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Klezmer in Meran

„Singt mit, spielt mit, und lernt diese faszinierende Welt selbst kennen“ lautet das Motto des „piccolo festival Merano Klezmer 2021“.
Aleksei Rozov
Foto: pressefotos

In Meran wird zurzeit ein einzigartiges Festival vorbereitet, das „piccolo festival Merano Klezmer 2021", das vom 25. August bis 2. September über die Bühne gehen soll. Mit drei Konzerten und sechs Workshops wollen lokale Musiker gemeinsam mit Koryphäen aus dem Ausland die Welt der yiddishen Shtetl, die einmal auch Meran prägte, wiederaufleben lassen. 

Zu Beginn dieser musikalischen Zeitreise stellte sich Friederike Haupt mit einigen Mitgliedern des GAM- Studios Meran die Frage, wie wohl damals, vor etwa 100 Jahren, der Klang dieser Musik in Meran gewesen sein könnte. So entstand die Idee, die Klezmer-Geschichte musikalisch aufzuarbeiten, um ein zeitnahes Stimmungsbild von vor gut 100 Jahren zu kreieren. „Als Video kann man die Geschichte ja nicht mehr dokumentarisch darstellen. Aber als Hörfilm hört man die Sachen, und die Bilder entfalten sich im eigenen Kopf, in der eigenen Fantasie. Durchs Hören können wir diese Welt wieder ein bisschen aufleben lassen“, so Haupt. Dokumentiert werden soll diese Spurensuche am Ende auch auf einer CD.

 

Klezmer-Musik war die Hochzeits-und Festtags-Musik der yiddischen Shtetl in Osteuropa. Yiddisch war die Alltags-Sprache und jene der Lieder.

„Klezmer ist mehr als nur ein Musik-Stil, es erzählt eine Geschichte, eine Gesellschaft. Das Gefühl, das sich mit dieser Musik vermittelt, spiegelt sich ganz besonders in den yiddischen Liedern wider. Sie zeigen eine Welt, die vor über 100 Jahren und länger schon existierte und die auch nach Meran kam.“

In vielen Ländern entstand zu Beginn des 20.Jahrhunderts aus Volksmusik „Kunstmusik“. Das ist eine große musikologische und demokratische Leistung, da man sich den Menschen zuwandte und den Wert dieser Musik anerkannte und zelebrierte. Forscher reisten mit Wachsrollenphonografen und Schreibutensilien durch Polen und Russland und schrieben auf was sie hörten. Bis der 2. Weltkrieg diesem Prozess ein jähes Ende setzte.

Schon vorher aber wanderten viele Klezmermusiker von den osteuropäischen Shtetl nach Amerika aus. Sie nahmen ihre Musik dorthin mit, hauptsächlich nach New York und prägten dort Orte wie den Broadway. Im Konzert am 29.August in der Villa San Marco sollen einige der Hits aus dem New York von damals das yiddische Meran von einst wiederbeleben. Doch auch die russische Seite der yiddischen Lieder kommt nicht zu kurz. Die Sprache "Yiddish" ist ursprünglich Mittelhochdeutsch mit diversen Elementen, eine der vielen jüdischen Umgangssprachen. Heute kommen diese beiden Welten zusammen, und insbesondere das "Klezmer Institute" in New York und der „Yiddisch Summer Weimar" sorgen dafür, dass Yiddisch und Klezmer zu einer immer größeren Musikbewegung heranwachsen.

Die jüdische Gemeinschaft in Meran hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Kurstadt. Man denke an das Hotel Bellaria, das jüdische Sanatorium oder den Teppichhändler Gabay. Sie waren etablierter Bestandteil der Meraner Kultur. Das Festival soll eine Kostprobe davon geben, wie es ausschauen kann, diese musikalischen Welten neu zu entdecken. Als Inspiration diente den Festivalmachern das jüdische Museum. Dessen Leiter, Joachim Innerhofer leistete für sein Buch Mörderische Heimat umfangreiche Recherchearbeit, eine Vorarbeit, die jetzt ermöglicht, Klezmer Musik und das Jiddische Lied wieder in Meran aufleben zu lassen. Denn die Aufarbeitung des Holocaust erst ermöglicht es, wieder "Brücken zu bauen mit Musik“, wie Friederike Haupt erklärt. „Wir wollen mit Musik diese Zeit wieder ins Leben rufen".


Vom 25. August bis 2. September soll diese nostalgisch angehauchte Stimmung Meran erreichen.

Nachmittags finden ab 17 Uhr in der Villa San Marco (Accademia di studi italo-tedeschi) Klezmer Workshops statt, und ab 19 Uhr gibt es Workshops zum yiddischen Lied. Es wird ein Programm aus bekannten sowie aus neuen und unbekannteren yiddischen Liedern gebastelt. Im Hotel Paradies steigt am 28 August das erste der Konzerte, unter dem Motto „Night Klezmer“. Am 02/09 wird man zum krönenden Abschluss durch Meran ziehen, um ein paar besondere Orte zu bespielen und einen Flashmob ins Leben zu rufen. Wegen der Pandemie muss man sich vorab anmelden, kann sich aber auch vor Ort registrieren lassen.

Aleksei Rozov, Geiger mit einer großen Geschichte, kommt aus Moskau angereist und bietet die Klezmer Workshops an. Als Mitglied einer Retro Band, ist er besonders für historisch informiertes Spiel zuständig. Sara Gutvill und Friederike Haupt bieten die Workshops für das yiddische Lied an. Es beteiligen sich auch weitere lokale MusikerInnen wie Helga Plankensteiner oder Michael Lösch.

Für Friederike Haupt, eine der Organisatorinnen, ist es eine erfreuliche Überraschung, dass das Merano Klezmer 21 tatsächlich dieses Jahr stattfinden kann, wenn auch – aus Pandemiegründen – auf kurzfristigem Wege.

 

„Es war ein Vergnügen dieses Festival in Meran zu organisieren, wegen des vielen Interesses und der positiven Energie, die man hier erhält, wofür ich sehr dankbar bin. Klezmer und Meran, das musste wohl einfach zusammenkommen“.

Die diesjährige Ausgabe ist aber lediglich ein kleiner Vorgeschmack für die nächstjährige Ausgabe, die – das lässt sich jetzt schon sagen – noch größer sein wird.