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Spiel mit der Existenz

Die SAD entzieht kleinen Mietwagenunternehmen Aufträge für die Liniendienste. Es kommt zu einem Treffen mit dem Landeshauptmann. Der findet klare Worte.
Ampel
Foto: Pixabay

Die Gründe für die Entscheidung sind offiziell nicht bekannt. Doch die Folgen, die der jüngste Schritt der SAD AG für die kleinen Mietwagenunternehmer im Land hat, liegen auf der Hand. “Unsere Existenz steht auf dem Spiel”, so die Worte, die vom Treffen am Mittwoch nach außen dringen.
Es ist eine Delegation vom Konsortium der Südtiroler Mietwagenunternehmer (KSM) aus dem Vinschgau, aus Bozen und dem Unterland, die der Landeshauptmann und sein Mobilitätslandesrat im Laufe des gestrigen Tages empfangen. Der Anlass ist besorgniserregend. “Ihnen waren vor wenigen Tagen vom Unternehmen SAD die Aufträge für die Liniendienste entzogen worden”, heißt es in der Pressemitteilung, die am späten Mittwoch Nachmittag von der Landespresseagentur verschickt wird.

 

Vom Anwalt zum Richter?

Drehen wir die Zeit um gut ein Jahr zurück. Es ist August 2016. Ingemar Gatterer, neuer Mehrheitseigentümer und geschäftsführendes Verwaltungsratsmitglied der SAD AG, wettert gegen die im Mai von der Landesregierung verabschiedeten Landesrichtlinien für die Vergabe von Subkonzessionen und Unteraufträgen im öffentlichen Nahverkehr. Demnach sollen Liniendienste fortan vornehmlich von Linienbussen bedient werden – und nur ausnahmsweise von Reisebussen, die einzig dann zum Zug kommen sollen, wenn andere Linienkonzessionäre nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen.
Gatterer bzw. die SAD selbst beauftragt seit 2014 rund 50 der 330 Mitglieder des Konsortiums Südtiroler Mietwagenunternehmer – zumeist kleine Familienbetriebe. Diese fahren als Sub-Unternehmer im Auftrag der SAD Liniendienste. Immerhin rund 3,3 Millionen Kilometer im Jahr, hauptsächlich in peripheren Gebieten.
In seinem Schreiben von Anfang August 2016 schwingt sich Gatterer zum Schutzherrn der Mietwagenunternehmer auf. Die neuen Landesrichtlinien würden diese Betriebe in erhebliche Existenzschwierigkeiten bringen, weil sie riskierten, Aufträge zu verlieren, so der SAD-CEO. Der Hintergrund dieser Verteidigungsmanövers dürfte weniger Edelmut als vielmehr Eigennutz sein, wie auch salto.bz berichtete.

Gut ein Jahr später sind es Gatterer und seine SAD selbst, die die Existenz der kleinen Mietwagenunternehmen aufs Spiel setzen. Dass die Befürchtungen beim KSM letzthin gestiegen sind, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass man sich Mitte November für einen territorialen Kollektivvertrag im Personentransport ausspricht.
Für ein solches Landeszusatzabkommen machen sich seit Langem die Gewerkschaften der SAD-Bediensteten stark. Auch die Landesregierung drängt auf den Abschluss eines solchen Kollektivvertrages – an den sich sämtliche Dienstleister, die bei der Neuausschreibung der Überlandslinien im kommenden Jahr zum Zuge kommen, halten müssten. Doch die SAD-Betriebsführung habe sich bislang quergestellt, klagen die Gewerkschaften. “Was sollen wir tun, wenn die andere Seite sich nicht mit uns an einen Tisch setzen will?”, fragt sich nicht nur ASGB-Gewerkschafter Richard Goller. Für ihn bleibt der Streik derzeit die einzige Lösung.

 

Ausgeliefert?

Einen Streik hat der KSM-Präsident und Obmann der Berufsgemeinschaft der Mietwagenunternehmer im lvh, Martin Plattner, stets ausgeschlossen. “Egal um welche Probleme oder Schwierigkeiten es geht, es gibt alternative Wege, um diese aufzuzeigen, zu diskutieren und schlussendlich zu lösen”, so Plattners Credo. Doch jetzt stehen viele bisherige kleine Sub-Konzessionäre ohne Aufträge da – und “wir und unsere Familien sprichwörtlich vor dem Nichts”, wie sie am Mittwoch sagen.

Bereits eine Woche zuvor spricht Plattner als KSM-Präsident mit Arno Kompatscher. Plattner wendet sich direkt an den Landeshauptmann, um auf die schwierige Situation der Mietwagenunternehmen aufmerksam zu machen. “Einige wenige von der SAD ausgewählte Unternehmen” würden nun anstelle der von der SAD abgefertigten Betriebe die Fahrten abdecken. Diese Unternehmen würden dabei teils auf Fahrer zurückgreifen, die die Gegebenheiten vor Ort nicht kennen. So die Botschaft der KSM-Delegation.

Was aber kann die Politik für die Mietwagenunternehmer tun? Die Hoffnungen der SAD-Angestellten und ihrer Gewerkschaften musste Landeshauptmann Kompatscher bereits mehrmals bremsen. In die Auseinandersetzungen zwischen einem Privatunternehmen wie es die SAD sei und deren Mitarbeiter könne die Landesregierung nicht intervenieren. Das stellt der Landeshauptmann auch im Gespräch mit der KSM-Delegation am Mittwoch klar: Die SAD sei kein Landesbetrieb, das Land halte weder direkt noch indirekt Beteiligungen an ihr und zudem habe dieses – zu 100 Prozent private – Unternehmen eine bis Ende 2018 gültige Konzession. “Das Land hat somit keinen Einfluss darauf, an wen die SAD Aufträge vergibt und an wen nicht.”

 

Inzwischen wachsam

Völlig machtlos ist das Land aber doch nicht. “Wir werden sehr wohl darüber wachen, dass alle Vergaben unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt. Bei Abweichungen werden wir unverzüglich entsprechende Maßnahmen ergreifen”, lässt sich der Landeshauptmann zitieren. Außerdem habe er den Auftrag gegeben, zu prüfen, ob es möglich ist, die Mietwagenunternehmer mithilfe einer Zwischenfinanzirung über die Garantiegenossenschaft Garfidi zu unterstützen.
Zugleich macht Arno Kompatscher unmissverständlich klar, dass das Gebaren der SAD wohl nicht ohne Folgen bleiben wird. Just am selben Tag als er sich mit den Mietwagenunternehmern trifft, wird bekannt, dass der Schlichtungsversuch im Streit zwischen SAD und den Gewerkschaften, die gegen sie vor das Arbeitsgericht gezogen sind, gescheitert ist. Der Rechtsstreit geht weiter.
“Mit großer Besorgnis” sehe er die Entwicklung der vergangenen Monate und die sich wiederholenden SAD-Streiks, so Kompatscher.

“Unsere Familienbetriebe sind eine wichtige Säule der Wirtschaft und der Gesellschaft. Die Förder- und Steuerpolitik des Landes ist darauf ausgerichtet, sie zu unterstützen. Es ist deshalb bedenklich, wenn andere Wirtschaftsteilnehmer den Wert dieser Betriebe nicht erkennen und die Zielsetzungen der Landesregierung nicht teilen.”
(Landeshauptmann Arno Kompatscher)

Das Land werde die Chance der Konzessions-Neuvergabe ergreifen, “um den Fehlentwicklungen der vergangenen Monate, wie beispielsweise die Aufkündigung sämtlicher Betriebsabkommen und Zusatzverträge vonseiten der SAD und die damit einhergehenden Lohnkürzungen, zu korrigieren”, schreibt die Landespresseagentur.
Arno Kompatscher dazu: “Wir werden die Neuausschreibung der Dienste auf jeden Fall so gestalten, dass das öffentliche Interesse, also die Interessen der Benutzer sowie jene der Angestellten der öffentlichen Nahverkehrsdienste, gewahrt und im maximalen Ausmaß befriedigt werden und nicht das Interesse eines einzelnen privaten Unternehmens”, so Kompatscher. “Eine Monopolisierung im öffentlichen Nahverkehr muss vermieden werden.”