Politik | Europa/Italien

Zollchef mit EU-Pension

Der ehemalige Bozner Staatsanwalt und Chef der EU-Betrugsbehörde Giovanni Kessler wechselt als neuer Zollchef nach Italien­. Ein Deal, der in Brüssel für Empörung sorgt.
Kessler, Giovanni
Foto: OLAF
Dienstag vergangener Woche wurde es offiziell. Der Ministerrat ernannte am 3. Oktober Giovanni Kessler auf Vorschlag von Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan zum neuen Generaldirektor der „Agenzia delle Dogane e dei Monopoli.“ Damit wird Giovanni Kessler zum obersten Zollchef in Italien.
Die Berufung sorgt jetzt aber für Schlagzeilen. Es ist das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, das in seiner Online-Ausgabe eine Geschichte bringt, die dem ehemaligen Staatsanwalt und PD-Politiker nicht zur besonderen Ehre gereichen dürfte.
Denn Kesslers Wechsel von Brüssel nach Rom sorgt in der EU für Aufregung. Der Grund ist eine durchaus fragwürdige Konstruktion, mit der Giovanni Kessler sich eine üppige EU-Pension sichern kann. „Die Haushaltskontrolleure sind empört: Sie wittern einen Interessenkonflikt“, schreibt der Spiegel.
 

Steile Karriere

 
Giovanni Kessler war vieles. Unter anderem von 1997 bis 2001 Staatsanwalt am Landesgericht Bozen. Der heute 61jährige Sohn des Trentiner DC-Urgesteins Bruno Kessler kann auf eine beeindruckende Karriere zwischen Justiz und Politik zurückblicken.
Nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Bologna arbeitet Kessler als Staatsanwalt in Trient, Caltanissetta und Bozen. Gleichzeitig fungiert er als Experte und Berater für die italienische Regierung und die EU-Kommission zum Komplex „Kriminalität in Südost-Europa“. Der Staatsanwalt wird zudem stellvertretender Leiter mehrerer OSZE-Missionen im Kosovo.
 
Mit der Jahrtausendwende wechselt Kessler dann in die Politik. Giovanni Kessler, politisch der Linken nahestehend, kandidiert bei den Parlamentswahlen 2001 für die Democratici di Sinistra und wird in die Abgeordnetenkammer gewählt. 2006 ist er einer der Gründer des Trentiner PD. Kessler wird zwei Jahre später für den PD in den Trentiner Landtag gewählt, wo er umgehend zum Landtagspräsidenten gewählt wird.
 

Der EU-Betrugsbekämpfer

 
Giovanni Kessler bleibt aber zur zwei Jahre Landtagspräsident. Die Regierung Berlusconi unterstützt die Beförderung des Linken nach Brüssel. Am 14. Dezember 2010 ernennt die Europäische Kommission Kessler zum neuen Leiter des „Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung“ (OLAF). Im Februar 2011 tritt Kessler als Landtagsabgeordneter zurück.
Sechseinhalb Jahre lang übt Giovanni Kessler das Amt des obersten Betrugsbekämpfers in der EU aus. Der 61jährige Trentiner Jurist ist dabei alles andere als unumstritten.
Der Italiener hat sich in den vergangenen sieben Jahren an der Spitze der EU-Betrugsbekämpfer den Ruf eines Ermittlers erarbeitet, der es mit rechtsstaatlichen Methoden nicht immer so genau genommen haben soll“, urteilt der Spiegel. Das Hamburger Magazin hat bereits 2013 und 2014 mehrfach über den von Kessler ausgelösten Rücktritt des maltesischen EU-Gesundheitskommissars John Dalli berichtet.
 
Dalli soll über Mittelsmänner Geld für Änderungen an der Reform der EU-Tabakrichtlinie gefordert haben. Hintergrund waren Olaf-Recherchen, bei denen es zu zahlreichen, zum Teil bis heute nicht geklärten Ungereimtheiten gekommen sein soll. So sollen die Olaf-Fahnder bei den Ermittlungen beispielsweise illegal Telefone abgehört haben. Wegen dieses Vorwurfs hat die belgische Justiz Ermittlungen gegen Kessler aufgenommen. Im März 2016 wurde deshalb seine Immunität aufgehoben.
Am 15. September 2017 reicht Giovanni Kessler  bei der EU formell seinen Rücktritt ein. Zu diesem Zeitpunkt ist längst klar, dass er in Rom einen neuen Job bekommt.
 

Die Pension

 
Dass die Ernennung Giovanni Kesslers zum italienischen Zollchef jetzt in Brüssel für Aufregung und Missstimmung sorgt, liegt an einem arbeitsrechtlichen Hintergrund, den der Spiegel vor zwei Tagen aufdeckte.
Giovanni Kessler wurde vor einigen Jahren zum EU-Beamten auf Lebenszeit ernannt. Für seine neue Funktion soll der ehemalige OLAF-Chef aber nicht beurlaubt, sondern - so der Vorschlag - „aus dienstlichen Gründen“ abgeordnet werden.
Der Vorteil: Kessler kann sich so ein mögliches Gehaltsminus ausgleichen lassen. Der OLAF-Generaldirektor verdient laut Spiegel rund 19.000 Euro im Monat plus Zulagen. Solle er als Leiter der italienischen Zollagentur weniger verdienen, kann er sich so sein Gehalt von der EU aufstocken lassen.
Was aber noch brisanter sein dürfte, ist die Pensionsregelung. Denn Giovanni Kessler hat als EU-Generaldirektor Anspruch auf eine durchaus üppige EU-Pension. Es sind bis zu 70 Prozent des letzten Grundgehalts. Eine Grundvoraussetzung dafür aber ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Kessler und Brüssel nicht ganz gekappt wird. Deshalb auch die geplante Konstellation.
Es das Arrangement, das jetzt in Brüssel für einige Empörung sorgt. Während man in Italien dazu genüsslich schweigt.  
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Renate Holzeisen Do., 12.10.2017 - 22:36

Das Supervisory Committee (vom EU Gesetzgeber als Kontrolleur der Tätigkeit der Olaf-Behörde eingesetzt) kritisiert seit Jahren in seinem Jahresbericht das nicht transparente, ja unrechtmäßige Vorgehen (z.B. Verweigerung der Akteneinsicht) des Generaldirektors der Olaf-Behörde, dem nicht grundlos die Immunität (von einer freilich viel zu zögerlichen EU-Kommission) entzogen werden musste. Nicht nur die Präsidenten der EU-Haushaltskommission (Inge Gräßle, CDU), sondern auch Teile der Grünen (Französische Abgeornete) haben wiederholt Kesslers Rücktritt gefordert. In einer solchen Situation mutet der vom SPIEGEL und dankenswerterweise von C.F. aufgegriffene Skandal wie ein weiterer Sachverhalt, der zu EU-Verdrossenheit beiträgt, und damit einen in seinen enormen Dimensionen nicht fassbaren Schaden verursacht.

Do., 12.10.2017 - 22:36 Permalink