Wirtschaft | Seiser Alm

Die Ständer der Bürgermeister

Die Seiseralm Umlaufbahn klagt gegen die Gemeinde Kastelruth. Altbürgermeister Hartmann Reichhalter steht als Anwalt vor Gericht seinem Nachfolger Andreas Colli gegenüber
Seis-Seiser Alm Bahn
Foto: Seis-Seiser Alm Bahn AG
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Hartmann Reichhalter war von 2005 bis 2010 Bürgermeister von Kastelruth. Seit 2010 steht der Gemeinde am Hochplateau unterm Schlern der ehemalige Oppositionelle Andreas Colli vor. Auch Colli ist vor seiner Wahl zur SVP übergetreten.
Doch Reichhalter und Colli treffen sich seitdem nicht nur bei Sitzungen ihrer Partei, sondern sie stehen sich auch vor Gericht gegenüber. Der eine als Kläger und der andere als Beklagter. 2020 hat Hartmann Reichhalter als Anwalt vor dem Verwaltungsgericht Bozen einen Rekurs gegen die Gemeinde Kastelruth und deren gesetzlichen Vertreter Andreas Colli eingebracht.
Damit geht im Verfahren der Altbürgermeister gegen seinen Nachfolger und amtierenden Bürgermeister vor. Eine durchaus interessante Konstellation.
 
 
 
Um es gleich vorwegzunehmen: In erster Instanz haben der Altbürgermeister und seine Mandanten dabei gegen den amtierenden Bürgermeister und die Gemeinde den Kürzeren gezogen.
 

Der Akustikplan

 
Im Gerichtsstreit geht es um den neuen Gemeindeakustikplan (GAK) der Gemeinde und dessen Auswirkungen auf die Umlaufbahn Seis-Seiser Alm. Am 28. Mai 2020 hat der Gemeinderat von Kastelruth eine neuen Akustikplan auf dem Gemeindegebiet erlassen.
Das Planungsinstrument GAK wurde per Landesgesetz 2012 eingeführt. Es soll ein Steuerungselement sein, das den Gemeinden ermöglich, unnötige Lärmbelästigung zu vermeiden. Dazu wird das Gemeindegebiet in Abstimmung zum Flächennutzungs- und zum Bauleitplan in akustische Zonen eingeteilt, in denem je nach Bestimmung gewisse akustische Grenzwerte gelten.
Die Umlaufbahn Seis-Seiseralm wurde 2003 mit insgesamt 11 Stützpfeilern errichtet. Dabei führt die Bahn von Stützpfeiler 2 bis 8 über das Gebiet das vom GAK erfasst wird. 2012 wurden alle diese Stützpfeiler akustisch in die II. Klasse eingestuft. Dort gelten ein Tagesgrenzwert von 55 dB und ein Nachtgrenzwert von 45 dB. Zwischen 2017 und 2020 wurden aber ausgerechnet Stützpfeiler 3 und 4 kurzzeitig in die III. Klasse gehoben. Dort gelten 60 dB am Tag als Grenzwert und 55 dB in der Nacht.
 
 
 
Im Gerichtstreit geht es genau um diese beiden Ständer. Denn mit dem neuen GAK vom Sommer 2020 wurden Stützpfeiler 3 und 4 wieder akustisch in die II. Klasse eingestuft. Konkret heißt das: Die Seilbahn darf dort viel weniger Lärm machen.
Die Liftgesellschaft will sich diese Einstufung aber nicht gefallen lassen. Am 11. September 2020 reicht das Unternehmen beim Verwaltungsgericht Rekurs gegen den GAK und die Klassifizierung der beiden Stützpfeiler ein. In der Klage von Hartmann Reichhalter werden eine Reihe von vermeintlichen Formfehlern der Gemeinde genauso angeführt, wie der offenen Vorwurf der Parteilichkeit der Gemeindeverwalter.
So argumentiert der Ex-Bürgermeister im Schriftsatz, habe die Gemeinde „mit der Rückstufung von der III. Klasse in die II. Klasse die Absicht verfolge die Seilbahnbeförderung „rechtswidrig werden zu lassen und anschließend zu sanktionieren und vielleicht sogar ganz zu verbieten“. Damit verstoße die Gemeinde auch gegen das Grundrecht der freien Wirtschaftsausübung (Art. 41 Verf.) und gegen die verfassungsmäßigen Grundsätze der guten Verwaltungsführung und der Unparteilichkeit.
Das Hauptargument der Kläger: In den Zonen dieser Ständer sei die Flächennutzung eindeutig Seilbahnbetrieb.
 

Das Urteil

 
Das Verwaltungsgericht ist dieser und den weiteren Begründungen aber nicht gefolgt. Der Richtersenat (Berichterstatterin und Urteilsverfasserin Edith Engl) hat im vor kurzem hinterlegten Urteil den Rekurs der Seiser Alm Umlaufbahn abgeschmettert und der Gemeinde in allen Punkten recht gegeben.
Im Urteil heißt es:
 
Das Kollegium erachtet daher, dass der angefochtene G.A.K., der die Lärmbelästigung der Seilbahn an die der umliegenden Zone anpasst und nicht umgekehrt, völlig legitim ist.…[…].. Der G.A.K. kann durchaus eine Zone, in der eine Lärmquelle hervorsticht, einer niedereren Klasse zuordnen und die dort befindlichen Anlagen zu lärmverringernde Vorkehrungen zwingen, um die Lebensqualität zu erhöhen und die menschliche Gesundheit zu schützen“.
 
 
Wie akribisch sich die Richterinnen und Richter mit dem Fall auseinandergesetzt haben, zeigt ein anderer Passus im Urteil.
 
„Nimmt man beispielsweise die Zone um den Stützpfeiler 3 her, so befindet sich diese in einem Landwirtschaftsgebiet mit Wohnsiedlungen. In der näheren Umgebung befinden sich die Villa Ausserer (Feriendomizil des Militärs), einige Wohngebäude und eine Pension. Die Gemeinde ist bei der Einstufung in die II. Klasse somit sehr wohl von der überwiegenden und tatsächlichen Nutzung der Zone ausgegangen, weil sie richtigerweise berücksichtig hat, dass die Zone nicht nur als Stütze für die Seilbahnanlage genutzt wird, sondern vorwiegend und tatsächlich auch als Wohngebiet, als Beherbergungszone und als Landwirtschaftsgebiet. Auch wenn der Stützpfeiler die größte Lärmerzeugungsquelle in der Zone darstellt, kommt das nicht einer überwiegenden Nutzung der Zone gleich, dessen vorwiegende Nutzung weiterhin die eines Landwirtschaftsgebiet mit Wohnsiedlungen bleibt.“
 
Das Verwaltungsgericht hat die Seis Alm Umlaufbahn auch zum Kostenersatz zu Gunsten der Gemeinde Kastelruth in der Höhe von 3000 Euro verurteilt.
Vieles spricht aber jetzt schon dafür, dass der Kampf der Bürgermeister um die Ständer beim römischen Staatsrat weitergehen wird.