Politik | Flüchtlinge

Der Imageschaden

Ein ehemaliger SVP-Assessor spricht sich im Gemeinderat von Corvara offen gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen aus, weil das ein Imageschaden sei. Und niemand widersprich
Corvara
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Am Ende klingt alles bürokratisch flach und politisch korrekt.
Der Gemeinderat von Corvara hat am 21. Dezember 2016 einen „Grundsatzbeschluss betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen“ gefasst. Von den 15 Gemeineratsmitglieder sind an diesem Vormittag elf anwesend.
Einstimmig beschließt der Gemeinderat folgenden Text:
 
„der Gemeinderat nimmt die Flüchtlingssituation auf nationaler und Landesebene, sowie die moralischen und solidarischen Pflichten gegenüber den Flüchtlingen zur Kenntnis, stellt jedoch fest, dass es im Rahmen der Möglichkeiten und der institutionellen Pflichten der Gemeindeverwaltung nicht möglich ist, einen Beitrag zur Lösung der Angelegenheit zu leisten, da auf Gemeindeebene die logistischen Voraussetzungen und geeignete öffentliche Strukturen für deren Unterbringung, sowie die hierfür erforderlichen Mittel, nicht vorhanden sind.“
 
Dass es in Wirklichkeit ein Beschluss im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Flüchtlingen und gegen die Menschlichkeit ist, wird an diesem Vormittag in der Diskussion im Gemeinderat aber mehr als deutlich. Obwohl im Publikum ein Redakteur der „Usc de Ladins“ sitzt, der später die ungeheuerlichen Aussagen in seinem Blatt wörtlich wiedergeben wird, bemühen sich manche Gemeinderäte ihre rassistische und xenophobe Haltung erst gar nicht für sich zu behalten.
 

Hygiene von Corvara

 
In Corvara gibt es seit den vergangenen Gemeinderatswahlen nur eine Liste im Gemeinderat. Alles 15 Gemeinderäte gehören der „Union Calfosch Pecosta Corvara“ an. Eine Art Bürgerliste, die in Wirklichkeit aber eine SVP-Liste ist, weil der Großteil der Gemeinderäte auch in den SVP-Gremien sitzt.
Drei Tage vor Heilig Abend nimmt Bürgermeister Robert Rottonara in der Grundsatz-Diskussion offen gegen die Aufteilung der Flüchtlinge auf das Landesgebiet Stellung. Rottonara informiert den Gemeinderat sichtlich betroffen, dass man jetzt für die Dörfer Abtei und Wengen nicht mehr von 29 Flüchtlingen spricht, sondern bereits von 38 Menschen, die dort untergebracht werden sollen.
Gemeinderat Jouk Oberbacher ist einer der Redner an diesem Vormittag. Der 36jährige, der auch im SVP-Ortsausschuss sitzt, spricht von einer „heißen Angelegenheit“ um dann offen zu fordern, dass die Gemeinde so lang wie möglich Migranten fern halten soll. Zudem sollte man sich schon jetzt Gedanken machen, was man tut, sollte das Land wirklich Flüchtlinge nach Corvara schicken.
Noch deutlicher wird Andrea Coser. Coser, der bis zu seinem Rücktritt Referent für öffentliche Arbeiten in Corvara war, kritisierte die Gemeinde Wengen für den Willen „Flüchtlinge im Haus anderer unterzubringen“. Dann spricht auch er sich energisch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus. „Wir müssen uns mit Händen und Füßen dagegen wehren“, lautet Cosers Einladung an seine Gemeinderatskollegen. Der Gastwirt und HGV-Obmann von Corvara liefert dann auch gleich die Gründe dafür: „Großteils sind diese Migranten gar nicht Flüchtlinge, sie sind kulturell von uns zu unterschiedlich. Zudem geht es um die Sicherheit, Hygiene und um das Image von Corvara.
Andrea Coser kritisiert auch den vorbereiteten Beschluss, denn er hätte sich eine klarere Position gewünscht, mit der man sich klar „grundsätzlich dagegen“ ausgesprochen hätte.
 
Weil plötzlich ein generelles Nein zur Aufnahme von Flüchtlingen im Raum steht, fühlt sich Bürgermeister Robert Rottonara bemüßigt seine Gemeinderäte zu bremsen. Rottonara erklärt auf der Sitzung, dass die Gemeinde eine institutionelle Pflicht zur Aufnahme habe.
Dann folgt eine Argumentation, die kaum zynischer sein könnte. Rottonara forderte seine Parteikollegen auf, gut nachzudenken, bevor man sich für ein klares Nein ausspricht, unter anderem auch um ein Medienecho auf nationaler Ebene zu vermeiden.
Am Ende gehorchen die Räte ihrem Bürgermeister. Aus Angst vor schlechten Schlagzeilen behalten so die Gemeinderäte von Corvara ihre Fremdenfeindlichkeit (noch) für sich.