Kultur | Salto Afternoon

Unbequeme Knolle - Teil 2

Kartoffeln werden von der Industrie auf verschiedenste Weisen haltbar und transportfähig gemacht. Benjamin Pfitscher fragt sich: Wo liegt die Zukunft der Erdäpfel?
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Foto: Foto: Salto.bz

Vorreiter war in dieser Branche die Marke „Pfanni“, schon im Jahr 1949 kam das Kartoffelpulver der Marke auf den Markt. Aus diesem Pulver konnte spielend leicht Reibekuchen oder Knödelteig hergestellt werden. Zum zehnjährigen Jubiläum wurde von Pfanni der Instant-Püree erfunden und verkauft. Ab den 50er Jahren wurden Fertigprodukte und Convenience-Food allgemein zunehmend bekannt und erlebten einen großen Aufschwung. Bis heute sind etliche weitere Produkte hinzugekommen. Nur allein die Kartoffel betreffend, scheint die Produktpalette schier grenzenlos zu sein. Wenn man einen Blick in die Tiefkühlregale in jedem Einkaufszentrum wirft, wird man sofort mit solchen Artikeln überhäuft. Angefangen bei Pommes frites in den verschiedensten Variationen, gekringelt, in Gitterform, gewellte oder die ganz Einfachen.

Kroketten, potato wedges (Anmerkung: Bei potato wedges handelt es sich um Kartoffelspalten, die zumeist ungeschält und herzhaft gewürzt sind und in der Fritteuse fertig frittiert werden.), Bratkartoffeln, Rösti, Kartoffelpuffer, Reibekuchen, Kartoffelknödel oder Nudeln aus Kartoffelteig, um nur einige zu nennen. Selbstverständlich werden auch einfach gekochte Kartoffeln, sowohl Pellkartoffel als auch Salzkartoffel, zumeist vakuumverpackt angeboten. Auch Kartoffelsalat gibt es in den meisten Läden in diverser Ausführung, im Glas oder im praktischen Plastikeimer.

Neben dem Einzelhandel ist besonders die Gastronomie an solchen Produkten zunehmend interessiert. Angeblich verwenden heute schon bis zu 80 Prozent der Restaurants solche Convenience-Lebensmittel, Tendenz steigend. Auch hier ist Zeit eine der wichtigsten Ressourcen. Besonders in Deutschland und den Niederlanden, wo auch viele Kartoffeln angebaut werden, haben sich einige Firmen darauf spezialisiert solche Kartoffelfertigprodukte herzustellen. Sie haben über hundert verschiedene Kartoffelprodukte im Sortiment, welche sie hauptsächlich an Mensen, Restaurants und Hotels verkaufen. Dass dieser Markt boomt, zeigen nicht nur Zahlen sondern auch der Einfallsreichtum der Industrie. Immer mehr Produkte werden von den Unternehmen erdacht und dabei wird besonders darauf geachtet, dass die Lebensmittel und Gerichte möglichst natürlich und handgemacht aussehen um dem Kunden nicht das Gefühl zu vermitteln, dass er im Restaurant ein Fertigprodukt serviert bekommt. So werden beispielsweise Bratkartoffeln mit Schlagworten wie „Hausfrauenschnitt“ oder „Home Made“ beworben, da sie von Maschinen bewusst unregelmäßig geschnitten werden um somit den Eindruck zu erwecken, dass die Kartoffeln von Hand geschnitten wurden. Zudem sind sie bereits in der Packung vorgegart, mit einer Gewürzmischung sowie der nötigen Margarine versehen und müssen somit nur noch aus dem Beutel in die heiße Pfanne gegeben werden.

Eine weitere Produktsparte, welche die Kartoffel – neben einigen wenigen Kontrahenten – nahezu für sich alleine gewinnen konnte, ist die der Chips. Erfunden wurden die Kartoffelchips angeblich schon im Jahr 1853 im amerikanischen Saratoga Springs vom Koch George Crum. Ein Gast soll sich wiederholt über zu dicke Bratkartoffeln beschwert haben, woraufhin Crum die Kartoffeln aus Wut extra dünn schnitt und sie frittierte, um ihm eine Lektion zu erteilen. Die Kartoffelscheiben schmeckten dem Gast zu seiner Verwunderung jedoch ausgezeichnet, woraufhin die neue Kreation in die Speisekarte aufgenommen wurde. Zunächst wurden die Chips noch von Hand hergestellt und ungewürzt verkauft, erst mit der Erfindung der Kartoffelschälmaschine 1942 konnten Kartoffelchips industriell und in größeren Mengen hergestellt werden. Zu Beginn der 50er Jahre entwickelte das irische Kleinunternehmen Tayto eine Methode die Kartoffelscheiben zu würzen. Die ersten gewürzten Chips waren in den Geschmacksrichtungen „Cheese n’ Onion“ (Käse und Zwiebel) und „Salt n’ Vinegar“ (Salz und Essig) erhältlich. Spätestens ab diesem Moment erfreute sich diese Kartoffelknabberei immer größerer Beliebtheit. Inzwischen hat sich diese Form der Kartoffel nahezu weltweit und bei allen Altersgruppen etabliert. Allein in Deutschland werden heute täglich über 1.000 Tonnen Kartoffeln zu Chips weiterverarbeitet. Die zwei am weitesten verbreiteten Geschmacksrichtungen sind wohl noch immer der einfache klassische Kartoffelchip mit etwas Salz und die „ungarische“ Variante mit Paprika. Erhältlich sind die Chips jedoch in immer neuen und kurioseren Geschmacksrichtungen. So kommen auch Kreationen wie etwa „Wasabi“, „Limette und schwarzer Pfeffer“, „Chilli Mango“, „Beef & Schwarzbier“ oder gar „Kleeblatt & Sauerrahm“ vor. Kartoffelchips zeichnen sich allgemein jedoch dadurch aus, dass sie einen sehr hohen Anteil an Fett haben und in den meisten Fällen auch stark gewürzt sind und damit einen hohen Salzgehalt aufweisen. Gerade diese Kombination macht sie auch so verführerisch gut, dass wir am liebsten nicht mehr aufhören würden sie zu knabbern. Der Fettanteil liegt meist über 30 Prozent und ist damit auch der Hauptgrund weshalb die Chips größtenteils über 500 Kalorien aufweisen. Chips kann man somit eindeutig als die kalorienreichste Variante von Kartoffelprodukten sehen. Heute sieht man deshalb auch nicht selten Schlagworte wie: „leicht“, „light“ oder „Fett reduziert“ auf den Packungen stehen, welche als Versuch einer „gesunden“ Chips Variante verstanden werden können.

In den Industrieländern mit steigendem Wohlstand ist die Tendenz zu beobachten, dass der Erdäpfel bei den Konsumenten zunehmend von einem Grundnahrungsmittel zu einem Konsumgut wird. Somit liegt auch die Zukunft der Kartoffel, wie in diesem Artikel veranschaulicht wurde, mit hoher Wahrscheinlichkeit im Verarbeitungssektor. Die Convenience-Food Industrie und der große und vielfältige Bereich der Snacks bieten der Kartoffel immer noch viele Möglichkeiten, die durchaus auch positiv sein können. Zu bedenken gilt jedoch, dass diese Produkte immer schon Verarbeitungsprozesse hinter sich haben und die Kartoffeln dafür häufig mit mehreren Zusatzstoffen behandelt werden müssen, um überhaupt haltbar zu bleiben. Am unbedenklichsten sind hier die Tiefkühlprodukte. Des Weiteren werden nicht selten minderwertige Rohstoffe verwendet, um den Preis so gering wie möglich zu halten um das Produkt überhaupt zu realisieren und den größtmöglichen Profit daraus zu schlagen. Bei den Chips gilt es besonders auf den erhöhten Fettanteil zu achten und dieses Genussmittel deshalb auch nur in Maßen zu genießen. Schlussendlich bleibt noch zu erwähnen, dass es wohl immer lohnenswert bleiben wird, sich etwas Zeit zu nehmen und ein köstliches selbstkreiertes Kartoffelgericht zuzubereiten. Dieses wird mit etwas Übung sowohl in Geschmack und Aussehen als auch den gesundheitlichen Aspekten stets über ein gekauftes Convenience Produkt triumphieren.