Umwelt | Pestizide

Glyphosat nicht krebserregend?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat geurteilt: Das Herbizid Glyphosat ist wahrscheinlich nicht krebserregend. Heftige Kritik vom Netzwerk PAN.

Der europaweite Streit um den Unkrautvernichter Glyphosat geht in die nächste Runde. Wahrscheinlich nicht krebserregend, lautet das Urteil am Ende einer neuerlichen Überprüfung  des Wirkstoffs durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). „Wirkstoff-Genehmigung trotz Krebsrisiko“, empört sich umgehend die deutsche Niederlassung des internationalen Pesticide Action Network (PAN) in einer ersten Reaktion. Nicht nur dort wurde zuletzt immer eindringlicher vor nicht abschätzbaren Folgen des breiten Einsatzes von Glyphosat gewarnt, das allein in Deutschland auf rund 40 % der Ackerflächen ausgebracht wird.

Die Neueinschätzung der Risiken und Nutzen des Stoffs wurde notwendig, da die Zulassung des Unkrautmittels für Europa regulär ausläuft. Das Urteil der Behörde für Lebensmittelsicherheit soll der EU-Kommission nun als Entscheidungsgrundlage dafür dienen, ob die Substanz auf der Liste der zugelassenen Wirkstoffe verbleiben und somit weiterhin in den EU-Staaten eingesetzt werden darf.

Offener Brief an EU-Kommissar

47 europäische Nichtregierungsorganisationen hatten den EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis erst Ende Oktober in einem offenen Brief aufgefordert, die Öffentlichkeit vor Glyphosat zu schützen und eine Untersuchung durch die Europäische Chemieagentur (ECHA) in die Wege zu leiten. Schon damals zeichnete sich ab, was PAN Germany nach der nun erfolgten Einstufung kritisiert: Die Behörde für Lebensmittelsicherheit sei mit ihrer Entscheidung nicht der Bewertung der Krebsforschungsagentur der WHO gefolgt, die Glyphosat im vergangenen März als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ eingestuft hatte. Vielmehr habe man sich auf die Position der offiziell beauftragten Prüfbehörde, des deutschen Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR), gestützt. Die wurde von den europäischen NGOs auch im Brief an EU-Kommissar Andriukaitis stark in Frage gestellt. Das BfR hätte wichtige Gutachten einfach ignoriert oder als nicht relevant eingestuft und sich vor allem auf unveröffentlichte Kontrollstudien von Chemieunternehmen gestützt, die Glyphosat produzieren, heißt es darin unter anderem.

Pur oder Cocktail?

Die deutsche Prüfbehörde selbst erklärte die Unterschiede zur WHO-Studie nach einer zweiten Prüfung mit der Tatsache, dass sie nur den reinen Wirkstoff bewerten durfte und nicht das, was tatsächlich auf den Äckern und in Gärten ausgebracht wird. „Auf unseren Äcker werden keine reinen Wirkstoffe, sondern formulierte Pestizidprodukte ausgebracht“, kritisiert PAN Germany in seiner Stellungnahme. „Und genau für solche Formulierungen bestätigte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mögliche erbgutschädigende bzw. krebsauslösende Effekte. Das ist erschreckend.“

Nicht minder erschreckend findet das Netzwerk die Tatsache, dass der Schwarze Peter nun wieder den einzelnen Mitgliedsstaaten zugeschoben werde. Diesen empfiehlt die Prüfbehörde BfR schließlich, gewisse Studien zur Kenntnis zu nehmen, die das Institut habe ausschließen müssen. „Die EU sollte endlich im Sinne der Vorsorge handeln und Glyphosat verbieten“, fordert PAN Deutschland.  

Und Südtirol?

In Südtirol ist im vergangenen Juli ein Beschlussantrag des Movimento 5 Stelle angenommen worden, in dem ein Verbot des Glyphosat-Einsatzes auf öffentlichen Flächen gefordert wird. Erst kürzlich war von PAN Italia kritisiert worden, dass bis auf den Großmarkt OBI nur wenige Baumärkte und Gartengeschäfte dem gemeinsamen Aufruf mit dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz und dem WWF gefolgt sind, glyphosathaltige Produkte freiwillig aus dem Sortiment zu entfernen.