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Vinschgau Sozial

Solidarisch und wirtschaftlich rentabel: zum fünfjährigen Bestehen der Vinschger Sozialgenossenschaft ViSo
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Viso

Der prosperierende Obervinschger Hauptort Mals geht seit geraumer Zeit eigene Wege. Und inmitten von Mals feiert ein Projekt sein fünfjähriges Bestehen, das in mehrerlei Hinsicht sogar für Mals außergewöhnlich und erwähnenswert ist. Die Vinschger Sozialgenossenschaft, kurz ViSo, führt vor, wie eine Ökonomie der kleinen Kreisläufe sozial und wirtschaftlich zugleich sein kann. Nicht von ungefähr der Slogan: Wo alle gewinnen! Ist ViSo nun aber eine glückliche Ausnahme-Erscheinung oder ein ökonomisches Vorbild? Oder beides?

Haimo Perkmann

Es war Ende August 2017, kurz vor dem Beginn des Wintersemesters, als der gebürtige Stilfser Sascha Plangger, Universitätsassistent an der Uni Innsbruck, den Entschluss fasste, von der Theorie in die Praxis zu wechseln und die Uni zu verlassen.

Seitdem widmet er sich hauptberuflich der Sozialgenossenschaft. „Von den Auswirkungen der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise, die in vielen Ländern tiefe Spuren hinterlassen haben, sind insbesondere Menschen mit Behinderung betroffen“,  schrieb er damals in einem Beitrag der Fachzeitschrift für Sozialpädagoginnen Impulse. Aus diesem Impuls wurde 2013 die ViSo von zahlreichen Personen gegründet. Ziel von ViSo war es von Anfang an, soziales Engagement mit Wirtschaftlichkeit zu verbinden, denn nur so konnte es auf Dauer gelingen, selbstbestimmt und so weit als möglich unabhängig zu bleiben.

Die Grundidee ist theoretisch simpel, doch in der Praxis komplex. Denn wer sozial, nachhaltig und rentabel wirtschaften will, muss sich etwas einfallen lassen. So übernahm ViSo 2013 die ehemalige Pension Malserhof und wandelte sie in ein Schülerheim um. Das nach Claudia de Medici benannte Oberschulzentrum in Mals mit seiner Fachrichtung Sport zieht Schüler aus dem ganzen Land, aber auch aus Italien und dem Ausland an. Die Plätze im Schülerheim sind begehrt. ViSo startet mit sieben Beschäftigten. Innerhalb von nur fünf Jahren entwickelt sich aus der kleinen Genossenschaft jedoch ein vielseitig tätiges Unternehmen und herausragendes Beispiel für eine Ökonomie der sozialen Wertschöpfung.

Die Vinschger Sozialgenossenschaft führt vor, wie es gelingen kann, den Spagat zwischen solidarisch und wirtschaftlich zu vollführen.

Der Kreislauf funktioniert so:

  • Schritt 1: Das Schülerheim gibt rund 100 Schülern und Schülerinnen ein Zuhause am Ort ihrer Ausbildung, zu einem angemessenen Preis und inklusive Mensa. Das Heim soll mehr als nur Schlafplatz sein, die Schüler_innen sollen sich wohl fühlen. „Ein Heim wie daheim“, heißt es auf dem neuen Image-Flyer.
  • Schritt 2: Die Beschäftigten in Heim und Mensa hingegen sind Großteils Menschen, die aus verschiedenen Gründen – etwa aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung – auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar sind und somit riskieren, aus den weitläufigen Maschen unseres sozialen Netzes herauszufallen; darunter Alleinerziehende und sozial benachteiligte Frauen und Männer, aber auch Flüchtlinge aus dem Malser Flüchtlingsheim Ruben.
  • Schritt 3: Die primären Zutaten der Küche – Obst, Gemüse und tierische Produkte – werden wiederum ausschließlich von regionalen Anbietern bezogen. Mehrere Biobauern der Umgebung versorgen die Küche der Mensa mit den besten Zutaten der Region, nach dem Motto: „Gut, bio, regional.“

Daneben haben sich (Schritt 4) im Laufe der Jahre weitere Betätigungsfelder herauskristallisiert. So sind aus den 7 Beschäftigten fünf Jahre später 54 Mitarbeiter geworden, 20 Männer und 34 Frauen; und der Umsatz hat sich verzehnfacht.

Lukrativ und lecker ist etwa das Event-Catering für Anlässe aller Art. Gern in Anspruch genommen wird auch die Pflege von Grünanlagen und Gärten, die Reinigungsarbeiten an Fassaden und Gebäuden, oder der neue Hausmeister-Service. Gerade Privathaushalte sind mit Reparaturen oder Entrümpelungen oft überfordert. Nicht jeder hat die Zeit und Begabung, neben Arbeit und Familie auch noch Hausmeister zu sein. Auf die Idee des Hausmeisterservice ist man bei der Sozialgenossenschaft gestoßen, als klar wurde, dass die früher übliche Nachbarschaftshilfe zunehmend nachlässt, und die vielseitig begabten Mitarbeiter von ViSo hier gerne ihr Können beweisen würden.

Besonderes Augenmerk verdient die Tatsache, dass alle diese Tätigkeiten aus mehrerlei Gründen keine wirkliche Konkurrenz für die Privatwirtschaft darstellen. Preis- oder Lohndumping sind bei ViSo ein Fremdwort, alles andere wäre obsolet; und mit den einfachen, aber notwendigen Tätigkeiten kommt man den Spezialisten nicht ins Gehege. Ob dies reiner Zufall oder angemessene Sensibilität der Verantwortlichen geschuldet ist, lässt sich schwer überprüfen.

Das Campus-Hotel und die neue Kindertagesstätte Erdbeerwichtel im Martelltal

Stillstand kennt man bei ViSo nicht. Im Sommer, wenn die Schüler daheim oder in den Ferien sind, wird das Heim als „Campus Hotel“ an Sportgruppen und Teams vermietet. Und der jüngste, dringend notwendige wiewohl nicht lukrative Service ist die Kindertagesstätte Erdbeerwichtel im Martelltal, wo es bis dato keine solche Struktur gab. Den Namen, Erdbeerwichtel, haben sich die engagierten Talbewohner übrigens selbst gegeben. Wie Juliane Stocker, die pädagogische Leiterin der ViSo unterstreicht, fügt sich die Eröffnung der Kindertagesstätte in Martell in eine Gesamtstrategie der ViSo, um Arbeitsplätze in abwanderungsgefährdeten Gemeinden des Vinschgaus zu schaffen bzw. aufrecht zu erhalten.

Zum fünfjährigen Jubiläum...

... Ende August 2018 sind jedenfalls nicht nur lokale Politiker wie der Malser Bürgermeister Ulrich Veith und der Sozialreferent der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, Dieter Pinggera erschienen, die das Projekt von Anfang an unterstützten und sein Potential frühzeitig erkannt hatten, sondern auch Landesrätin Waltraud Deeg. Eine Erfolgsgeschichte wie diese lässt sich die Politik – angesichts der zahlreichen aktuellen Probleme – wohl nicht entgehen. So wünschte die Landesrätin der Sozialgenossenschaft weiterhin viel Erfolg und kam zum Schluss, dass Sozialprojekte wohl am besten vor Ort entstehen und nicht im Landhaus am Reißbrett entworfen werden sollten. Ähnlich wie erfolgreiche Graswurzelbewegungen, entsteht auch soziales Engagement stets vor Ort, dort, wo es die Menschen de facto berührt. Von der Makropolitik wünscht man sich vielfach lediglich, dass sie den lokalen Bemühungen wenigstens keine Steine in den Weg legen möge. Auch Bürgermeister Veith betonte, dass die ökologische, lokale und regionale Wertschöpfung ein fundamentales Standbein der Initiative sind und dies von der Gemeinde von Anfang an auch begrüßt wurde.