Wirtschaft | Sparkasse

„Genugtuung und Wermutstropfen“

Der römische Rechtsanwalt Massimo Cerniglia über die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft, die nahende Verjährung und seinen Appell an die Bankenführung.
Cerniglia, Massimo
Foto: Studio Cerniglia
Salto.bz: Herr Cerniglia der Antrag der Bozner Staatsanwaltschaft zur Einleitung des Hauptverfahrens gegen die ehemalige Führungsspitze der Sparkasse ist nicht nur ein Sieg der Südtiroler Verbraucherzentrale, sondern auch für Sie ein persönlicher Erfolg?
 
Massimo Cerniglia: Ich würde sagen, wir waren einfach aufmerksam. Bereits 2014/2015 haben wir erkannt, dass bei der Kapitalerhöhung 2012 einiges nicht regulär abgelaufen ist. Ich habe dann im Auftrag der Verbraucherzentrale die ganze Sache genauer untersucht. Das Ergebnis war Anfang 2015 eine erste Eingabe an die Staatsanwaltschaft. Später folgten dann auch Anzeigen von einzelnen Sparern und Geschädigten, die von mir vertreten werden...
 
Dieses Zwischenergebnis dürfte Sie glücklich stimmen?
 
Sicher ist eine gewisse Genugtuung da. Obwohl das vielleicht der falsche Ausdruck ist, wenn es um strafrechtliche Fragen geht. Natürlich sind wir froh, dass die Staatsanwaltschaft unsere Vorwürfe in der Anklage übernommen hat. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen Wermutstropfen. Damit meine ich die Termine der Verjährung, wie sie im Antrag zu Einleitung des Hauptverfahrens angegeben werden.
 
Sie zweifeln an diesen Verjährungsfristen?
 
Ja. Vor allem beim Strafbestand des erschwerten Betruges kann man genauso die These vertreten, dass es sich um einen „reato permanente“ handelt. Die einzelnen Investoren sitzen immer noch auf ihren Aktien und damit wird der Schaden auch aktuell den Sparern noch zugefügt. Es gibt diese Richtung in der Rechtssprechung. Dann würde die Verjährung völlig anders aussehen. 
Ich kann nicht verhehlen, dass es mir bitter aufstößt, dass man nach fünf Jahren zur Feststellung so schwerwiegender Strafbestände kommt und es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Prozess kommt.
Sie werden vor der Voruntersuchungsrichterin diese Argumente Anfang Mai vorbringen?
 
Natürlich werden wir das in der Vorverhandlung detailliert ausführen. Wir werden in den nächsten Tagen das Ganze noch genau ausarbeiten. Immer in der Hoffnung, dass die Vorverhandlung am 6. Mai auch stattfindet und diese Notsituation um den Coronavirus dann überwunden ist.
 
Die Staatsanwaltschaft hat in Sachen Irreführung der Aktionäre genau jene Fälle in die Anklage eingebracht, die die Verbraucherzentrale zur Anzeige gebracht hat.
 
Das stimmt. Aber die Bozner Staatsanwälte haben auch einen mutigen und wichtigen Schritt gemacht. Normalerweise werden in dieser Art von Verfahren – zum Beispiel bei den Ermittlungen zur Popolare di Vicenza oder zur Veneto Banca – die Strafbestände Falschangaben im Informationsprospekt oder Irreführung und Behinderung der Aufsichtsbehörden angewandt. Das hat die Bozner Staatsanwaltschaft auch in diesem Fall getan. Sie hat aber zusätzlich einen noch weit schwerwiegenderen Strafbestand zur Anklage gebracht: Erschwerten Betrug. Damit wird die Anklage deutlich verschärft.
 
 
Die Bozner Staatsanwälte haben auch einen mutigen und wichtigen Schritt gemacht.
 
In den Ermittlungen kam auch ein vertraulicher Schriftwechsel zwischen dem damaligen Stiftungspräsidenten Gerhard Brandstätter und Generaldirektor Peter Schedl zum Vorschein, aus dem hervorgeht, dass die Stiftung schon 2012 der Gangart der Bankenführung misstraut hat?
 
Das ist ein extrem wichtiger Punkt. Denn laut Staatsanwaltschaft hätte die Bank diese Situation im Informationsprospekt für die Kapitalerhöhung transparent darstellen müssen. Sie hätte angeben müssen, dass die Stiftung als Besitzer der Sparkasse nur jene Aktien übernimmt, die nicht an andere verkauft werden. Für die Anklage ist das eine der Angaben, die den Käufern und der Banken- und Börsenaufsicht bewusst unterschlagen wurden. Es ist nur eine von insgesamt 14 Informationen, die man den Käufern vorenthalten hat. 

Es gibt aber auch Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft: Die Ermittlungen haben so lange gedauert, dass es vor dem Prozess zur Verjährung kommt?
 
Als Anwalt versuche ich mich immer mit Kritik an der Gerichtsbarkeit zurückzuhalten. Denn auch die Staatsanwaltschaft muss oft unter Bedingungen arbeiten, die von Außenstehenden nur schwer zu beurteilen sind. Sehr oft sind es verwaltungsmäßige Probleme, die die Ermittlungen in die Länge ziehen. Gleichzeitig kann ich aber nicht verhehlen, dass es mir bitter aufstößt, dass man nach fünf Jahren zur Feststellung so schwerwiegender Strafbestände kommt und es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Prozess kommt.
Zivilrechtlich haben die Aktionäre noch zwei Jahre Zeit eine mögliche Klage einzubringen.
 
Die Angeklagten sagen, dass man sie aus einem weit größeren Kreis der Verantwortlichen willkürlich herausgepickt hat?
 
Dass man gerade diese vier Angeklagten aus der gesamten Sparkassenführung zur Anklage bringt, ist eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die sie sicherlich anhand ihrer Erkenntnis aus den Ermittlungen getroffen hat.
 
Strafrechtlich dürfte die Verjährung eintreten. Doch zivilrechtlich wäre die Einleitung der Hauptverhandlung für Sie und die Verbraucherschützer Gold wert?
 
Auch wenn es zu keiner strafrechtlichen Verurteilung kommt, bleibt der Weg der Zivilklagen völlig offen. Auch weil es dort andere Verjährungsmechanismen und Fristen gibt. Neben wir den Strafbestand „falso in prospetto“. Die Straftat verjährt zwei Jahre nachdem der Geschädigte davon Kenntnis bekommt. Die Aktionäre erhalten aber er jetzt durch den Antrag der Staatsanwaltschaft Kenntnis von dieser Straftat. Deshalb verjährt das Ganze erst im März 2022. Aber auch für alle anderen Strafbestände gibt es im Zivilrecht eine zehnjährige Verjährungsfrist. Die Kapitalerhöhung war im Herbst 2012. Demnach haben die Aktionäre noch zwei Jahre Zeit eine mögliche Klage einzubringen.
 
 
Ich möchte hier einen Appell an die Führung der Sparkasse richten, sich mit der Verbraucherzentrale und den Geschädigten an einen gemeinsamen Tisch zu setzen.
 
Sie und die Verbraucherzentrale werden das Zivilgericht anrufen?
 
Das werden wir. Ich möchte hier aber einen Appell an die Sparkasse und die Verantwortlichen dort richten. Wir haben schon einmal einen ähnlichen Fall für 150 Geschädigte des Dolomit-Fonds vor Gericht gebracht und auch gewonnen. Damals hat die Verbraucherzentrale für die Anleger und die Sparkasse eine außergerichtliche Einigung gefunden. Eine Einigung, die den Anlegern sehr viel gebracht hat. Die aber auch für die Bank durchaus vorteilhaft war. Deshalb appelliere ich auch in diesem Fall an die Führung der Sparkasse, sich mit der Verbraucherzentrale und den Geschädigten an einen gemeinsamen Tisch zu setzen, um eine paritätische Schiedskommission einzusetzen. Diese Kommission soll dann die Fälle einzeln prüfen und den Schadenersatz ermitteln.
 
Warum sollte sich die Sparkasse darauf einlassen?
 
Weil die Bank sonst in eine groteske und weit gefährlichere Situation kommen könnte. In das aktuelle Verfahren haben sich 53 Sparer eingelassen. Aber vergessen sie nicht, dass 2012 über 11.000 Anleger diese Aktien gezeichnet haben. Theoretisch könnten sie alle auf Schadenersatz klagen. Das wäre dann eine Art SuperGau, der weit mehr kosten dürfte. Deshalb auch mein Appell jetzt an die Sparkassenführung.