Politik | Flüchtlingskrise

Schutz für Syrer im eigenen Land

Die meisten syrischen Flüchtlinge sind vor dem Krieg geflohen, den Asad gegen die eigenen Bürger führt. Mit diesem Regime an der Macht, werden sie nicht zurückgehen.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Der Westen, die EU, die UNO haben über vier Jahre vor allem zugesehen, wie Asad sein Volk bombardiert, waren nicht mal mehr gewillt, für die Kosten der Flüchtlingslager in den Anrainerstaaten Syriens aufzukommen. Dieses Desinteresse am Schicksal von Millionen von Syrern rächt sich jetzt mit dem Massenexodus, dessen Last vor allem Deutschland zu tragen hat. Der anvisierte Deal mit Erdogan, diesen Exodus in der Türkei zu stoppen, wird nicht aufgehen.

Vergangene Woche hat die EU-Spitze mit Erdogan Auswege aus der Flüchtlingskrise diskutiert. Die EU braucht derzeit die Türkei dringend, die sie ansonsten bei den Beitrittsverhandlungen auf „Bitte warten“ gesetzt hat. Der Plan: mit EU-Finanzhilfe sollen in der Türkei oder in „Pufferzonen“ auf syrischem Staatsgebiet große Flüchtlingslager geschaffen werden. Dann soll die Türkei zum „sicheren Herkunftsland“ erklärt werden. So könnten hunderttausende Syrer gleich an den Grenzen der EU ohne Missachtung asylpolitischer Grundprinzipien der EU wieder zurückgeschickt werden. Eine der Gegenleistungen an Erdogan: er will freie Hand in der Bekämpfung des kurdischen Widerstands, den er mit ähnlichen Methoden betreibt wie Asad seinen Krieg gegen die Opposition. Damit ist auch schon gesagt: die Türkei ist alles andere als ein sicheres Herkunftsland, hat Tausende von politischen Gefangenen, 20% der türkischen Staatsbürger, die in Deutschland Asyl beantragen, werden anerkannt.

Natürlich sind Verhandlungen mit der Türkei unvermeidlich, doch ein solcher Deal mit Erdogan bringt keine Lösung. Auch Oktavia Brugger hat mit ihren immer aufschlussreichen Kommentaren aus Istanbul diesen Aspekt nicht aufgezeigt. Eine Lösung für den derzeitigen Massenexodus von Syrern, die sich in der Türkei befinden, muss in Syrien gefunden werden, gegen das Asad-Regime und nicht auf Kosten der Kurden. Der Westen muss endlich Schutzzonen für die Zivilbevölkerung in Syrien schaffen, genauso wie in den 1990er Jahren für die Kurden im Irak gegen Saddam Hussein. Befreite Zonen gibt es bereits, vor allem im autonomen Gebiet der syrischen Kurden, genannt Rojava. Dieses befreite Gebiet wird vom Westen nicht wirklich unterstützt und von der Türkei völlig im Stich gelassen. Schutzzonen könne auch in den von der Freien Syrischen Armee gehaltenen Gebieten errichtet werden. Schutzzone bedeutet vor allem Flugverbotszone, bedeutet auch aktiven militärischen Schutz nicht nur gegen den IS, sondern auch gegen die russischen Komplizen Asads.

Angela Merkel hat in ihrem Interview mit Anne Will vergangenen Mittwoch die deutsche Öffentlichkeit daran erinnert, dass – wie damals im Bosnienkrieg – die meisten Kriegsflüchtlinge in ihrem Heimatland bleiben möchten und würden, wenn sie nur sicher wären. Sicherheit in Syrien bedeutet vor allem Sicherheit vor Asad, dann erst vor dem IS. Sicherheit erfordert ein friedensschaffendes Eingreifen der Staatengemeinschaft zum Schutz der Zivilbevölkerung. 70% der Bosnienflüchtlinge sind nach dem Krieg aus Deutschland wieder in ihr Land zurückgewandert. Man kann aus dem Bosnienkrieg auch lernen, wirksam einzugreifen, bevor weitere 200.000 Menschen ermordet worden sind, die halbe Bevölkerung vertrieben worden ist, und Asad, Putin und der Iran ihr menschenverachtendes Spiel zu Ende gebracht haben.

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Stefan Hauptmann Mo., 12.10.2015 - 12:26

Das eigentliche Problem in dieser Region sind die künstlich gezogenen Grenzen nach der Zerschlagung des osmanischen Reiches im 1. Weltkrieg. Hierbei wurden die Grenzen (Sykes-Picot-Abkommen dann Vertrag von Versailles) ohne Rücksicht auf die dort lebenden Bevölkerungsgruppen gezogen. Ganz nach der Aussage: "Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben" nur hierbei leider auch die Zukunft... Der Alawiten Präsident Bashar al-Assad gehört eigentlich einer Minderheit an welche aber lange Zeit geduldet wurde. Die mehrheitlichen sunnitischen Araber und die Kurden konnten frei wirtschaften aber niemals die Machtfrage stellen. Das wurde bereits unter Assad Senior so festgelegt. Jetzt haben wir einen Bürgerkrieg in Syrien ohne klaren Fronteinverlauf begünstigt durch Einwirken von außen (Waffen, Söldner usw. ...). Russland treibt hier kein Menschenverachtendes Spiel sondern hält sich an das Defensiv-Bündnis mit Syrien. Durch die Anfrage Assads ist der Bündnisfall eingetreten.
Irgendwann muss wieder Ordnung hergestellt werden und mit den diversen Gruppierungen (Nationale Koalition der Syrischen Opposition, Die Muslimbrüder, Die Kurden, Freie Syrische Armee (FSA), Ahrar al-Scham/Suqur al-Scham, Dschabhat al-Nusra (DN)) ein friedlicher Konsens gefunden werden oder die Grenzen verschieben wofür ich persönlich plädieren würde...

Mo., 12.10.2015 - 12:26 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 13.10.2015 - 14:31

Aber es gibt auch diese Meldung: "Amnesty wirft Kurdenmiliz Vertreibungen vor" und weiter "Sie sollen Dörfer niedergerissen und Tausende Zivilisten vertrieben haben - nach Ansicht von Amnesty International könnte die syrische Kurdenmiliz YPG Kriegsverbrechen begangen haben. Die YPG wird von den USA unterstützt."
Kaum hat man einen Hoffnungsträger, muss man erfahren, dass der auch Dreck am Stecken hat.

Di., 13.10.2015 - 14:31 Permalink