Wirtschaft | Almwirtschaft

Südtirols einzige Bio-Alm

Auf 2000 Metern Meereshöhe liegt die Kortscher Alm im Schlandrauntal; seit Juni ist der neue Pächter Stefan Recla dort zugange, Bioland-geprüft.
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35 Milchkühe, 50 Ziegen, 20 Ferkel, ein stolzer Hahn mit Hühnervolk, die Hündin Nelly mit verschiedenfarbigen Augen: das ist so in etwa das Tieraufkommen auf der Kortscher Alm, die seit einigen Monaten Südtirols einzige Bioland-Alm ist. Auf gut 2000 Höhenmetern liegt die Almhütte mit großzügigem Stall, einem Schweineauslauf mit Suhle und einem Holzschober im unbewohnten Schlandrauntal, einem Seitenhochtal des Vinschgaus. Von hier aus schaut man auf die 3366 Meter hohe Ramudlaspitze, einen Berg der Ötztaler Alpen.

Es weht ein kühles Lüftchen um die wenigen grob gezimmerten Holztische und -bänke, die der Almwirt und Senner Stefan Recla für die Besucher hergerichtet hat.  Er selbst trägt – ganz unkonventionell – kurze Jeanshosen mit Flip Flops und eine blaugraue Fleecejacke; beim Besuch sollten wir ihn dann noch in weißen Hygieneschlapfen (beim Käsen) und den klassischen grünen Halbstiefeln beim Aufstieg zur Herde erleben. Seit wenigen Monaten ist Stefan Recla neuer Pächter der Kortscher Alm, gemeinsam mit seiner Familie, die ihm schon seit etlichen Jahren auf verschiedene Almen folgt. „Seit 12 Jahren bin ich im Sommer auf den Bergen, immer mit Milchkühen und Ziegen, bisher aber eher im Pustertaler Raum und im Belluneser Comelico.“ Dort seien die Almen kleinstrukturierter und großteils in Privatbesitz, erklärt Recla.

Senner, Lehrer für Milchverarbeitung und Sozialpädagoge

Im Vinschgau ist das anders. Hier gibt es etliche Gemeinschaftsalmen, die mehreren Bauern zusammen oder einer Gemeinde gehören. Die Kortscher Alm wird von Kortsch verwaltet, einer Fraktion von Schlanders. „Von der Ausschreibung hab‘ ich gehört und mich auch sofort gemeldet, einerseits weil mir die Alm gefällt, weil es einen anständigen Stall gibt und weil es hier mit der Käserei recht gut gehen könnte.“ Als Lehrer für Milchverarbeitung an der Landwirtschaftsschule kann er so umsetzen, was er seinen Schülern beibringt. Denn das Sennen betreibt Stefan von Juni bis Oktober, im übrigen Jahr arbeitet der 40-Jährige ganz bürgerlich als Sozialpädagoge und eben Lehrer. „Das Käsen und Almen ist für mich Ausgleich, Eintauchen in die Natur und Erholung trotz der schweren Arbeit, aber schlussendlich auch ein wichtiger Zuverdienst.“

Von Mitte Juni an ist Familie Recla nun auf der Alm, die Kinder genießen hier die gesündeste Luft der Welt und Freiheit pur. Aber sie helfen auch mit: Wenn Vater Stefan die Tiere holen geht, die taleinwärts stehen, beim Einführen in den Stall, beim Melken in der Früh und am Abend, das gut und gerne jeweils zwei Stunden in Anspruch nimmt. Die drei Dutzend Kühe, 50 Ziegen und zwei Dutzend Ferkel stammen aus Bioland-Betrieben der Umgebung, doch einige kommen auch aus dem entfernteren Eisacktal und dem Pustertal. „Ich könnte doppelt so viele Bioland-Tiere hier herauf holen, doch schaffen wir das von der Arbeit her nicht.“ Er und Hüterbub Jonas sorgen zur Zeit dafür, dass die Arbeit reibungslos läuft.

  • Zertifizierung einer Bioland Alm: Auf einer Bioland Alm gilt es zunächst wie bei jedem Betrieb, die Flächen und die Tierhaltung umzustellen. Die Tierhaltung auf einer Alm ist in der Regel eine Vollweidehaltung. Gerade bei Almen mit Melkvieh gibt es jedoch immer auch eine Stallhaltungskomponente. Da auf Bio Almen in der Regel auch konventionelle Pensionstiere gehalten werden, ist es gerade im Bereich kleiner Wiederkäuer wichtig zu prüfen, ob und wenn ja , welche Medikamentenbehandlungen vor dem Almauftrieb gemacht wurden und diese gegebenenfalls anzupassen. Daneben ist sicher zu stellen, dass es keine Vermischung von biologischer und nichtbiologischer Ware gibt.  Auf der Kortscher Alm wird das dadurch gewährleistet, dass keine laktierenden konventionellen Pensionstiere (hauptsächlich Kälber) auf die Alm genommen werden. Außerdem werden nur Ziegen und Schafe von Fleischrassen als konventionelle Pensionstiere auf die Alm genommen. In der Käserei gilt es die Bioland Richtlinien für Milch und Käseprodukte einzuhalten.

Die Kortscher wollten die Alm nicht verfallen lassen

Täglich fallen an die 420 Liter Kuhmilch und knapp 60 Liter Ziegenmilch an, die von den beiden in der einfachen kleinen Almkäserei zu Butter und Käse verarbeitet werden: Frischen und gereiften Ziegen- und Kuhmilchkäse, nach Bioland-Kriterien zertifiziert. Die Nebenprodukte des Käsens, die Molke, wird an die Schweine verfüttert. So schließt sich ein Kreis. „Dass die Kortscher Alm zertifiziert wurde, liegt hauptsächlich wohl daran, dass es nicht genügend konventionelle Tiere für die Haltung hier heroben gab.“ Die Kortscher sind mehrheitlich Obstbauern, wollten ihre Alm jedoch nicht verfallen lassen. Nun zahlt ihnen Stefan einen geringen Pachtzins, trägt jedoch das  unternehmerische Risiko alleine.  Den Bauern zahlt Stefan Recla die Milch oder sie erhalten die Hälfte des Produkts.

Die 1733 Almwirtschaften in Südtirol umfassen eine Fläche von knapp 250.000 Hektar, davon gehen 1570 ha an die Kortscher Alm. Als Bioland-Alm gibt es keine besondere Flächenförderung, gleich wie an alle anderen Almen wird eine Alpungsprämie ausbezahlt, egal ob nun Milchkühe, Jungtiere oder Trockensteher die Hochweiden abgrasen. An die 40 Milchkuhalmen gibt es in Südtirol noch, mehr nicht, die Arbeit sei zu anspruchsvoll und die meisten Bauern wollen ihre Hochleistungskühe lieber im sicheren Talstall stehen haben. „Dabei gibt es kaum eine artgerechtere Tierhaltung als jene am Berg,“ meint Stefan der Senner. „Die Bioland-Kühe sind robust und geeignet für diese Hochflächen, man sieht ihnen an, dass sie es gut haben.“ Das Sennen ist für ihn Hauptgrund Nummer eins für das Almleben: „Wir betreiben zwar auch einen Ausschank, doch zuviel soll es nicht werden, wir wollen uns nicht überfordern,“ meint Stefan. Bald werden seine Frau und die Kinder wieder ins Tal ziehen, er bleibt heroben in luftiger Einsamkeit. Anstrengend zwar, aber hochgradig süchtig machend.

Fotos: Anna Winkler