Wirtschaft | Die Fusion des Jahres

Franz frisst Franz

Das Hochpustertal schwärzt den weißen Winter an. Er brächte den Gästen nicht das, was man von ihm erwarten würde. Daraus zwangsläufig die Schlussfolgerung: Die Attraktivität der Skiregion muss gehoben werden. Aber wie?

Die Lift- und Pistenbetreiber im Hochpustertal sind mit der Auslastung ihrer Strukturen unzufrieden.  Die Inhaber von Beherbergungs- und Bewirtungsbetrieben sind es auch. Daraus zwangsläufig die Schlussfolgerung:  Die Attraktivität der Skiregion muss gehoben werden. Aber wie? Es gilt, zusätzliche Lifte, neue Pisten, neue Servicestrukturen zu errichten. Außerdem soll Padola im Comelico Superiore in das Helm-Rotwand-Kreuzbergpass-Karussell mit eingebunden werden. Ein erster und wesentlicher Schritt hierfür soll bei der außerordentlichen Gesellschafter-Vollversammlung am 18. Juni 2014, in Innichen gesetzt werden: Die Fusion der Gesellschaften „Sexten Dolomiten AG“ und „Nuova Alta Val Comelico srl“ steht an.

Beide Gesellschaften haben eines, oder besser gesagt, einen gemeinsam: den Präsidenten. Es ist Franz Senfter – hüben wie drüben. Und er wird es auch nach der Fusion sein, nachdem der eine Franz den anderen gefressen haben wird; nachdem per Handschlag über den Kreuzberg-Pass hinweg die ‚Comelians’ als gleichwertige Partner ungleichen Gewichts den Kreis  unterm Helm geschlossen haben werden.  Ziel dieser Operation ist es, das Angebot der Ferienregion entlang des karnischen Kammes zu erweitern und deren Attraktivität durch die Schaffung neuer  Strukturen und deren Verkettung mit den bestehenden sicherzustellen. An der umstrittenen Verbindung Helm – Rotwand ab der Signaue (Hennstoll) über den Stiergarten zum Helm wird mittlerweile ohne Unterlass gearbeitet.

Der Tourismusverband Hochpustertal umfasst die Gemeinden Niederdorf, Prags, Toblach, Innichen und Sexten. Die Gemeinden Welsberg-Taisten und Gsiesertal bekennen sich hingegen zur Tourismusgemeinschaft Kronplatz.  Die Ferienregion Hochpustertal schaffte im Geschäftsjahr 2013/14 knapp 1,9 Mio. Nächtigungen, ein Resultat, das um rund 50.000 Nächtigungen über dem vom vorausgegangenen Geschäftsjahr (2012/13) liegt. Ergo hat sich das Hochpustertal, obwohl das ganze Jahr hindurch das Geschrei um die Krise nie vollends verstummte,  respektabel gehalten.

Der Winter hat einen Bleifuß

Allerdings schlagen die Winternächtigungen lediglich mit einem Drittel zu Buche, will heißen, maßgeblich für die Tourismuswirtschaft des Hochpustertales ist der Sommer. Der Winter hat einen Bleifuß. Eben diese seine humpelnde Gangart bereitet den Touristikern seit Jahren arge Kopfschmerzen. Die Unternehmer der Fremdenverkehrsbranche sind mit der durchschnittlichen Jahresauslastung von 157 Tagen (Innichen),  161 Tagen (Sexten) und 94 Tagen (Toblach) offensichtlich unzufrieden. Schon gar keinen Grund zum Jubeln haben - von dieser Warte aus betrachtet - Prags und Niederdorf, deren verbuchte Auslastung noch einmal deutlich unter den vorher genannten Zahlen liegt.

Diese beiden Gemeinden binden ihre Hoffnung auf eine künftig höhere Bettenbelegung an den neuen Bahnhof in Vierschach, der zur kommenden Wintersaison seinen Betrieb aufnehmen wird. Damit bietet die Eisenbahn eine Verbindung im Halbstundentakt zwischen den Bahnhöfen Percha mit Anbindung an den Kronplatz und Vierschach mit Anbindung an den Helm.  Die Fahrzeiten von Niederdorf in jede dieser beiden Richtungen sind kurz. Sie dürften in etwa 15 Minuten betragen. Auch die Toblacher Hoteliers erwarten sich von der Bahnverbindung positive Impulse. Nichtsdestotrotz soll dort der bestehende Rienzlift noch heuer modernisiert, und das Angebot insbesondere auf die Bedürfnisse von Familien mit Kleinkindern abgestimmt werden.

Wenn diesseits des Kreuzbergpasses auch nicht alles Gold sein mag, was glänzt, so besteht absolut kein Grund, der ein größeres Jammern und Klagen rechtfertigen würde. Schon gar und zumal dann nicht, wenn man zum Vergleich mit Sexten das Zahlenmaterial von Padola heranzieht. Sexten verbuchte im Geschäftsjahr 2011/12 insgesamt 627.000 Nächtigungen, demgegenüber brachte es Padola 2012 gerade mal auf 50.000. Die Gegenüberstellung liefert ein schier unglaubliches Gefälle zwischen hüben und drüben, zwischen zwei Ortschaften, die knapp 15 Kilometer voneinander entfernt liegen.

Franz Senfter, der "Fondo Brancher" und ein Hochzeitsgeschenk für die Sexten Dolomiten AG

Mit dem Vorsatz, die touristische Talfahrt Padolas abzubremsen und die Umkehr zum Wiederaufstieg zu schaffen, betrat vor nunmehr drei Jahren Franz Senfter die Bühne. Er sorgte dafür, dass die Verbindlichkeiten der zu diesem Zeitpunkt stark konkursgefährdeten  „Alta Comelico srl“ mit 30% abgegolten werden konnten. Die Nachfolgegesellschaft nannte sich dann  „Nuova Alta Val Comelico srl“. Franz Senfter sicherte sich darin die absolute Mehrheit und ließ sich zudem zum Präsidenten bestellen.

Seither hat sich in Padola hinsichtlich der Schaffung neuer Strukturen im Zusammenhang mit der erkälten Verbindung zum Kreuzbergpass nicht viel getan. Dies führt man in Padola darauf zurück, dass die erwartete Finanzspritze aus dem „Fondo Brancher“ ausblieb. Ein erstes Projekt über rund 30 Mill. Euro wurde vom ODI zur Finanzierung nicht zugelassen. Daraufhin wurde ein zweites über rund 16 Mill. Euro eingereicht. Dies fand zwar die Zustimmung, konnte aus Mangel an Mitteln jedoch nicht unterstützt werden. Der Grund hierfür: Der damalige Präsident der Provinz Bozen, Luis Durnwalder, verweigerte die Einzahlung in den „Fondo Brancher“ von 40 Mill. Euro jährlich mit der Begründung, die Gelder würden nicht im Sinne der Vereinbarung (Mailänder Verträge) verwendet. Das ODI, der eigens hierfür bei der Provinz Verona eingerichtete Verwaltungs- und Koordinierungsausschuss, würde die Vorgaben, wonach vorrangig Projekte von Angrenzer-Gemeinden zu finanzieren seien, nicht einhalten.

Der Streit wurde neulich von Durnwalders Nachfolger, Arno Kompatscher, im Wesentlichen beendet. Das ODI wurde kurzer Hand abgeschaffen. Seiner statt werden über die Mittelverwendung künftig (ab Ende Juni 2014) die Provinzen Bozen und Trient sowie die Regionen Veneto und Lombardei gemeinsam entscheiden. Bekanntlich haben sich die beiden Autonomen Provinzen auf Grund der Mailänder Verträge verpflichtet, jährlich je 40 Mill. Euro in den „Fondo Brancher“ zwecks Unterstützung armer Angrenzer-Gemeinden einzuzahlen. Daraus fließen nun der  „Nuova Alta Comelico srl“ vorerst 10 Mill. Euro zu. Durch die geplante Fusion mit der Sexten Dolomiten AG mündet der Geldstrom gleichsam als Hochzeitsgeschenk in die Gemeinschaftskasse der Sexten Dolomiten AG. Wie in Padola zu erfahren war, werden aus demselben Fonds weitere Verlustbeiträge in Höhe von nochmals mindestens 10 Mill Euro erwartet.

300 neue Betten in Valgrande

Das Ziel Franz Senfters in wenigen Sätzen ausformuliert: Franz Senfter beabsichtigt einerseits von Padola über den Col d’la Tenda, Valgrande (Terme delle Dolomiti) zum Colesei und Kreuzbergpass ein Auf- und Abfahrtsnetz zu flechten, um es dann in das bestehende Skikarussell Helm-Rotwand anzuflicken. Andererseits weiß der Innichner Großfabrikant ganz genau, dass derartige Anlagen kaum Aussicht auf Erfolg haben, falls Drumherum nicht ein angemessenes  Bettenangebot besteht. Die diesbezüglich bestehende Unterverorgung will Senfter mittels einer in Valgrande zu schaffenden Anlage mildern. Er denkt dabei an 300 Betten. Außerdem will er das bestehende, aber geschlossene Schwefelbad größer und mit all dem ausgestattet, was man heute und in Hinkunft von einem modernen Heilwasserbad in den Bergen erwartet, erstehen lassen. Angesichts dieser umfangreichen und aufwändigen Vorhaben, darf man getrost von einer gesamten Investitionssumme von satten 50 Mill Euro ausgehen. Fondo Brancher lässt grüßen.

Wie gut es doch ist, dass Durnwalder den Fonds über Jahre hinweg blockiert hat. Es dürfte sich so mancher darüber freuen – nicht zuletzt er selbst und sein alter Vertrauter Franz Senfter sowieso. Doch auch Durnwalders Nachfolger Arno Kompatscher war vor den Europawahlen zusammen mit Herbert Dorfmann, dem Europaparlamentarier, im Cadore unterwegs. Mit Erfolg, wie die fast 10.000 SVP-Stimmen in der Provinz Belluno bezeugen. Erfolg verpflichtet!

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Benno Kusstatscher Do., 12.06.2014 - 17:43

Endlich wird das thematisiert. Der Artikel erklärt sehr schön am Paradebeispiel, warum die angrenzenden Gemeinden sehr skeptisch sind, wenn die Fonds von Bozen und Trient aus verwaltet werden: weil sie höchstwahrscheinlich an unsere Großunternehmen zurückfließen werden. Erfolg verpflichtet und über 9000 Stimmen aus dem Belluno sind eine Verantwortung, die man nicht mehr einfach abschütteln kann. Mein Eindruck ist dennoch, dass die Bevölkerung von Comelico große Hoffnungen in dieses Skikarussell steckt. Jetzt, da Cortina seine WM 2019 nicht bekommt, und die Region Venetien ein Mitspracherecht bei den UNESCO Dolomiten über Belluneser Köpfe hinweg bekommen hat, wäre es unverantwortlich, wenn mit Tricksereien versucht würde, die Gelder nach Sexten zurückfließen zu lassen. Indirekt profitieren muss reichen! Schließlich warten andere teure Projekte wie ein Flirt-Zug von Toblach nach Cortina und weiter, der mit dem Skikarrussell vieles gemeinsam hat: 1) wichtig für die regionale Entwicklung, die der Menschenentleerung der Täler entgegenwirkt 2) möglicherweise entscheidend darüber, ob sich BL an BZ und TN orientieren wird oder am Venezianischen Löwen und 3) einen sensiblen ökologischen Aspekt hat, der mit viel Bedacht öffentlich debattiert werden muss. Alle drei Punkte sollten unsere höchste Aufmerksamkeit bekommen.

Do., 12.06.2014 - 17:43 Permalink