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Der Großangriff

Das Land murkst beim Bau des Bozner Bibliothekenzentrums seit Jahren herum. Jetzt schalten sechs renommierte Südtiroler Unternehmen aber ihre Anwälte ein.
Landhaus 3
Foto: Südtirolfoto.com
Drei Jahre für eine Unterschrift sind eine verdammt lange Zeit.
Vor allem dann, wenn man es nicht schafft, einen Schriftzug unter einen Vertrag zu setzen.
Im Fall des Bozner Bibliothekenzentrums werden es im Juni 2020 genau drei Jahre sein ohne, dass auch nur ein Federstrich gemacht wurde.
Inzwischen wird es aber immer fraglicher, ob jene die laut Ausschreibung ihre Unterschrift unter den Vertrag setzen sollen, überhaupt noch dazu kommen werden. Denn vor zwei Wochen trudelte im Rechtsamt des Landes eine anwaltschaftliche Abmahnung (Istanza e contestuale atto di diffida) ein mit der die Karten im Spiel völlig neu gemischt werden.
Spätestens jetzt steht man im Palais Widmann und im Bautenassessorat unter argem Zugzwang.
 

Das Bibliothekenzentrum

 
Es war eine politische Entscheidung, die bis heute durchaus kontrovers diskutiert wird.
Auf dem Schulareal „Pascoli-Longon“ soll in der Landeshauptstadt ein  Bibliothekenzentrum entstehen. In dem neuen Bibliothekenpool werden die drei Bibliotheken der Stadt zusammengeführt, die Landesbibliothek „Dr. F. Teßmann“, die Stadtbibliothek Bozen „C. Battisti“ sowie die Italienische Landesbibliothek „Claudia Augusta.“  
Das Land machte dazu eine Ausschreibung für die Planung und den Bau der neuen Bibliothek. Kostenpunkt: Rund 60 Millionen Euro.
Im Juni 2016 werden dafür insgesamt fünf Projekte eingereicht. Der Sieger der Ausschreibung ist am Ende der römische Bauriese „Società Italiana per Condotte d’Acqua SPA“, kurz Condotte SPA genannt. Das römische Unternehmen hat drei Jahre zuvor bereits einen anderen Großauftrag in Südtirol an Land gezogen. Den Bau und die Führung des neuen Gefängnisses in Bozen Süd. Auch von diesem Auftrag wird sieben Jahre später kein Millimeter verwirklicht worden sein.
 
 
Die Ausschreibung zum neuen Bibliothekenzentrum geht knapp aus. Condotte gewinnt mit 97,26 Punkten äußerst knapp, gegen den Zweitplatzierten einer Bietergemeinschaft um die „CMB Società cooperativa Muratori e Braccianti di Carpi“, die 96,07 Punkte bekommt. Neben dem Bauunternehmen aus Modena gehören zu dieser zweitgereihten Bietergemeinschaft fünf  renommierte Südtiroler Unternehmen: Die beiden Brunecker Firmen Elpo GmbH und Schmidhammer GmbH, der Bozner Anlagenbauer Atzwanger AG, die Stahlbaufirma Pichler Projects GmbH und die Bozner Baufirma Costruzioni Repetto srl.
Diese Unternehmen sind es jetzt auch, die dem Land vier Jahre später die Rute ins Fenster stellen.
 

Die Schieflage

 
Der Grund für den Schritt ist eine fast schon absurde Situation. Denn der Wettbewerbssieger gerät wenig später in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten.
Am 5. Jänner 2018 muss die Condotte SPA beim Landesgericht in Rom einen Antrag auf gerichtlichen Ausgleich unter Fortführung der Tätigkeit (Prodedura di concordato in continuità aziendale) stellen. Sieben Monate später erklärt das Gericht die Insolvenz des Unternehmens. Zudem spitzt sich wenig später die Lage durch die Verhaftung von Konzernchef Duccio Astaldi dramatisch zu.
Der Staat ernennt schließlich drei Kommissare, die den am Abgrund taumelnden Bauriesen sanieren sollen. Sie sind seitdem auch die offiziellen Gesprächspartner des Landes Südtirol. Denn das Land will am Auftrag an die Condotte unbedingt festhalten. Das römische Unternehmen verspricht alle Verpflichtungen einzuhalten. Das Land fordert weitere Unterlagen an, die Condotte monatelang aber nicht nach Bozen übermittelt.
 
 
Im Frühjahr 2019 stellen die beiden Landesräte Massimo Bessone und Giuliano Vettorato, gemeinsam mit dem Bozner Stadtrat Juri Andriollo und den zuständigen Technikern des Landes dem Bauriesen deshalb ein Ultimatum. Wenig später kommen die angeforderten Unterlagen. „Wir werden die Unterlagen überprüfen, dann soll die Baukonzession ausgestellt und unmittelbar danach der Vertrag mit Condotte unterzeichnet werden“, legte damals Massimo Bessone den Fahrplan fest.
Doch bis heute ist weder die Baukonzession erlassen, noch der Vertrag unterzeichnet worden.
 

Unregelmäßige Sozialbeiträge

 
Denn das Land hat Unterlagen über die Condotte auch beim nationalen Sozialversicherungsinstitutes INPS angefordert. Aus den vom INPS übermittelten Unterlagen geht hervor, dass der Bauriese sowohl beim INPS, wie auch beim INAIL und der Bauarbeiterkasse noch Ausstände hat und Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden. Seit gut neun Monaten versucht man diese Positionen zu klären. Dabei geht es um die Frage, ob diese Unterregelmäßigkeiten bereits aus der Vor-Konkordatszeit stammen oder nicht.
Da eine der Grundvoraussetzungen beim Zuschlag eines öffentlichen Auftrages die Regelmäßigkeit bei der Bezahlung der Sozial - und Fürsorgebeiträge ist, dürfte gerade dieser Punkt von entscheidender Bedeutung sein.
Während die Landesverwaltung der Condotte gegenüber bisher äußerst konziliant ist, wollen die unterlegen Konkurrenten jetzt aber nicht mehr zuschauen.
 
 
Auch sie haben in die übermittelten Unterlagen des INPS Einsicht bekommen und sie gehen davon aus, dass die Auftragsvergabe widerrufen werden muss. Über ihre Anwälte, dem Rechtsanwaltsstudio Manfred Schullian und Christoph Senoner, hat die unterlegene Bietergemeinschaft jetzt die Landesverwaltung formal unter Verzug gesetzt. Sie verlangen den Ausschluss der Condotte und die Vergabe des Auftrages an den Zweitplatzierten.
 

Der Präzedenzfall

 
Dabei haben die sechs Südtiroler Firmen seit einigen Monaten einen besonderen Trumpf in der Hand. Denn es gibt einen Präzedenzfall.
Die Condotte SPA hat die Ausschreibung eines Bauloses für den Ausbau der neuen Eisenbahnverbindung Roma-Viterbo gewonnen. Am 17. Jänner 2020 wurde der Ausschreibungsgewinner aber nachträglich von der Ausschreibung ausgeschlossen und die Auftragsvergabe widerrufen. Die Begründung: Dem Unternehmen würden die allgemeinen Voraussetzungen für die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung fehlen.
Die sechs Südtiroler Firmen haben diese Ausschluss-Verfügung jetzt der Abmahnung an das Land beigelegt. Es ist weit mehr als nur ein Wink mit dem Zaunpfahl.
Was in Rom geht, muss juristisch wohl auch in Bozen gelten.
Spätestens jetzt wird das Land wohl kaum länger auf Zeit spielen können.
 
 
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Josef Dalpunt Di., 12.05.2020 - 17:36

Es ist doch traurig, wenn solche Projekte den Rechtsanwälten und der Bürokratie zum Opfer fallen würden. Das wäre doch die beste Möglichkeit in dieser Krise den Südtiroler Unternehmen zu helfen und Arbeitsplätze zu sichern!!

Di., 12.05.2020 - 17:36 Permalink