Gesellschaft | Weltladen Meran

Die Unermüdliche

Was Linsensuppe, Schokoladecreme und Bananen mit Flucht zu tun haben.
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Foto: Maria Lobis

Genauigkeit hat sie im Elektrobetrieb ihres Mannes gelernt. Viele Jahre lang verantwortete Vanda Dallabona dessen Verwaltung, verhandelte mit Lieferanten, kontrollierte Rechnungen, ordnete Papiere. Gleichzeitig kümmerte sie sich um ihren pflegebedürftigen Vater. Freie Zeit blieb kaum. 2005 stand ihrer Pensionierung an. Sie schloss sich damals der Meraner Einkaufsgruppe GASlein (Gruppo d'acquisto solidale) an, die ihre Schwester gegründet hatte: Der gemeinsame Einkauf bei Kleinbauern in Südtirol und darüber hinaus, die Qualität der Produkte und der direkte Kontakt zu den Produzenten überzeugten sie. Fairer Handel war ihr damals kaum bekannt. Sie wusste nicht, dass es in Meran einen Weltladen gab. Ob sie sich diesem als Freiwillige anschließen möchte, wurde sie kurz danach gefragt. Ein Abenteuer begann, das Vanda Dallabona bis heute nicht missen möchte. Sie denke und arbeite mit, als wäre der Weltladen ihr Betrieb, sagt die 72-Jährige. Sie las sich in Themen der Globalisierung ein, der unterschiedlichen Ausbeutungsmethoden von internationalen Konzernen, sie informierte sich über Landraub, Kinderarbeit, Monokulturen und Pestizideinsatz.

Jeden Mittwochnachmittag packt sie seit nunmehr zwölf Jahren neue Produkte aus, bepreist sie, gibt Auskunft über Anbau- und Lebensbedingungen der Produzenten, kassiert und kontrolliert Verfallsdaten. In der Weihnachts- oder Osterzeit, vor dem Valentins- und Muttertag oder ihm Krankheitsfall ihrer Kolleginnen kommt Vanda Dallabona auch öfters pro Woche. In Stoßzeiten sind die neun Freiwilligen – sieben Frauen und zwei Männer – eine Verkäuferin und eine in Teilzeit arbeitende hauptamtliche Koordinatorin manchmal zu dritt im Geschäft, um allen Nachfragen gerecht zu werden. Kosmetikprodukte und Körbe gehen gut, Bananen, Kaffee und Schokolade sind ein Dauerbrenner. Allerdings befindet sich der Weltladen am Vinschger Tor abseits der Meraner Lauben oder der vielbegangenen Straßen: Wie der faire Handel im Weltmarkt besetzt er in der Passerstadt nur eine Nische. „Das Geschäft gehört ins Zentrum und faire Produkte in alle Supermärkte“, plädiert Vanda Dallabona.

Viele Kundinnen und Kunden kommen seit Jahren, manche verlangen die stets gleichen Produkte. So war eine Linsensuppe eine Zeitlang der Renner. Als diese nicht mehr produziert wurde, war die Enttäuschung groß. Mut zu Neuem wünscht die engagierte Frau den Menschen, dazu die Akzeptanz von Vielfalt. Manche Kunden kritisieren die vergleichsweise höheren Preise. Nicht nur wir Letztverbraucher dürften profitieren, sagt die Meranerin dann. Produzenten müssten vom Angebauten in Würde leben können. Manche Kunden verzichten bei anderen Konsumartikeln, um fair einkaufen zu können. Das beeindruckt sie. Andere hingegen, die sich um ihr Einkommen keine Sorgen machen müssten, stellten sich diese Gewissensfrage nicht. Manchmal wundert sich Vanda Dallabona: Dass Erderwärmung oder Flucht mit dem eigenen Konsumverhalten zusammenhängen, sei längst nicht allen bewusst.

Fast alle Produkte im Weltladen sind inzwischen biologisch angebaut, neu ins Sortiment aufgenommen werden nur mehr solche. Die kleinen Verpackungen kommen kleinen Haushalten entgegen. „Wir Freiwillige sind selbst gute Kundinnen“, sagt sie und lächelt.

Jede Woche freut sich die Meranerin auf ihre Stunden im Weltladen, obwohl sie sich bei der Februarkälte manchmal aufraffen musste, ihre warme Wohnung zu verlassen. Der Austausch mit den Menschen, das Lachen der Kolleginnen würden ihr fehlen. Manche Kunden sagen ihr, der Einkauf im Weltladen sei beruhigend. Solange Vanda Dallabona es gesundheitlich schafft, will sie mitarbeiten. Wenn sie auf Märkte oder zu Festen geht und im Auftrag des Weltladens faire Produkte verkauft, kümmert sich ihr Mann um das Verlegen des Stroms und um elektrische Installationen. Dann ist er der Fachmann und genauso unermüdlich im Einsatz wie sie.

Maria Lobis