken nicht zum Zahlen zwingen. Und genau darauf bauen die Geldhäuser. Der ACF-Schiedsspruch ist zwar ein Gradmesser dem die meisten Zivilgerichte folgen, aber es dauert meistens Jahre bis das Zivilverfahren zu Ende ist. Vielen Sparern geht vorher die finanzielle Luft aus.
So hat auch die Südtiroler Volksbank bisher die ACF-Schiedssprüche kurzerhand ignoriert. Genau damit aber dürfte es jetzt vorbei sei.
 

Das Urteil

 
Denn Massimo Cerniglia hat für einen der betroffenen Volksbank-Aktionäre die Umsetzung des Schiedsspruches vor dem Zivilgericht Rom eingeklagt. Rom ist deshalb zuständig, weil der ACF in der italienischen Hauptstadt seinen Sitz hat.
 
 
 
Zivilrichter Pietro Persico hat am 31. März 2021 verfügt, dass der finanzielle Anspruch des Volksbank-Aktionärs gegenüber der Bank „certo, liquido ed esigibile“ sei und die Bank den vom ACF festgelegten Schadenersatz zahlen muss. Sollte die Volksbank, dem nicht nachkommen, hat der Sparer des Recht diese Summe bei der Bank pfänden zu lassen.
Es ist ein Aufsehen erregendes Urteil, weil es den Gerichtsweg für die Kläger deutlich verkürzt und das Spiel auf Zeit der Banken durchkreuzt. „Das ist ein wichtiger Präzedenzfall, der in die Rechtsprechung eingehen wird“, meint Massimo Cerniglia.
Auch Walter Andreaus sieht sich durch das römische Urteil in seinem Engagement für die Südtiroler Sparer bestätigt. „Es haben sich über 2.000 Personen an unser Komitee gewendet“, sagt der Präsident des Südtiroler Aktionärskomitees für Bankengeschädigte, „dieser Fall macht deutlich, dass die geprellten Sparer sehr gute Karten in der Hand halten“.
Andreaus ermuntert deshalb alle geschädigten Aktionäre sich vom Komitee beraten zu lassen. Infos unter: “[email protected]