Wirtschaft | Interview

„Netzwerke bilden“

Mit Energiegemeinschaften können Bürger:innen die Stromversorgung selbst in die Hand nehmen. Coopbund will Gemeinden und Stakeholder in diesem Prozess begleiten.
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Foto: Coopbund
In Neumarkt fiel der Startschuss für das vom Genossenschaftsverband Coopbund Alto Adige Südtirol initiierte Projekt „Meet Coopbund: Cittadinanza attiva e territorio - Aktive Bürger:innen in Südtirol”. Damit will Coopbund die Gründung von Energiegemeinschaften vorantreiben – ein Thema das angesichts der Klimakrise immer häufiger diskutiert wird. Coopbund-Präsidentin Monica Devilli erklärt im Interview die Hintergründe zum Projekt.
 
Es gibt in Italien bereits über 27 Energiegemeinschaften, hier ist Italien im europäischen Vergleich Vorreiter.
 
Salto.bz: Frau Devilli, wie ist der erste Informationsabend zu Energiegemeinschaften gelaufen?
 
Monica Devilli: Die Premiere unseres Projekts ‚Meet Coopbund‘ war ein großer Erfolg. Über 50 Interessierte hörten den Impulsvorträgen von Dario Sacchetti, Projektmanager der Genossenschaft ‚Ötzi - Mein Strom‘, und Heini Grandi, Vorstandsmitglied von Coopbund Alto Adige Südtirol, zu. Auch politische Vertreter wie die Bürgermeisterin von Neumarkt Karin Jost waren dabei. Die Bürgerbeteiligung und das Interesse waren groß. Das zeigte sich auch daran, dass am Ende der Veranstaltung die Bürger:innen eine Reihe an Fragen zu den Energiegemeinschaften und Bürgergenossenschaften stellten.
 
 
Vor welchen Herausforderungen steht Südtirol bei der nachhaltigen Entwicklung von Gemeinschaften?
 
Wir müssen eine kritische Zeit mit vielen Herausforderungen erleben, etwa der Krieg in der Ukraine, die wirtschaftlichen Engpässe, die Pandemie und die Klimakrise. Hier müssen wir uns fragen, wie der Bürger oder die Bürgerin auf all diese Entwicklungen und Veränderungen der Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt reagieren soll und wie er/sie eine Rolle in der Gestaltung der eigenen Zukunft übernehmen kann. Eine Möglichkeit sich in einer Gemeinde zusammenzuschließen, ist die Gründung einer Bürgergenossenschaft. Dieses Modell gibt es auf nationaler Ebene schon seit längerer Zeit, die regionale Gesetzgebung ist hier aber Ende Januar dieses Jahres nachgezogen. Ein Pilotprojekt starteten wir in Südtirol mit einer Bürgergenossenschaft bereits vor zehn Jahren. In Brixen gibt es mit b*coop die erste Bürgergenossenschaft in Südtirol, die auch beim Informationsabend in Neumarkt vorgestellt wurde.
 
Das Motto dahinter ist, ohne Gewinnabsichten zusammenzuarbeiten und Netzwerke zu bilden.
 
Welches Ziel verfolgen Bürgergenossenschaften?
 
Bei Bürgergenossenschaften (ital. cooperative di comunitá) gibt die öffentliche Hand die Erfüllung verschiedener Bedürfnisse, etwa Kindertagesstätten oder Dienstleistungen im Umweltbereich, an private Stakeholder weiter. Die Stakeholder können dabei aus unterschiedlichsten Bereichen sein, zum Beispiel aus dem Vereinswesen oder auch von öffentlichen Einrichtungen, hier sollten aber keine Grenzen gesetzt werden. Allerdings ist es wichtig, dass die Genossenschaftsmitglieder im Territorium der Gemeinde leben und mit ihr eng verbunden sind. Denn es braucht hier die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin. Das Motto dahinter ist, ohne Gewinnabsichten zusammenzuarbeiten und Netzwerke zu bilden.
 
 
Wann macht es Sinn eine Energiegemeinschaft zu gründen?
 
Es ist viel schwieriger eine Energiegemeinschaft zu gründen, wenn die Bürger:innen noch keine Synergien innerhalb der Gemeinde gebildet haben. Deswegen sind Bürgergenossenschaften für die Gründung einer Energiegemeinschaft die ideale Basis. Auf diese enge Verbindung haben auch Dario Sacchetti und Heini Grandi in ihren Vorträgen hingewiesen. Die nationalen Durchführungsbestimmungen für Energiegemeinschaften sollten im Juni in Kraft treten. Es gibt in Italien bereits über 27 Energiegemeinschaften, hier ist Italien im europäischen Vergleich Vorreiter. Mit den gesetzlichen Bestimmungen gibt es dann aber endgültig Planungssicherheit für interessierte Stakeholder.
 
In Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stakeholdern wollen wir hier Vorarbeit leisten für die Belange, die unsere Gesellschaft in Zukunft braucht.
 
Auf welche Dinge sollte man bei einer Genossenschaftsgründung achten?
 
Bei einer Genossenschaft handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, also um ein Unternehmen. Deshalb muss die Genossenschaft auch wirtschaftlich arbeiten, um nicht in die roten Zahlen zu kommen.
 
Wie unterstützt Coopbund die Gründung von Bürgergenossenschaften?
 
Wir treffen uns mit interessierten Personen und erklären ihnen die Grundsätze und Werte von Bürgergenossenschaften. Dann aber liegt es an den Bürger:innen, die aktiv werden müssen. Da jedes Territorium anders aufgebaut ist und andere Bedürfnisse hat, ist es schwierig ein Standardmodell vorzustellen. Als Verband mit den meisten Sozialgenossenschaften in Südtirol verfügen wir aber über langjährige Erfahrung, daraus schöpfen wir bei der Begleitung von Gemeinden und Stakeholdern.
 
Ist die Unterstützung von Coopbund kostenlos?
 
Der Begleitprozess ist kostenlos, weil es für uns wichtig ist, aktive Bürgerschaft in Südtirol zu ermöglichen und voranzutreiben. Das ist eine der Zielsetzungen, die der Vorstand unseres Verbandes im Oktober 2021 vorgegeben hat. In Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stakeholdern wollen wir hier Vorarbeit leisten für die Belange, die unsere Gesellschaft in Zukunft braucht.

 

 

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Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Fr., 13.05.2022 - 19:10

Zitat:
“Der Informationsabend in Neumarkt: von links Bürgermeisterin von Egna Karin Jost...”

Fr., 13.05.2022 - 19:10 Permalink