Kultur | Salto Return

#131117

In Salto Return geht es nicht um Nachnamen. Es geht um den richtigen und falschen Umgang mit Vornamen und die gute und böse Einbettung solcher in den Alltag.
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Foto: Martin, Krümel und Nils

Trinken
„Wir helfen bei Martins Umzug!“ rief einer meiner Hilfsarbeiter charmant, während er im Hinterhof eine ältere, neugierige Dame aufklärte, weshalb er einen derart großen Karton mit Büchern durch den Innenhof schleppte. Die Dame fragte lautstark zurück: „Martins Umzug?“
Plötzlich erhellte sich beinahe jedes Fenster der Häuser, Menschen schauten heraus, die ich noch nie gesehen hatte. Es waren wohl meine Nachbarn, die nun still und leise im Rhythmus zu singen begannen: „Martins Umzug, Martins Umzug, Martins Umzug…“ Ob sie es gut mit mir meinten? Oder bös?
Nun stand ich da, übermannt von wilden Kindheitserinnerungen, im Scheinwerferlicht, ähnlich dem Funken Licht einer Laterne.
Spontan begann ich zum Phänomen und zu den Bräuchen meines Vornamens zu philosophieren, verdeutlichte, wer denn tatsächlich die Leidtragenden des 11.11. sind. Und dass niemand deren wahren Schmerz erkennt, jenen Schmerz, worüber nur echte Martins ein Lied davon singen können.

Essen
Ich hielt in meinem Kurzreferat fest, dass an Martinstagen nicht nur Großbauern ihr Gesinde entlohnen und das Landwirtschaftsjahr beginnen lassen, dass Nicht-Vegetarier gerne in eine Gans beißen, sondern dass vor allem Eltern ihre Kleinkinder singend zu billig gebastelten Laternen durch die Gegend schicken. Nicht zum Wohle aller!

Ich hob zudem hervor, dass der in meinen Augen geselligste Martinibrauch leider in Vergessenheit geraten ist: Das Martiniloben! Vielleicht weil es eine Feier ist, an welcher nur jene Menschen zugelassen werden, die auch wirklich Gutes geleistet haben.

Martiniloben reinigt Geist und Körper. Es ist wie ein wohltuender Saunagang.

Serviert wird beim Martiniloben, so will es der Brauch, eine feine Schnapssuppe mit Schwarzbrotwürferln, dann Schweinsbraten mit Beilage und zum Nachtisch hochprozentige Schnapsnudeln, sogenannte Alpen-Gnocchi aus Germteig.
Herzliche Gutmenschen tauschen sich friedlich aus, loben sich gegenseitig, sinnieren über das Teilen im Allgemeinen, auf facebook im Speziellen, reden über das Böse und das Gute, sprechen über Martin Heidegger oder Martin, die Gans bei Nils Holgersson. 

Esser
Apropos GUT und BÖSE in der Philosophie. Im Artikel eines großen Blattes las ich einen spannenden Artikel, über das Reden mit Rechten. Das Hannah Arendt Center in New York sorgte nämlich unlängst für Diskussionsstoff, als es den AfD-Philosophen Mark(!) Jongen für ein Referat geladen hatte. Was für ein Armutszeugnis für dieses Haus, denke ich mir, was für ein historisches Fiasko...

Der deutsche Marc (oder Mark), aufgewachsen in der Marktgemeinde Lana, seit Jahren mit zu flottem Haarschnitt und wohl noch mit alten Reichsmark unterwegs, gilt als Philosoph der neuen Rechten, da er angeblich Antworten auf komplexe Fragen der Zeit findet. Denkste.
Bei einem Interview vor wenigen Wochen mit der Radio-Journalistin Gudrun Esser, konnte die alternative Leuchte für Deutschland mit Niederländischen und Südtiroler Wurzeln nicht erklären, weshalb er mit seiner internationalen Biographie nicht eigentlich einen guten Vorzeige-Europäer gibt.
Ich erinnere mich, dass die braune Pfeife erstaunlich holprige Antworten erfand. Und mir war klar, dass mit Rechten reden nicht viel bringt. Sie schnallen es einfach nicht. Man möchte davonfliegen, wie eine Gans in einem Zeichentrickfilm.