Wirtschaft | Wirtschaftskrise

EU: Maßnahmen zur Krisenbewältigung

Laut neuester Prognose der EU wird die Wirtschaft 2020 um 8,3% schrumpfen. Welche Maßnahmen setzt die EU, um die schwere Wirtschaftskrise zu bewältigen?
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Foto: Pixabay

Verglichen mit der Frühjahrsprognose, hat die EU das Wachstum des BIP für das Jahr 2020 nach unten revidiert und prognostiziert für die EU ein Minus von 8,3%, im Frühjahr lag die Schätzung bei -7,4%. Die Prognose beruht auf der Annahme, dass die Restriktionen weiter gelockert werden und dass es zu keiner zweiten Infektionswelle kommt. Die Zahlen zeigen das verheerende Ausmaß der Corona-Pandemie, das zur größten Wirtschaftskrise in der Geschichte der EU geführt hat.

Die Covid19-Krise hat alle Länder schwer getroffen, jene Länder, deren Wirtschaft schon vor der Krise schwächelte, spüren die Rezession noch stärker. Italiens Wirtschaft wird voraussichtlich im heurigen Jahr um mehr als 11% schrumpfen und ist innerhalb der EU das Schlusslicht. Für Spanien und Frankreich wird ein Minus von über 10% vorausgesagt. 2021 wird die Wirtschaft in den EU-Ländern wieder wachsen, vorausgesetzt es kommt zu keiner zweiten Welle der Covid19 Epidemie.

Für die von der Corona-Krise besonders stark betroffenen Länder, wie Spanien, Italien, Belgien, und Frankreich und für die schon vor der Krise hochverschuldeten Länder sind die Folgen der Rezession eine besonders große Herausforderung. Die folgende Grafik zeigt den Verschuldungsgrad der EU-Länder im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Als Folge der schweren Wirtschaftskrise wird die Verschuldung weiter ansteigen. Besonders stark verschuldet sind Griechenland, Italien und Portugal, aber auch Belgien, Frankreich, Zypern und Spanien hatten Ende 2019 einen Verschuldungsgrad, der nahezu 100% des Bruttosozialproduktes ausmachte.

Um die Mitgliedsländer in der schweren Wirtschaftskrise zu unterstützen sieht die EU verschiedene Maßnahmenpakete in Milliardenhöhe vor, um den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft zu bewältigen. 

Welche Maßnahmen setzt die EU zur Krisen-Bewältigung?

540 Milliarden Euro Finanzhilfe wurden vom EU-Parlament schon beschlossen. Diese Maßnahmen beinhalten das Programm SURE (100 Milliarden), mit dem der schwer betroffene Arbeitsmarkt unterstützt wird und Kurzarbeitsprogramme und ähnliche Programme finanziert werden. Weiters inkludieren sie die Pandemie-Krisenhilfe in Form von Krediten des ESM* (240 Milliarden) und der Europäischen Investment Bank EIB** (200 Milliarden). Gelder aus diesen Maßnahmenpaketen werden unter anderem für krisenbedingte Gesundheitsmaßnahmen und zur Unterstützung von Arbeitnehmer und Unternehmen verwendet.

        Krisenbewältigungs-Programme der EU

Durch den „Europäischen Aufbauplan“ will die EU die schwere Rezession überwinden und die Wirtschaft Europas wiederaufbauen. Die EU-Kommission will das EU Budget für den Zeitrahmen von 2021-2027 auf 1100 Milliarden Euro aufstocken, um die durch die Corona-Pandemie entstandenen wirtschaftlichen und sozialen Schäden zu beheben und die Wirtschaft für die Zukunft zu festigen.

Weiters soll auf dem Kapitalmarkt Geld für einen mit 750 Milliarden Euro dotierten Aufbaufonds aufgenommen werden. Das Geld für den sogenannten Next-Generation Aufbaufonds will die EU über Jahrzehnte gemeinsam, entsprechend der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder zurückzahlen. Neue Einnahmen der EU aus Steuern und Abgaben sollen für die Rückzahlung der Schulden verwendet werden. So sollen zum Beispiel durch eine Ausweitung des Europäischen Emissionshandels sowie durch eine Digitalsteuer für Internetunternehmen oder eine Plastikabgabe neue Einnahmen lukriert werden.

500 Milliarden Euro des Aufbaufonds sollen als nicht rückzahlbare Zuschüsse und 250 Milliarden Euro als Kredite an die besonders betroffenen Länder vergeben werden. Ein Großteil der Gelder würde an Italien und Spanien fließen. Auch die anderen EU-Länder können Gelder bekommen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Von Investitionen in bessere Gesundheitssysteme und Digitalisierung, für Aus- und Weiterbildung oder für eine moderne Infrastruktur ist die Rede. Nicht vorgesehen ist das Geld zur Tilgung von Altschulden oder für die Konsolidierung der nationalen Haushalte.

Während die EU-Länder bezüglich des auf 1100 Milliarden Euro aufgestockten Budgets für die Jahre 2021-2027 einer Einigung nahe zu sein scheinen, gibt es beim 750 Milliarden Euro Aufbaufonds noch große Auffassungsunterschiede.

Noch herrscht Uneinigkeit bezüglich der Höhe des Fonds, der Vergabe (Kredite oder Zuschüsse) und der Vergabekriterien (Einbruch des BIP oder Arbeitslosigkeit). Eine der umstrittensten Fragen ist, wie sichergestellt werden kann, dass die Wiederaufbauhilfen sinnvoll ausgegeben werden. Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark, alles Nettozahler, sind dagegen, dass der Aufbaufonds zu einem großen Teil aus nicht zurückzahlbaren Zuwendungen besteht. Zudem fordern sie, dass die Finanzhilfen mit konkreten Reformzusagen verbunden sind und nur in erfolgversprechende Zukunftsbranchen fließen (z.B. Forschung und Entwicklung, digitale Infrastruktur, Klimaschutz). Zudem sollten die Zuwendungen an Bürokratieabbau und den Kampf gegen Steuerhinterziehung gekoppelt sein und die Umsetzung muss genau kontrolliert werden. Die EU-Kommission will vor allem, dass die politischen Ziele, wie die Klimaneutralität und Digitalisierung durch die Investitionen erreicht werden.

Italien, Spanien und die anderen stark verschuldeten Länder lehnen Kredite als Finanzhilfen ab, da sie schon jetzt enorm hohe Staatsschulden haben und durch neue Kredite ihre Zinslast weiter stark ansteigen würde. Eine Überwachung und strenge Vorgaben wie es in Griechenland während der großen Finanz- und Schuldenkrise gab, lehnen Italien und Spanien ab.

Deutschland, das seit 1. Juli den Ratsvorsitz in der EU hat, kommt eine besondere Vermittlerrolle zwischen den Ländern zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnt Zusammenhalt und Solidarität ein. Europa dürfe nicht wirtschaftlich auseinanderdriften. Wie gut Europa die Krise überwinde, werde über seinen Wohlstand und seine zukünftige Bedeutung und Rolle in der Welt entscheiden.

Ob es schon beim EU-Sondergipfel am 17./18. Juli 2020 gelingt die unterschiedlichen Auffassungen auf einen Nenner zu bringen und einen für alle Länder akzeptablen Kompromiss zu schließen, ist ungewiss.

Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB)

Als Reaktion auf die Corona-Krise legte die EZB bereits im März 2020 ein milliardenschweres Anleihe-Kaufprogramm (Staats- und Unternehmens-Anleihen) auf, um die Liquidität zu steigern. Das ursprünglich 750 Milliarden Euro umfassende Corona-Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) wurde im Juni um weitere 600 Milliarden Euro auf insgesamt 1350 Milliarden Euro aufgestockt und bis Ende Juni 2021 verlängert, eine weitere Verlängerung ist möglich, sollte es erforderlich sein. Die Anleihen-Käufe der EZB sollen die Kosten für Kredite sowohl für die Staaten als auch für Unternehmen senken und die Wirtschaft ankurbeln. Stark verschuldete Länder, wie Italien profitieren besonders stark von diesem Programm.

*ESM=Europäischer Stabilitätsmechanismus, 2012 durch einen völkerrechtlichen Vertrag der Euro-Staaten als internationale Finanzinstitution gegründet. Ziel des ESM ist es zahlungsunfähige Mitgliedstaaten der Eurozone, unter Einhaltung wirtschaftspolitischer Auflagen mit Krediten und Bürgschaften zu unterstützen, um deren Zahlungsfähigkeit zu sichern. Auch Mitgliedsstaaten der EU steht der Beitritt zu diesem Vertrag offen.

**EIB=Europäische Investmentbank. Sie ist in Übereinstimmung mit den Zielen der EU für die Vergabe von Krediten und Bürgschaften an öffentliche und private Institutionen zuständig.

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Mart Pix Do., 16.07.2020 - 09:36

Der Bericht liest sich gut. Die Zahlen waren bereits bekannt und ich bin zuversichtlich auf europäischer Ebene die Lösung der Probleme zu finden.

@Georg Lechner
Sehr einseitige Äußerung und aus dem Kontex gerissen - somit populistisch! Das Problem des Urteils im Fall Apple/Irland ist die Sichtweise eines europäischen Gerichtes, welches dort kein Vergehen sah, obwohl lediglich 0,005% Steuern bezahlt wurden. Der EuGH muss das richten, das Problem liegt aber nicht in der EU sondern in den einzelnen Nationalstaaten, die Steueroasen einrichten.
Nicht mit dem Finger auf die Falschen zeigen Georgy!

Do., 16.07.2020 - 09:36 Permalink