Wirtschaft | Interview

„Nicht nur sparen!“

Kritik gegen die Südtiroler Sanität gibt es reichlich. Dabei sieht Alfred Ebner, Generalsekretär der CGIL Südtirol, auch das Gute. Wichtig ist ihm, dass nicht nur gespart wird.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Alfred Ebner
Foto: Alfred Ebner

Alfred Ebner, Generalsekretär der CGIL Südtirol, teilt nicht den allgegenwärtigen Pessimismus, der seiner Meinung nach auffallend medienwirksam gegen das öffentliche Gesundheitssystem vorgetragen wird. Er vermutet dahinter private Interessen. Reformen sind auch seines Erachtens dringend notwendig – aber nicht nur, um zu sparen.

 

Der Sanitätsbetrieb in Südtirol ist in vielerlei Hinsicht ein Sorgenkind. Auch aus Sicht der Gewerkschaft?

Es gibt sicherlich einige Probleme. Um gleich ein paar anzusprechen: Da sind zum einen die langen Wartelisten bei fachärztlichen Leistungen. Zum anderen gibt es noch ein paar spezifischere Probleme, die das Landeskrankenhaus Bozen betreffen, etwa die Überlastung der Ersten Hilfe.

 

Laufen nicht beide Probleme auf Personalmangel hinaus?

Bei der Ersten Hilfe geht es nicht nur um Personalmangel, da ist die Situation etwas komplizierter.

 

Generell wird gesagt: Die Leute gehen zu oft in die Erste Hilfe, auch bei Dingen, wegen derer man eher zum Hausarzt gehen müsste.

Man müsste allgemein vom Krankenhaus weg und mehr aufs Territorium gehen. Das Krankenhaus sollte da sein für akute Fälle. Das heißt, dass man auch strukturell etwas in diese Richtung verändern müsste. Die Rolle der Hausärzte ist dabei auf jeden Fall sehr wichtig. Hier spielt allerdings die Defensive Medizin eine bestimmte Rolle.  Das heißt: Die Ärzte werden immer öfter verklagt – wegen Kunstfehler und so weiter – und der Arzt auch auf Druck der Patienten versucht bestimmte Situationen zu vermeiden. Bei den Hausärzten bedeutet das, dass sie ihre Patienten manchmal  an Fachärzte oder ins Krankenhaus weiterschicken, wo es gar nicht nötig wäre. Das müsste man angehen, indem man die Gesetze ändert.

 

Etwa, indem die Zuständigkeiten gesetzlich klarer festgelegt sind?

Dass man den Patienten schützen muss, daran besteht kein Zweifel. Aber heutzutage kann man jemanden wirklich wegen allem Möglichem verklagen. Und das sollte man eingrenzen.

 

Sie haben vorhin den Mangel an Fachärzten angesprochen. Was kann man dagegen tun?

Es ist schwierig, Ärzte mit einer bestimmten Ausbildung zu finden. Das ist kein Zufall, wenn man bedenkt, wie strikt die Zugangsbedingungen an den Universitäten sind. Das ist ein Thema, das ganz Europa betrifft.

 

Man hört aber oft, dass der Ärztemangel ein Südtirol-spezifisches Problem sei, weil zu wenig getan wird, um Ärzten ein attraktives Arbeitsumfeld zu garantieren. Das veranlasste eine Menge Medizinstudenten zu einem Protestbrief.

Südtirol kann man auch nur bis zu einem gewissen Punkt attraktiver machen. Der Sanitätsbetrieb hier ist ja nicht schlecht, aber eine Uniklinik hat doch meist einen gewissen Ruf, und die haben wir hier nicht. Außerdem ist es schwierig, den Ärzten im Land jeweilige Fachausbildungen zu bieten.

 

Was weiterhin beklagt wird, ist das autoritäre System. Primar Christian Wiedermann, der kürzlich gekündigt hat, sprach von einem „autoritären Top-Down-Betrieb“. Bekommen Sie in dieser Hinsicht auch Beschwerden zu hören?

Südtirol ist ein kleines Land und die Politik ist in allen Bereichen relativ stark vertreten. Dass die Politik also auch im Sanitätsbetrieb, wo viel öffentliches Geld hineinfließt, eine Rolle spielen will, ist ganz klar. Ich bin aber der Meinung, man sollte klarer trennen zwischen politischen Entscheidungsträgern und denen, die einen Auftrag umsetzen. Wenn von außen irgendwelche Anregungen kommen, lassen sich die Ärzte halt auch ungern dreinreden. In der Kritik steht vor allem Generaldirektor Schael. Der hat meines Wissens keine medizinische Ausbildung. Und die Ärzte lassen sich ungern von jemandem etwas sagen, der selbst nicht vom Fach ist. Schael hat eine bestimmte Rolle. Man hat ihn eingesetzt, um mal das ganze System  zu reformieren. Und dagegen gibt es immer wieder Widerstände, vor allem im Krankenhaus Bozen.

 

Was halten Sie von dem eingeschlagenen Reformkurs?

Reformen, die braucht es auf jeden Fall. Es dürfen aber nicht Reformen sein, bei denen es nur darum geht, zu sparen. Heutzutage ist die Medizin einfach bei einem Niveau angelangt, das gewisse Kosten hat, man kann nicht nur mit einem Aspirin arbeiten. Das ist das eine. Das andere ist: Die Bevölkerung wird immer älter, das heißt, auch die chronischen Krankheiten werden häufiger. Diese Krankheiten machen für die Sanität fast zwei Drittel der Gesamtkosten aus. Kurzfristig kann man sie nur kurieren, langfristig muss man aber noch mehr auf Prävention setzen. Jeder weiß, dass Rauchen ungesund ist, und doch wird geraucht.

 

Einige Kritikpunkte haben wir gehört. Gibt es auch Positives, was man hervorheben kann, aus Sicht der Gewerkschaft?

Uns geht es vor allem darum, dieses universelle Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten. In Italien hat noch jeder einen Zugang zu den Gesundheitsleistungen, auch wenn man je nach Alter und Einkommen ein Ticket in unterschiedlicher Höhe zahlen muss. Dieses System hat sich bisher trotz aller Mängel bewährt. Dabei steht Südtirol im nationalen Vergleich sehr gut da, so schlimm kann also nicht alles sein. Aber es gibt eben ein paar Kritikpunkte, am dringendsten, wie gesagt, sind die Wartezeiten bei den Fachärzten und die Überlastung der Ersten Hilfe. Das ganze System kostet natürlich, und nun will man die Kosten in den Griff bekommen.  Sparen kann aber nicht die primäre Zielsetzung sein, wenn es um die Gesundheit geht. Man muss versuchen, das Niveau zu halten, ohne dass die Kosten ausufern. An der ganzen Kritik am öffentlichen Gesundheitssystem, die ja sehr medienwirksam vorgetragen wird, wundert mich aber vor allem eins.

 

Was ist das?

Wer davon profitiert, sind ganz klar die privaten Kliniken, die sich immer mehr etablieren. Ich möchte aber nicht, dass man die öffentliche Gesundheit ganz bewusst schlecht redet, um diese Entwicklung zu unterstützen. Da geht es dann wirklich hauptsächlich um das Geld. Und das merkt man an gewissen Skandalen, die es in Italien schon gegeben hatte, als herauskam, dass man in manchen Kliniken dem Patienten immer die teuerste Therapie oder den teuersten Eingriff zuerst vorgeschlagen hat.