Gesellschaft | Gastkommentar

Die Babel-Geschichte

Zur Vielfalt der Sprachen: Steckt die Botschaft, die uns auch heute noch angeht, vielleicht in dem unscheinbaren Satz, der dem Untergang von Babel vorausgeht?
Turmbau zu Babel
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Viele von uns teilen eine Vorstellung von Sprache und Identität, die auf die Geschichte vom Turmbau zu Babel zurückreicht (1 Moses 11). Die Vielfalt der Sprachen wird seither als Strafe für den Hochmut der Menschen angesehen.
Megastädte waren seit der sumerischen Zeit eine Realität. Gigantische Bauten finden sich in allen alten Hochkulturen, in Ägypten, in Mesopotamien, in Zentralamerika.

Viele dieser Bauten wurden vor Vollendung der Arbeiten unterbrochen. Als Grund wird heute von der Wissenschaft angenommen, dass Epidemien ausgebrochen sind, was bei der Masse von Arbeitern, die für den Bau zusammenkamen, kein Wunder ist. Eine Epidemie bricht aus. Die Menschen flüchten aus der Megastadt. Allein? In Familienverbänden, in Gruppen. Kennzeichen der Zugehörigkeit zu diesen Fluchtgruppen ist die gemeinsame Sprache. Sie fliehen, suchen Zuflucht in neuen Territorien, siedeln sich dort an, isoliert nach Sprachgruppen, die gemeinsam die Flucht angetreten haben.

Steckt die Botschaft, die uns auch heute noch angeht, vielleicht in dem unscheinbaren Satz, der dem Untergang von Babel vorausgeht?

Zuvor hatten in der Megastadt die unterschiedlichsten Sprachgruppen nebeneinander gelebt. Nach der Katastrophe leben sie in der ganzen Welt „zerstreut“, nach Sprachen getrennt.
Das ist eine historisch, anthropologisch und sozial plausible Rekonstruktion dessen, was vor Jahrtausenden tatsächlich geschehen ist und wovon die Bibel in einer knappen Erzählung berichtet.

Steckt die Botschaft, die uns auch heute noch angeht, vielleicht in dem unscheinbaren Satz, der dem Untergang von Babel vorausgeht?
„Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.“

Also: „Gemeinsam sind sie stark und können alles.“ Aus der Perspektive Gottes gesprochen. Aus unserer Warte:
Gemeinsam sind wir stark und können alles.