Umwelt | Radtag

Where the Streets have HGV name

Der Eiertanz um den Radtag auf der MeBo macht deutlich, wie sich die Landesregierung von einflussreichen Wirtschaftskreisen vor sich hertreiben lässt.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
 
Klaus Runer versteht die Welt nicht mehr. Der Terlaner Bürgermeister erlaubt sich eine provokante Frage: „Gehören die Straßen in Südtirol der Handelskammer, dem HGV oder dem Bauernbund oder allen Bürgerinnen und Bürgern?“.
Klaus Runer reagiert damit auf die Polemik, um den geplanten Radtag auf der MeBo. Einen Tag lang, am 8. Oktober, sollte zwischen 10.00 und 17.00 Uhr die MeBo zwischen Sinich und Terlan für den Verkehr gesperrt werden. An diesem Sonntag war auf der MeBo ein Radtag geplant.
Doch plötzlich machte dagegen die Südtiroler Wirtschaft mobil. Vor allem der Hotelier- und Gastwirteverband HGV, aber auch der Südtiroler Bauernbund wehrten sich energisch gegen diese Initiative. Auch der Lananer Bürgermeister Harald Stauder meldete urplötzlich Bedenken an. Dieser Widerstand fand umgehend einen mächtigen Verbündeten: Handelskammerpräsident Michl Ebner.
 
„Die geplante MeBo-Sperre träfe die lokale Wirtschaft, allen voran den Tourismus, ins Herz.“
Michl Ebner
Am vergangenen Montag sprach sich dann der Kammerausschuss der Handelskammer einstimmig gegen die geplante Sperre aus. „Die geplante MeBo-Sperre träfe die lokale Wirtschaft, allen voran den Tourismus, ins Herz. Aber auch für die Bevölkerung des Etschtals dürfte der Umwegverkehr durch die Dörfer an diesem Tag kein Vergnügen sein“, bläst Handelskammerpräsident Michl Ebner das Martinshorn­. Der Kammerausschuss appellierte an die Landesregierung, von der geplanten Sperre zwischen Meran und Bozen abzusehen.
Sieben Stunden ohne MeBo und Südtirols Wirtschaft scheint ernsthaft in Gefahr?
So jedenfalls scheint es.
 

Breiter Konsens

 
Joachim Dejaco wundert sich. „Es hat uns sehr überrascht, dass diese Sache jetzt so hochgekocht wurde“. Dejaco ist Direktor der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) und in dieser Funktion auch für den geplanten Radtag auf der MeBo zuständig. Die STA ist Träger der Kampagne „Green Mobility“, deren Hauptziel eine Verkehrsverlagerung ist. 2017 feiert man das 200. Jubiläum der Erfindung des Fahrrades. Deshalb war es naheliegend, dass man eine Großveranstaltung mit dem Fahrrad plant.
 
„Gehören die Straßen in Südtirol der Handelskammer, dem HGV oder dem Bauernbund oder allen Bürgerinnen und Bürgern?“
Klaus Runer
Bereits Anfang des Jahres wurde so die Idee des Radtags auf der MeBo geboren. Die Anliegergemeinden waren schnell an Bord geholt. Dass man gleichzeitig 20 Jahre MeBo feierte, gab der Veranstaltung noch zusätzliche Aktualität.
Es kam zu mehreren Treffen der Gemeinden Terlan, Gargazon, Burgstall, Lana und den Verantwortlichen der STA. Dabei waren auch Vertreter des Bauernbundes und des HGV anwesend. „Widerstand war dabei keiner zu hören oder zu sehen“, sagt Klaus Runer. Am Rande eines dieser Treffen ersuchte ein HGV-Vertreter die Verantwortlichen die Aktion unbedingt nach dem 3. Oktober zu machen. Der Dienstag, 3. Oktober, ist der Tag der Deutschen Einheit und damit ein Feiertag, an dem man einen besonderen Touristenstrom aus Deutschland erwartet.
Die STA hat dann in Zusammenarbeit mit den Gemeinden den 8. Oktober 2017 für den Radtag auf der MeBo festgelegt.
 

Die Sperrung

 
Von Anfang in die Planungen eingeweiht war das Mobilitätsassessorat, der zuständige Landesrat Florian Mussner sowie Umweltassessor Richard Theiner. Weder von Mussner noch aus seinem Ressort wurden bis zu diesem Wochenende Bedenken gegen den Radtag angemeldet. Ganz im Gegenteil. Das Ressort und der Landesrat halfen den STA-Veranwortlichen bei der schwierigsten Aufgabe.
Die Landesregierung hat nicht die Kompetenz die MeBo zu sperren. Dafür ist das Regierungskommissariat zuständig. Dort suchten die STA-Verantwortlichen dann auch im Frühjahr an. Doch die Genehmigung verzögerte sich. Die scheidende Regierungskommissarin Elisabetta Margiacchi wollte in der Übergangszeit die Entscheidung nicht mehr fällen, sondern diese ihrem Nachfolger überlassen. Der neue Regierungskommissär Vito Cusumano musste sich erst einarbeiten, bis er dann im August die Genehmigung für die Sperrung der MeBo am 8. Oktober erteilte.
Sofort begann man das Event in den Gemeinden zu planen. „Bei uns haben sich elf Vereine bereit erklärt auf der MeBo Verpflegungsstände zu machen“, sagt der Terlaner Bürgermeister. Es sollte ein großes, einmaliges Volksfest für Jung und Alt werden.
 

Der Rückzieher

 
Doch daraus wird nichts. Nach dem plötzlichen Aufschrei der mächtigen Südtiroler Wirtschaftskreise tut die Landesregierung so, als hätte sie von der Initiative nichts gewusst. „Die Kommunikation innerhalb der Landesregierung scheint nicht besonders gut zu funktionieren“, kommentiert Klaus Runer sarkastisch.
 
„Dieser Termin ist ungünstig, da der Tag ein Fenstertag ist und es viel An- und Abreise von Urlaubsgästen gibt und auch viele Landwirte wegen der Ernte auf den Straßen unterwegs sind.“
Arno Kompatscher
Am Dienstag dann der Rückzieher. Die Landesregierung hat beschlossen, dass der MeBo-Radtag am 8. Oktober nicht stattfinden wird. Landeshauptmann Arno Kompatscher: „Für den Radtag, der auf das 200-jährige Jubiläum des Fahrrads hinweisen und das Radfahren als umweltfreundliche Art der Mobilität hinweisen soll, muss nach Auffassung der Landeregierung eine andere Form und ein neues, passenderes Datum gefunden werden.“ Der 8. Oktober sei der falsche Tag für die Veranstaltung.
„Dieser Termin ist ungünstig, da der Tag ein Fenstertag ist und es viel An- und Abreise von Urlaubsgästen gibt und auch viele Landwirte wegen der Ernte auf den Straßen unterwegs sind“, begründete der Landeshauptmann die Entscheidung.
Die Landesregierung will, dass die Arbeitsgruppe von STA und Gemeinden jetzt einen neuen Vorschlag ausarbeitet.
 

Der Bückling

 
In Wirklichkeit ist diese Entscheidung der Landesregierung nichts anderes als ein Bückling vor den mächtigen Wirtschaftskreisen um Ebner & Co. Das wird aus der Begründung Kompatschers deutlich.
Dass „viele Landwirte wegen der Ernte auf den Straßen unterwegs sind“, ist völliger Humbug. Der 8. Oktober ist ein Sonntag und an Sonntagen sind die Obstgenossenschaften geschlossen. Das heißt, kein Bauer kann seine Äpfel dort abliefern. Es stimmt natürlich, dass die Ernte immer noch im Gang ist. Normalerweise fahren Bauern und Klauber aber wohl vor 10 Uhr (Beginn der Sperre) auf die Wiese. Vor allem aber ist das gesamte Etschtal von einem Netz von Konsortialwegen durchzogen, großteils durch Schranken versperrt, auf denen die Bauern überall hinkommen.
Auch der angebliche Fenstertag ist eine Augenauswischerei. Ende November beginnt der Wahnsinn der Weihnachtsmärkte, davor ist Törggelezeit. Verschiebt man den Radtag auf Anfang November stehen Schulferien an. Vor allem aber wird das Volk im November im Skianzug über die MeBo radeln müssen.
Deshalb diskutiert man jetzt den 22. Oktober als möglichen Termin. Für den Tourismussektor ändert sich damit wenig. Doch so könnte die Landesregierung ihr Gesicht wahren.
Denn dieser Eiertanz um den Radtag auf der MeBo macht nicht zum ersten Mal deutlich, wie sich die Landesregierung von der Handelskammer und der Wirtschaft vor sich hertreiben lässt.
Meistens geht es dabei auch um Eigeninteressen. So gehört dem Handelskammerpräsidenten rein zufällig mit dem Thermen-Hotel das größte Hotel in Meran. HGV-Präsident Manfred Pinzger ist Besitzer des Vinschgerhofes in Vetzan.
Deshalb „trifft die geplante MeBo-Sperre die lokale Wirtschaft, allen voran den Tourismus, ins Herz“.
Oder vielleicht besser in die eigene Brieftasche.
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Wendl Pircher Mi., 13.09.2017 - 07:14

Das soll also eine Veranstaltung für die Umwelt sein? Man versperrt eine Hauptverkehrsachse und verursacht so ein Verkehrschaos auf den den Gemeindestrassen? Und warum wurden es der Bevölkerung solange verheimlicht? Ist euch eigentlich klar das jeder der Arbeitet oder auch einfach am Sonntag irgendwo hinfahren will euch den Teufel, für solche bescheuerte Aktionen, an den Hals wünscht? Für wen ist die Mebo? Für Lobby´s, nein für die Bürger und Bürgerinnen! Und da finden sich wenige welche diese Aktion gut finden, seht euch einfach mal die Umfragen an!

Mi., 13.09.2017 - 07:14 Permalink
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Manfred Pinzger Mi., 13.09.2017 - 15:45

Ich weise darauf hin, dass die Gäste meines Hotelbetriebes „Vinschgerhof“, in Schlanders zu 99 % über den Reschenpass oder über die Schweizer Straßenverbindungen an- und abreisen. Somit dürfte die im Salto-Artikel angeführte Unterstellung, es gehe mir um persönliche Vorteile, wenn ich mich gegen eine Sperrung der MEBO ausspreche, entkräftet sein.
Ich habe als HGV-Präsident nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, in Vertretung unserer Mitgliedsbetriebe auf die problematischen Folgen einer MEBO-Sperrung hinzuweisen - v.a. auf das vorprogrammierte Verkehrschaos auf den Ausweichrouten. Dieses würde selbstredend nicht nur unsere Gäste belasten, sondern im gleichen Maße auch die Südtiroler Bevölkerung im Allgemeinen. Somit ist die im Artikel geäußerte Einschätzung, dass die mittlerweile politisch entschiedene Aufhebung der Straßensperre nur dem Tourismus und der Landwirtschaft zugutekäme, aus meiner Sicht schlichtweg falsch.
Wenn man das in den verschiedenen Medien wieder gegebene Stimmungsbild zum Thema beobachtet, kann man überdies feststellen, dass der HGV und weitere Verbände bei weitem nicht allein diese Meinung vertreten, im Gegenteil: die Mehrheit der sich an entsprechenden Umfragen beteiligten Personen (ganz zu schweigen von den vielen Kommentaren auf den verschiedenen Südtiroler Online-Portalen) sieht die ursprünglich geplante Sperrung der MEBO tendenziell gleich kritisch wie wir.

Mi., 13.09.2017 - 15:45 Permalink
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Franco Blue Sa., 16.09.2017 - 21:20

Einen Fahrradtag auf eienr Hauptverkehrsader des Landes zu veranstalten ist meiner Meinung nach eine Idee, die einem nur nach dem Genuss von zuviel Alkohol kommen kann. Wir haben ein wunderbar ausgebautes Radwegenetz. Warum man da die Mebo sperren muss, entzieht sich meiner Fantasie. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, zu Jahrestag des Autos die Radwege zu sperren.
Und ob Lobby oder nicht, ich glaube nicht, das Lischen-Müller, die Ihr Haus direkt an der Staatsstrasse hat, und diese jeden Tag mit Ihren Enkeln und Ihrem Krückstock überquert, um die Nachbarn zu besuchen, so glücklich wäre, wenn alle Fahrzeuge, PKW, LKW, Busse, usw., die sonst auf der MeBo unterwegs währen, an Ihrem Wohnzimmerfenster vorbeifahren, stundenlang, einer nach dem anderen...

Sa., 16.09.2017 - 21:20 Permalink