Politik | Landtagswahlen 2013

salto-Wahlkampfanalyse Teil 2: Das gefährliche Paket Autonomie und Krise

Landtagswahlen 2013: Die Meinungsforscher Hermann Atz (apollis) und Gernot Gruber (Gruber & Partner) analysieren auf salto.bz die Schauplätze dieses Wahlkampfs. Heute: Warum der SVP bei der Verteidigung ihres Autonomiekonzepts die Wirtschaftskrise in die Quere kommen könnte.

salto.bz: Im gesellschaftspolitischen Bereich geht die Tendenz in diesem Wahlkampf in Richtung politische Mitte. Gilt das auch beim Thema Autonomie?

Hermann Atz: Bei der Frage Südtiroler Autonomie ist eher eine Polarisierungstendenz zu beobachten. Das hat Arno Kompatscher auch mit seinem Statement gegenüber den Freiheitlichen deutlich gemacht: Wer unser Konzept der Vollautonomie nicht teilt, also den Weg mit Italien statt weg von Italien, der ist für uns kein Koalitionspartner.

Gernot Gruber: Hier sind die Grünen mit ihrer Position ziemlich nahe bei der SVP. Das heißt auf der einen Seite haben wir SVP und Grüne, auf der anderen die Freiheitlichen mit ihrem Freistaat sowie die Südtiroler Freiheit, die mit dem Konzept der Selbstbestimmung bis hin zur Rückkehr nach Österreich ja noch weiter geht.

salto.bz. Woher kommt der Mut, so sehr in die Polarisierung zu gehen? Gab das gut besuchte Schützentreffen in Meran im Frühjahr dafür Anlass?

Hermann Atz: Ich würde sagen, sie haben eben Morgenluft gewittert. Einerseits mit der wirtschaftlichen Krise in ganz Italien, und andererseits war sicher auch die Regierung Monti Wahlhelfer dieser Parteien – mit einer Politik, die der Autonomie vollkommen abgeneigt war. Oder zumindest hat sich diese Leseart dann medial durchgesetzt: Monti ist der Feind der Autonomie.

Gernot Gruber: Hier braut sich derzeit ein nicht ungefährliches Gemisch zusammen. Auf der einen Seite hat gerade die klassische Arbeiterschicht derzeit ganz stark das Gefühl, zu den Modernisierungsverlierern zu gehören, weil sie nicht mehr mit dem Einkommen auskommt. Über diese im Grunde klassisch linken Themen wie Jugendarbeitslosigkeit oder zu geringes Einkommen wird nun ein klassisches Rechtsthema gestülpt. Denn die einfache Lösung, die hier propagiert wird, lautet: All diese Probleme verschwinden, wenn wir weggehen von diesem Staat – ob in Richtung Freistaat bis hin zur Selbstbestimmung. In dieser Mischung, auf die gerade junge Leute stark ansprechen, steckt aus meiner Sicht die größte Gefährlichkeit. Wenn das die zwei zentralen Themen im Wahlkampf würden, dann würde natürlich auch die SVP stark unter Druck geraten.

salto.bz: Doch die Krise ist derzeit bereits ein allgegenwärtiges Thema.

Gernot Gruber: Das ist ja das Dilemma. Den Befund bestreitet keiner mehr. Die gefühlte und gespürte Krise, die Tatsache, dass vor allem Familien und Jugendliche stark unter Druck gekommen sind, streitet niemand ab. Das gilt genauso für die Zielebene, die da heißt, möglichst viel Wohlstand und allen soll es gut gehen. Der kritische Part ist das Mittelstück, also die Lösung, um vom Befund zum Ziel zu kommen. Wenn sich hier das einfache Rezept durchsetzt, sprich, wir lösen diese wirtschaftlichen Probleme mit einem Freistaat oder der Selbstbestimmung, dann wird es gefährlich. Tendenziell haben hier Populisten einen Themenhebel, der vor allem bei jungen Leuten ankommen könnte.

salto.bz: Also lieber Freistaat anstatt Monti?

Gernot Gruber: Ja genau, ganz nach dem Motto: Wir brauchen nur in Salurn unten zu zu machen und dann geht die Jugendarbeitslosigkeit runter. Aber diese einfachen Rezepte funktionieren in der Realität nicht.

salto.bz: Doch auch die SVP verknüpft ihr Autonomiekonzept mit der wirtschaftlichen Situation im Land.

Gernot Gruber: Das ist genau das kommunikative Dilemma, in dem die SVP steckt. Je mehr sie die Jugendarbeitslosigkeit oder die Sicherung der Arbeitsplätze thematisiert, um so mehr treibt sie gerade die direkt Betroffenen in dieses nationalistische Themenkonstrukt hinüber.

 

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Harald Knoflach Fr., 13.09.2013 - 20:44

"Gernot Gruber: Hier braut sich derzeit ein nicht ungefährliches Gemisch zusammen. Auf der einen Seite hat gerade die klassische Arbeiterschicht derzeit ganz stark das Gefühl, zu den Modernisierungsverlierern zu gehören, weil sie nicht mehr mit dem Einkommen auskommt. Über diese im Grunde klassisch linken Themen wie Jugendarbeitslosigkeit oder zu geringes Einkommen wird nun ein klassisches Rechtsthema gestülpt. Denn die einfache Lösung, die hier propagiert wird, lautet: All diese Probleme verschwinden, wenn wir weggehen von diesem Staat – ob in Richtung Freistaat bis hin zur Selbstbestimmung."

könnte bitte jemand diesem herren die begrifflichkeiten erklären, bevor er mit diesen um sich schmeißen darf?
wenn nicht einmal ein "experte" politikwissenschaftliche konzepte und begrifflichkeiten im zusammenhang richtig verwendet, wie soll es dann die bevölkerung lernen?
die größte gefahr ist nicht dieses "gemisch" sondern die unwissenheit.

Fr., 13.09.2013 - 20:44 Permalink
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Gernot Gruber Sa., 14.09.2013 - 08:35

Antwort auf von Harald Knoflach

Transkribierte Interviews sind nicht mit schriftlich Formulierten Analysen zu verwechseln. In der Ausführung habe ich vorher vom Themenspektrum der Parteien gesprochen. Ich meinte also nicht, dass Selbstbestimmung als Ziel nach dem Freistaat zu sehen ist. Mit etwas guten Willen kann man das auch so lesen.

Sa., 14.09.2013 - 08:35 Permalink
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Harald Knoflach Sa., 14.09.2013 - 15:42

Antwort auf von Harald Knoflach

Der etwas süffisant-patronisierende Unterton meines Postings ist allgemein meiner Frustration über das Niveau der Diskussion zu diesem Thema hier in Südtirol geschuldet. Wenn Politiker – wie das der Fall ist – einen schlaksigen bis nebulösen Umgang mit klar definierten politikwissenschaftlichen Begriffen pflegen, dann erwarte ich mir von Journalisten und noch mehr von Experten, dass sie diesen Umgang hinterfragen und gegebenenfalls korrigieren anstatt ihn zu perpetuieren; vor allem auch deshalb, weil Befürworter wie auch Gegner besagter Prozesse, Konzepte und Ziele über sehr schwerwiegende Dinge diskutieren, die sich zumindest einen korrekten und präzisen Umgang mit Begrifflichkeiten verdienen, da eine diesbezügliche Entscheidung Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit aller im Lande hat. Derzeit sieht es jedoch so aus, als ob die Bevölkerung sich aufgrund einer von Beliebigkeit geprägten Verwendung von Begriffen ein Urteil bilden muss.

Es lässt sich für mich schwer nachvollziehen, ob die Aussage tatsächlich so getätigt wurde oder ob die Redaktion das im Zuge der Transkription „verbockt“ hat. Jedenfalls erschließt sich mir nicht, warum Selbstbestimmung (auch das Ziel der Freiheitlichen, das ich nicht „Freistaat“ nennen möchte, da auch das in diesem Zusammenhang ein einigermaßen widersprüchlicher Begriff ist, kann – wie Martin G. richtig ausgeführt hat – nur über den Prozess der Selbstbestimmung erreicht werden) ein „klassisches Rechtsthema“ sein sollte. Weder aus einer geschichtlichen Tradition noch aus den beiden derzeit erfolgreichsten Selbstbestimmungsbestrebungen in Europa (Schottland und Katalonien), welche beide von linken und grünen Parteien getragen sind, kann ich eine Rechtslastigkeit dieses Konzeptes herauslesen. Im Gegenteil. Nicht einmal in Südtirol gibt es unter den Sezessionisten eine Partei, für die eine Lösung ohne Einbeziehung aller Sprachgruppen im Land in Frage kommt. (Dass sie diese Einbeziehung nicht zu Wege bringen, steht auf einem anderen Blatt). Die Mehrsprachigkeit und somit die „Mulitkulturalität“ (wenn auch im engen Sinne) wird von niemandem in Frage gestellt. Dass besagte Parteien in anderen Fragen bisweilen sehr rechtslastig sind (v.a. die Freiheitlichen, viel weniger die Süd-Tiroler Freiheit) ist in diesem Zusammenhang wenig relevant. (Wenn sich eine populistische Rechtspartei für Umweltschutz einsetzt - was nicht selten vorkommt - macht das den Umweltschutz noch lange nicht zu einem klassischen Rechtsthema).

Für einen noch gravierenderen Fehler halte ich jedoch die Vermengung von Prozess und Ziel. Selbstbestimmung hat a priori kein vorgegebenes Ziel. Es gibt viele Ziele, die ich auf dem Wege der Selbstbestimmung erreichen kann. Oder um es mit Evelyn Beatrice Hall zu sagen: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst“. Als ich obige Analyse gelesen habe, kam mir wieder die Frage einer RAI-Journalistin bei einem runden Tisch in Erinnerung: „Sind sie für die Selbstbestimmung oder für den Freistaat?“. Wir vermischen also Äpfel mit Birnen und wollen dann aufgrund dieses Mischmasches eine der gravierendsten Zukunftsentscheidungen treffen? Wer für die Selbstbestimmung ist, muss noch lange nicht für eine „Rückkehr zu Österreich“ (wiederum eine unscharfe Definition, da Südtirol nie Teil eines österreichischen Nationalstaates sondern eines monarchistischen Vielvölkerstaates war) sein. Mittlerweile sind zum Glück auch prominente Exponenten der Südtiroler Grünen in der „europäischen Normalität“ angekommen und lehnen eine Abstimmung über die Zukunft des institutionellen Rahmens Südtirols nicht mehr grundsätzlich ab (siehe http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=14649).

Sa., 14.09.2013 - 15:42 Permalink
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Sylvia Rier So., 15.09.2013 - 08:28

Antwort auf von Harald Knoflach

, all diese Begriffsklauberei irritiert mich ein wenig, ja. Denn ich finde, wir sind noch weit davon entfernt, über solche "feinstofflichen Begrifflichkeiten" zu diskutieren, wie du das machst, wie ihr das macht. Ganz offensichtlich ist das Interesse am Thema viel zu gering, als dass sich selbst Fachleute so weit damit auseinander gesetzt hätten. Das sollte doch zu denken geben. Und eh weiß im Grunde jedeR SüdtirolerIn, was gemeint ist, wenn - in Südtirol, wohlgemerkt -von "Selbstbestimmung" die Rede ist. Denn es mag sein, wie du anderswo bemerkt hast, dass der Begriff "Selbstbestimmung" nicht (ich zitiere aus der Erinnerung) "a priori mit einem bestimmten Ziel verbunden ist" - in Südtirol, und darum geht's ja nur, bei uns, ist er das aber sehr wohl. Und davon abgesehen, sind wir vom "feinstofflichen" wie oben noch Lichtjahre entfernt, und ich hoffe auch nicht, dass wir je dahin kommen, es diskutieren zu müssen ;-)

So., 15.09.2013 - 08:28 Permalink
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Harald Knoflach So., 15.09.2013 - 12:32

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nö silvia. du hast falsch verstanden. sollten es dazu kommen, dass die südtirolerinnen und südtiroler in einer direkt- und basisdemokratischen abstimmung selbst über ihre zukunft entscheiden können, so passiert das in einer geheimen wahl in einer wahlkabine. dort stehen dann die verschiedenen ziele zur auswahl. mitnichten ist "selbstbstimmung a priori an ein ziel gekoppelt". wofür sich dann die mehrheit entscheidet, das wird gemacht. genau das nennen wir jetzt seit über 2000 jahren demokratie.

So., 15.09.2013 - 12:32 Permalink
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Harald Knoflach So., 15.09.2013 - 12:39

Antwort auf von Harald Knoflach

"Und davon abgesehen, sind wir vom "feinstofflichen" wie oben noch Lichtjahre entfernt, und ich hoffe auch nicht, dass wir je dahin kommen, es diskutieren zu müssen."

ich nehme mal an, als grüne kandidatin hast du für mehr direkte demokratie unterschrieben. erklärst du mir noch einmal schnell, wie obiger satz mit einem bekenntnis zu direkter demokratie bzw. ermächtigung der bürgerinnen vereinbar ist?

So., 15.09.2013 - 12:39 Permalink
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Sylvia Rier So., 15.09.2013 - 12:53

Antwort auf von Harald Knoflach

du (mich) falsch verstanden. Die Selbstbestimmung, von der du sprichst, hat - korrigier mich ggf. - zwei Möglichkeiten zur Auswahl, in der geheimen Wahlkabine: Bei Italien bleiben (samt Rattenschwanz) oder von Italien weg (samt Rattenschwanz). Das heißt doch, dass "Selbstbestimmung" bei uns zumal nur an einen Zweck gekoppelt ist: Los von Italien (oder eben nicht). Schon, oder?! Also, wenn wir dann das Los von Italien endlich mal wegwischen (MEINE persönliche Meinung), dann bleibt nichts mehr, über das selbst bestimmt werden könnte, oder?! Und ich finde es nicht fair, mit Verlaub, dass du jetzt diese präzise "Selbstbestimmung", von der ich - gern noch einmal - nicht einsehe, dass sie wirklich nötig oder auch nur sinnvoll ist, aber bitte, ich bin ja nur eine von vielen, in ein und denselben Topf wirfst mit allen anderen Themen, über die die Bevölkerung selbstverständlich das Recht hat abzustimmen.

So., 15.09.2013 - 12:53 Permalink
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Harald Knoflach So., 15.09.2013 - 13:04

Antwort auf von Harald Knoflach

liebe silvia,

deine meinung ist wichtig, aber sie ist nicht bestimmend. das heißt, auch wenn ein thema für dich unwichtig ist, kann es sein, dass es für andere wichtig ist. und deren meinung ist gleich viel wert wie deine. d.h. wenn die voraussetzungen für eine abstimmung auf demokratischem wege zustandekommen, dann ist das zu akzeptieren. auch das ergebnis der abstimmung ist zu akzeptieren (egal ob es nun ein los von rom oder ein mit rom wird).
zum beispiel halte ich das thema frauenquote für belanglos (nicht zu verwechseln mit gleichstellungspolitik, die ich für wichtig halte). ich akezptiere jedoch, dass die frauenquote anderen wichtig ist. und wenn diese gruppe so stark ist, dass sie es schaffen auf demokratischem wege eine solche quote zu erreichen bzw. zumindest eine abstimmung darüber, ob es sie geben soll oder nicht, dann ist das demokratie im besten sinne. und genau gleich verhält es sich mit einer abstimmung über den zukünftigen institutionellen rahmen südtirols.

So., 15.09.2013 - 13:04 Permalink
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Martin Geier So., 15.09.2013 - 13:27

Antwort auf von Harald Knoflach

Selbstbestimmung als Zweidritteldemokratie bei der dann notfalls ganz egal ist wie die beiden kleineren Sprachgemeinschaften abstimmen? Nein danke.
Brigitte Foppa hat diese Problematik sehr gut erkannt und auch wenn ich selbst kein Grüner bin(die können sich sehr gut auch selbst verteidigen) finde ich es ungerecht denen aus der Ablehnung der (STF)Selbstbestimmung einen Strick zu drehen. Der Unterschied zwischen den Grünen und den deutschen Rechtsparteien ist halt daß sich Erstere als interethnische-überethnische Partei verstehen und Letztere eben als dezidiert 'deutsche' Parteien. Bei Letzteren ist dann mA auch fast komplett egal was die anderen beiden von 'Selbstbestimmung' halten; das großzügigste Angebot ist dann bestenfalls noch eine kleine kulturelle Autonomie; ganz unberührt davon aber wer für die Leitkultur zuständig ist. Es ist eben mA die große Schwäche des auch von Harald verfochtenen Modells daß man den Nationalismus der übergroßen Mehrheit der Verfechter von 'Selbstbestimmung' einfach nicht sehen will und sich lieber mit dem italienischen beschäftigt. Deshalb auch die Bedenken welche Richtung das Land einschlagen würde. Und das ist meiner Ansicht auch ein Grund wieso gerade auch Italiener und Ladiner sowie viele liberale Südtiroler der DD skeptisch gegenüberstehen. Es geht immer darum für was DD und ein 'basisdemokratisches, partizipatives Instrument wie das selbstverwaltete Referendum' gemacht sind und wem sie als Mittel in welche Richtung auch immer dienen. Dazu eine ethnische Minderheit zu benachteiligen und einen Staat gegen eine oder mehrere Gruppen zu schaffen? Vertrauen schaffendes sehe ich halt von dieser Seite wenig und Bedenken daß das Ganze zu einer '2/3 Demokratie' verkommt halte ich für berechtigt.
Und zuletzt; ihr tut nix aber auch gar nix um solche Bedenken zu zerstreuen; in der Ortsnamenfrage ist es Euch ja auch egal was die Italiener Südtirols davon halten; oder etwa nicht? Vertrauen erwirbt man sich eben auch und gerade mit der Haltung zu bestimmten Sachfragen. Und die Haltung zu Sachfragen dient bei den meisten Bürgern(und Wählern) auch zur Einordnung in die jeweilige politische Schublade.

So., 15.09.2013 - 13:27 Permalink
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Sylvia Rier So., 15.09.2013 - 13:27

Antwort auf von Harald Knoflach

verstehen wir uns ja doch "Meine Meinung, und ich bin nur eine von vielen". Das sollte, wer will, schon einordnen können. Und überhaupt ging es mir gar nicht darum, ob diese Selbstbestimmung jetzt sein solle oder nicht, sondern nur darum, dass du dich bei jeder Gelegenheit an diesen Begrifflichkeiten reibst, und also noch einmal: Wenn irgendwo gesagt wird, "Selbstbestimmung", dann geht's bei uns darum, ob "Los von Italien oder nicht", und das unmittelbare Ziel derer, die diese Selbstbestimmung wollen, ist allen gemeinsam, einzig "Was kommt danach" unterscheidet sich, nicht wahr. Und also weiß jedeR, was gemeint ist. Und überhaupt habe ich nicht den Eindruck, dass wirklich sehr viele Menschen Wert darauf legen, zu diesem Thema selbst zu bestimmen. Aber vielleicht wissen wir's ja bald und dann ist Ruhe und wir können unsere Energien den wichtigen Themen widmen und selbst über sie bestimmen :-)

So., 15.09.2013 - 13:27 Permalink
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gorgias So., 15.09.2013 - 20:26

Antwort auf von Harald Knoflach

skeptisch gegenüber ein Sezessionsreferedum stehe, finde ich es schade auf welchem niedrigen Niveau über das Thema gesprochen wird. Leider sind nicht nur die drei Parteien die sich neue unsinnige Begriffe ausgedacht haben (Vollautonomie) oder schon bestehende Begriffe falsch verwenden (Freistaat und Selbstbestimmung) sondern auch halbinteressierte die diese es auch noch nachplappern müssen.
Ich kann Harald Knoflach gut verstehen.

So., 15.09.2013 - 20:26 Permalink
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Martin Geier Sa., 14.09.2013 - 07:47

Finde die Analyse recht gut gemacht. Allerdings ist es erstaunlich daß gerade die Oppositionsparteien aus der Italienischen Krise, der vermeintlichen Krise der Autonomie und von mir aus den ganzen Skandalen, Affären und Skandälchen der SVP sowenig machen können. Horche ich in meinem Umfeld hinein so würden die Meisten der obigen Analyse zustimmen; besonders auch was den Druck auf die Familien und die schwieriger werdende Situation der Jugendlichen anbelangt; allerdings trauen sie der Opposition(Einer hat sie die Sammelpartei der 'Sfigierten' genannt) meist rein schon vom Fachlichen her nicht zu die Probleme zu lösen. Den Zulauf für 'Visionenthemen' wird mA von Gernot Gruber für zu hoch eingeschätzt; man sollte sich nicht von Iatz! und co. blenden lassen; letztendlich geben sich zu solchen Treffen immer Dieselben ein Stelldichein. Für die gefährliche Mischung fehlt bei uns noch die Basis; nicht ganz 5% Arbeitslosigkeit sind zuwenig um jene kritische Menge von Verzweifelten zu erzeugen die dann als Manövriermasse für Nationalisten und Populisten dienen. Zusammen mit dem Fakt daß man selbst nicht 'neu' ist und die Modernisierung eher nicht von der Opposition zu erwarten ist, sind das keine guten Voraussetzungen für deren Erfolg; mit dem Ergebnis von 2008 wären die wohl froh.

Sa., 14.09.2013 - 07:47 Permalink
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Martin Geier Sa., 14.09.2013 - 18:57

Nun gut; nehme Deinen Kommentar zur Kenntnis; aber meiner Ansicht hat er ein paar Schwächen. Natürlich ist Selbstbestimmung in Südtirol ein Rechtsthema; daran schuld sind die Proponenten selbst weil sie aus ihrem deutschnationalem Schneckenhaus nicht rauskommen; und die die sich von Denen unterscheiden wollen tun das zuwenig; dazu müßte man mal einen Nachdenkprozess beginnen der zur Erkenntnis gelangen könnte daß die eigenen Maximalforderungen der eigenen Entwicklung am meisten im Wege stehen. Selbstbestimmung an sich ist natürlich nicht ein Rechtsthema; aber Nationalismus ist auf der anderen Seite genauso links wie rechts; und da nehme ich gerade die Katalanen nicht aus; da braucht man nur hinter die bunte Fassade zu blicken.

Das Zitat "Nicht einmal in Südtirol gibt es unter den Sezessionisten eine Partei, für die eine Lösung ohne Einbeziehung aller Sprachgruppen im Land in Frage kommt. (Dass sie diese Einbeziehung nicht zu Wege bringen, steht auf einem anderen Blatt). Die Mehrsprachigkeit und somit die „Mulitkulturalität“ (wenn auch im engen Sinne) wird von niemandem in Frage gestellt." ist mA sehr naiv und blauäugig; Südtirols Italiener sind mA in diesem Ambiente nicht mehr als ein Lippenbekenntnis und Feigenblatt(siehe auch Kandidatenliste) und gerade die Anhänger und manch Sager der Exponenten der beiden Parteien lassen auf wenig Gutes hoffen. Da trägt nicht nur die Haltung in vielen Sachfragen ein; werde den Eindruck nicht los daß sie für Viele nur Bürger zweiter Klasse wären; auf ewig mit dem Makel des Faschismus behangen. Die Grünen sehen das übrigens sehr differenziert und die übergroße Mehrheit hat keine Lust auf den Karren der Deutschnationalen aufzuspringen; und noch weniger deren nützlicher Idiot zu spielen. Dann zitiere auch ich mal Foppa; ganz direkt:
"Das Recht auf Selbstbestimmung ist unantastbar und ich würde mich als Direktdemokratin niemals gegen die Selbstbestimmung aussprechen, sofern die Mehrheit innerhalb jeder Sprachgruppe dies verlangen würde (also: Forderung nach einem Referendum in 2 Phasen, wobei in der 1. jede Sprachgruppe separat danach gefragt wird, ob sie das Recht auf Selbstbestimmung in Anspruch nehmen will. [Vorschlag von Prof. Haller aus Graz] Teilnehmen dürfen natürlich alle Wahlberechtigten der Provinz Bozen)."
Interessant auch der ganze Rest des Posts.
http://brigittefoppa.com/2013/05/19/zwischen-stillstand-und-selbstbesti…
Unterschied zu den BBDlern erkannt. ;)

Sa., 14.09.2013 - 18:57 Permalink
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Harald Knoflach Sa., 14.09.2013 - 20:34

Antwort auf von Martin Geier

1. das katalanische ist - zwar etwas weniger als das schottische, aber doch immer noch ein inklusivistisches modell
2. man kann etwas nur danach beurteilen, was die offizielle parteilinie ist. wie glaubwürdig diese ist, können wir uns nicht anmaßen zu beurteilen. das erinnert mich ein bissi an frei.wild. wenn hr. burger sagt: "ich distanziere mich vom nationalsozialismus und jeglichem extremistischen gedankengut" mag man ihm das glauben oder auch nicht. aber messen muss ich ihn an dem, was er sagt. denn wie sonst als über eine distanzierung sollte er sich distanzieren? da ist man sozusagen in einer loose-loose-situation. erst heißt es: "distanziere dich!". dann tut er es. dann heißt es: "das ist nicht glaubwürdig!" (bitte nicht falsch verstehen. frei.wild gehen mir am a. vorbei. aber die diskussion hat parallelen).
3. ich finde es zwar lustig, dass die interethnischen einer ethnischen logik folgen, indem sie eine nach "ethnien" getrennte abstimmung fordern. aber ich mag die brigitte und habe mit ihrer position kein problem. ich hab dir ja schon mal geschrieben. wenn es nach mir ginge, wäre es eine abstimmung wie jede andere auch. es könnte ja theoretisch auch das italienische parlament italiens verfassung ändern und sich mit kroatien vereinen ohne dass die südtiroler gesondert dazu gefragt werden müssten. dennoch geht es für mich auch in ordnung im übergang zu einem nicht national definierten staat noch einmal der ethnischen logik folgend und somit getrennt abzustimmen.
4. lustig finde ich auch, dass die grünen im landtag dieses "unantastbare recht auf selbstbestimmung" aus artikel eins der uno-menschenrechtspakte in einem beschluss grundsätzlich abgelehnt und für südtirol nicht gültig erachtet haben. "Der Südtiroler Landtag bekennt sich zu den UNO-Menschenrechtspakten und bekräftigt das in Artikel 1 der UNO-Menschenrechtspakte verankerte Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für Südtirol."

Sa., 14.09.2013 - 20:34 Permalink
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Martin Geier So., 15.09.2013 - 08:12

Antwort auf von Martin Geier

Zu 1. sage ich mal am besten nix; da habe ich an anderer Stelle schon einen Kommentar eines Deutsch-Katalanen verlinkt; und der ist nicht besonders hoffnungsvoll.
http://forum.spiegel.de/f22/menschenkette-hunderttausende-katalanen-dem…

Zu 2. möchte ich anmerken daß es sinnvoll ist sowohl offizielles Parteiprogramm, tägliche Politik, Haltung zu Sachfragen die andere Ethnien betreffen und vor allem auch Äußerungen namhafter Exponenten dieser Parteien miteinander abzuwägen. Um bei Deinem Frei.Wild Beispiel zu bleiben; die können sich verbal distanzieren solange sie wollen; an ihrem Image aber sind sie selber schuld weil sie eben gezielt auch mit Blut&Boden kokettieren und auch gezielt ein bestimmtes Publikum ansprechen wollen. Bewegt man sich in diesem Ambiente und wirbt man um diese Gruppen bleibt automatisch etwas hängen; das Gleiche gilt auch für manch Partei&Bewegung. Daher immer auch das Zielpublikum im Auge behalten.
Zu 3. folgendes. Im Gegensatz zu manch anderen haben die Grünen erkannt daß es im Land 3 Ethnien gibt und die beiden kleineren die kaum wegzudisktierenden Bedenken haben in einem Staat mit 'deutscher' Mehrheit bei ethnischen Fragen einfach überstimmt zu werden. Da nützt es auch nichts wenn man dann solchen Abstimmungen einfach ein postethnisches Mäntelchen überstülpt und so tut als ob es keine Ethnie und keine ethnischen Abstimmungen gäbe. Die Grünen gehen hier meiner Ansicht sehr gut auf die Bedenken dieser Menschen ein; betreiben also meiner Ansicht Realpolitik und sind nicht so naiv ausgerechnet Parteien zu vertrauen deren Gebaren wenig vertrauenserweckend ist.
Zu 4. ebenfalls folgendes. So wie die STF das eingebracht hat kann man nur dagegen stimmen weil das (äußere) Selbstbestimmungsrecht auf ein multiethnisches Gebiet angewendet leicht gerade ins Desaster führen kann; weil es wieder nur darum geht die beiden kleineren Ethnien auszuspielen(und da hilft auch kein 'postethnisch'). Wir drehen uns hier im Kreis; letztendlich geht es immer um die Frage ob die Sezessionisten insgesamt oder wenigstens in ihrer übergroßen Mehrheit ein Modell haben das für alle im Land gutgehen kann; und genau das haben sie eben mA nicht.
Südtirol besteht aus drei Ethnien die sich die gleiche Heimat teilen. Die STFler wollen die der größten quasi zur verbindlichen Leitkultur für für alle und daher auch für die beiden kleineren machen. Meiner Ansicht schaffen die kein gemeinsames 'Wir' sondern vertiefen die Gräben im Land; und arbeiten damit ihren eigenen Zielen entgegen. Solange die die Italiener, Ladiner und die liberalen Südtiroler nicht erreichen werden die auch auf ewig in eurem patriotischen, deutschnationalen Ghetto gefangen sein. Solange Öffnungen wenig mehr als Lippenbekenntnisse und Feigenblätter sind könnt die das auch vergessen; die werden noch viele Jahre brauchen eine Vertrauensbasis auch mit den Italienern zu schaffen; falls es überhaupt jemals gelingen wird. Gleich welches Ziel man verfolgen will, Autonomie oder was auch immer, es muß für eben für alle sein was auch heißt daß man Bedenken zerstreuen und Wünsche aller berücksichtigen muß. Die Stärke des Dritten Statuts welche jetzt über einen Konvent angestoßen wird ist eben gerade das 'für alle gleich welcher Zunge', mein Favorit. Die anderen erkennen die Buntheit Südtirols nicht an; deshalb treten die seit Jahren auf der Stelle.

So., 15.09.2013 - 08:12 Permalink