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Neuer Anlauf zur Verfassungsreform

Fast vier Jahre nach Renzis Scheitern legt die Regierung eine neue Verfassungsreform vor, um die Zahl der Parlamentarier zu kürzen.

Nach dem kläglichen Scheitern der Verfassungsreform Renzis im Dezember 2014 startet die Regierung jetzt einen neuen Anlauf.  Mit einem wesentlichen Unterschied:  Ziel der Reform ist nicht mehr die Abschaffung des Senats, sondern die Reduzierung beider Kammern. Der Senat soll von 315 auf 200 Mitglieder schrumpfen, die Kammer von 630 auf  400. Details über die Reform sollen am 26. September in Rom beim Global forum sulla democrazia diretta  der Fünf-Sterne-Bewegung bekannt werden. Fest steht, dass auch die Referenden neu geregelt werden sollen. Wann die entsprechende Diskussion im Parlament beginnt, soll in Kürze auf der Sitzung der Fraktionssprecher beschlossen werden. Wie in Renzis Reform ist erneut die Abschaffung des CNEL vorgesehen, jenes Consiglio nazionale dell'economia e dell'lavoro, der als überflüssiges und teures Organ gilt. Bei der Reform der Referenden zur Abschaffung bestehender Gesetze soll das quorum abgeschafft werden, jene verbindliche Beteiligungshürde, an der bisher viele Volksabstimmungen gescheitert sind. Ein wesentlicher Teil von Renzis  geplanter Verfassungsreform fehlt: das Einspruchsrecht der Regionen bleibt bestehen.

Offen bleibt in der Abgeordnetenkammer das Problem des ständigen Parteiwechsels, das bisher politische Stabilität verhindert hat. Im Senat hingegen wurde dem ständigen Parteiwechsel mit der neuen Geschäftsordnung endlich ein Riegel vorgeschoben. Wer seiner Partei den Rücken kehrt, kann in Zukunft nur mehr in die gemischte Fraktion wechseln. Die Bildung neuer Fraktionen ist nicht mehr gestattet. Auch in der Kammer hat Präsident Roberto Fico verbindliche Massnahmen gegen die Unsitte der voltagabbana angekündigt. Der sardische M5S-Abgeordnete Andrea Mura wurde bereits von der Bewegung zum Rücktritt gezwungen, weil er bei zahlreichen Sitzungen gefehlt hatte. In der vergangenen Legislatur hatte es eine Rekordzahl von 531 Parteiwechseln gegeben, ein in anderen Demokratien unvorstellbares Phänomen.

Natürlich muss auch die jetzt geplante Verfassungsreform durch eine Volksabstimmung bestätigt werden. Erst bei einem positiven Ausgang derselben kann die Zahl der Parlamentarier von 940 auf 600 reduziert werden - sicher ein positiver Schritt - auch wenn die endgültige Abschaffung des Zwei-Kammern-Systems sinnvoller wäre.

Indessen hat die neue Regierung 100 Tage nach ihrem Antritt erstmals die Vertrauensfrage gestellt - genau jene Unsitte, die sie Renzi stets vorgeworfen hatte. Der Partito Democratico hat aus Protest den Sitzungssaal der Kammer besetzt. Jetzt, wo es um die Verwirklichung des Programms und um den Haushalt geht, werden die Töne deutlich härter. Finanzminister Giovanni Tria hat mit Rücktritt gedroht, weil Luigi Di Maio das bedingungslose Grundeinkommen sofort verwirklichen will, obwohl die dafür nötigen Mittel fehlen. Die Begleitumstände sind alles andere als günstig: Erstmals seit zwei Jahren sinkt Italiens Industrieproduktion um fast zwei Prozent.

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Martin Daniel Do., 13.09.2018 - 13:50

Es ist unangenehm, einen ausgewiesenen Experten zu korrigieren, aber gescheitert ist Renzis Reform im Dezember 2016, nicht 2014. Auf alle Fälle ein unterstützungswürdiges Anliegen, auch dieses neue, um Italien zumindest ein klein wenig den anderen westlichen Demokratien anzunähern.

Do., 13.09.2018 - 13:50 Permalink