Politik | Digitalisierung

"Noch viele, viele Fragen"

Nach der Anhörung zum EDV-Masterplan für die Sanität ging der Landtag am Vormittag zur Abstimmung über Paul Köllenspergers Antrag über. Dieser bleibt perplex zurück.

“Das wäre doch nicht zu viel verlangt gewesen”, wiederholt ein perplexer Paul Köllensperger mehrere Male am Donnerstag Mittag. Kurz zuvor hat der Landtag über seinen Antrag zur Digitalisierung des Gesundheitswesens abgestimmt. Auf Bitte einiger Abgeordneter hin war diese auf nach die Anhörung zum EDV-Masterplan für die Sanität am Donnerstag Morgen verschoben worden. Während das Plenum der einen Forderung des Oppositionspolitikers und IT-Experten Köllensperger stattgibt, bleibt ihm die Umsetzung der anderen verwehrt.

Im Eilverfahren hatte er seinen anfänglichen Beschlussantrag mittels Abänderungsantrag überarbeitet. Auch, weil aus der morgendlichen Anhörung hervorging, dass die Bewertung des Trentiner Systems bereits vorgenommen worden sei. Dies hatte der 5-Sterne-Abgeordnete in seinem ursprünglichen Antrag verlangt. In Punkt 1 seines Abänderungsantrags forderte Köllensperger dann, dass die entsprechenden Bewertungsdaten zur Verfügung gestellt werden sollten. In Punkt 2 hingegen verlangte er, dass die Resultate dieser Bewertung von einem unabhängigen Experten analysiert werden sollten, der “in keiner Beziehung zur SAIM, zu früheren, aktuellen oder künftigen Lieferanten steht”. Denn Paul Köllensperger hat Zweifel angemeldet, ob der Unabhängigkeit der vom Sanitätsbetrieb beauftragten Experten Paolo Locatelli und Massimo Mangia. Die zwei hatten insgesamt vier Varianten für das neue IT-System des Südtiroler Sanitätsbetriebs zu überprüfen – darunter auch jene der Übernahme des Trentiner Systems. Doch die Entscheidung fiel schließlich auf Variante 4. Diese sieht die Beauftragung der SAIM GmbH mit der Ausarbeitung der einheitlichen Patientenakte vor. Das sei die “einfachste und schnellste Variante”, so die Begründung der Experten. Dazu die Zusicherung, man werde die SAIM-Führung austauschen und dem Unternehmen einen “klaren Auftrag” erteilen.


Die zwei Experten und die SAIM

Paul Köllensperger reicht das nicht. Er hat Unstimmigkeiten bemerkt. In der Ausgabe vom vergangenen 17. Dezember hatte ff-Redakteur Karl Hinterwaldner die Frage aufgeworfen, “wie unabhängig die beiden ‘externen, unabhängigen’ Experten wirklich sind”. So ist Paolo Locatelli etwa am Politecnico in Mailand tätig, wo er sich vor allem mit IT im Sanitätswesen beschäftigt. Als er im Frühjahr 2014 auf einer Tagung eine fachbezogene Studie präsentiert, scheint unter “Förderern und Sponsoren” das Unternehmen Insiel Mercato AG auf. Das Unternehmen mit Sitz in Triest ist auf Softwarelösungen im Sanitätsbereich spezialisiert und mit 49 Prozent an der Südtirol Alto Adige Informatik und Medizin GmbH, kurz SAIM, beteiligt (die restlichen 51 Prozent hält der Südtiroler Sanitätsbetrieb). Jener SAIM, die vor inzwischen knapp zwölf Jahren den Auftrag und seither 7,5 Millionen Euro erhalten hat, um das Südtiroler Gesundheitswesen zu informatisieren. Daran ist man bekanntlich großartig gescheitert. “Heute, elf Jahre und viele Millionen später, gibt es nur einen Begriff, um den Zustand der Informatik im Gesundheitsbetrieb und die Vernetzung der Strukturen und der Ärzte zu beschreiben: eine Katastrophe”, brachte es Paul Köllensperger vor einem Monat auf den Punkt.

Wir haben seit elf Jahren einen Betrieb, der 7,5 Millionen Euro erhalten hat und es verbockt hat. Jetzt gebe ich ihm noch einmal 7,5 Millionen, um weiterzuwurschteln, mit der Aussage er macht ab jetzt alles besser?
(Paul Köllensperger)

Am heutigen Donnerstag Vormittag erinnert der 5-Sterne-Politiker im Landtag an einen weiteren kritischen Punkt. Der von Sabes-Generaldirektor Thomas Schael als einer der beiden “externen” und “unabhängigen” Experten präsentierte Massimo Mangia weist eine offensichtliche Verbindung zur SAIM auf. Mangia – vom Sanitätsbetrieb in seiner Funktion als Verantwortlicher für e-Health bei Federsanità-ANCI herangezogene Fachmann – ist Mitglied und ehemaliger Präsident der HL7 Italia. Zu den wichtigsten Mitgliedern dieser Organisation, die sich den Auftrag gegeben hat, das Sanitätswesen sowie dessen EDV-Systeme an internationale Standards anzugleichen, gehört: Insiel Mercato AG. Damit schließt sich der Kreis. So die detaillierte Darstellung der Verflechtungen der beiden Gutachter – bei denen etwa der SVP-Landtagsabgeordnete Oswald Schiefer “die Neutralität durchaus gegeben” sieht –, in der ff.


Unabhängiger geht's immer

Aufmerksam hat Paul Köllensperger die entsprechende Ausgabe des Wochenmagazins gelesen und daraufhin seine Forderung nach der Einholung einer zweiten Meinung formuliert. Dass die Mehrheit im Landtag nun nur den ersten Punkt angenommen und den zweiten mit der Begründung, die Experten seien bereits “das Beste vom Besten” und “so unabhängig, dass es unabhängiger nicht geht”, versenkt habe, sieht Köllensperger mit Skepsis.

“Es wäre meiner Ansicht nach nicht zu viel verlangt gewesen, eine zweite Meinung einzuholen”, sagt er. Aus dreierlei Gründen: Die erwähnten Verflechtungen seien laut Köllensperger für den italienischen Informatiksektor für Sanitätsbetriebe durchaus nicht unüblich. Und doch hätte eine zweite Meinung “nicht uninteressant” sein können. “Nicht etwa weil man denkt, dass jemand bestochen worden sein könnte” – so weit müsse man laut dem Oppositionspolitiker gar nicht gehen. “Sondern weil es einfach um wahnsinnig viel Geld geht.” Bekanntlich sollen im Zeitraum 2016–2018 insgesamt 75 Millionen Euro für die Digitalisierung des Sanitätswesens zur Verfügung gestellt werden: 30 Millionen Euro an Investitionskosten und 14 Millionen an laufenden Kosten jährlich. Zum zweiten sei die Entscheidung, die man heute treffe morgen schwer reversibel. Dazu der Landtagsabgeordnete: “Wenn man das Trentiner System jetzt nicht nimmt, ist es für uns gestorben.” Und drittens hätte man genügend Zeit gehabt, noch einmal jemanden über die Analysen drüber schauen zu lassen – “die Entscheidung wird ja erst im März getroffen”, so Köllensperger.


Paul fragt weiter

Die Ereignisse des heutigen Tages lassen den 5-Sterne-Abgeordneten mit “vielen, vielen Fragen” und nicht ausgeräumten Zweifeln zurück. So seien viele Aussagen bei den am Vormittag präsentierten Analysen und Diagrammen “schon zu hinterfragen”. Man könne etwa nicht nachvollziehen, auf Basis welcher Unterlagen die Bewertung durchgeführt wurde und wie die Experten zu gewissen Schlussfolgerungen gekommen seien. Aufschluss darüber werden Köllensperger die entsprechenden Daten, die als Grundlage der Bewertung gedient haben, und nun dank seines Antrags ausgehändigt werden, geben können.

Die Anhörung hat recht unabhängig geklungen.
(Dieter Steger, SVP)

Alles in allem sieht sich Köllensperger aber in seiner Meinung und seinem anfänglichen Verdacht bestätigt, dass die Option der Übernahme des Trentiner Systems unter den Verantwortlichen von vornherein eine war, “die sie mehr gestört als sonst was hat”. “Der Beigeschmack, den die Masterplan-Präsentation bei mir hinterlässt ist jener, dass man sie so schnell gemacht hat, um irgendwie wissenschaftlich oder objektiv diese Ablehnung zu untermauern”, schildert Köllensperger sein Fazit. Und betont: “Es ist ja nicht so, dass der Landtag das Informatiksystem des Gesundheitsbetriebs aussuchen soll – dabei handelt es sich um eine rein betriebliche Entscheidung. Aber dass ein Oppositionspolitiker, wenn es um so viel Geld geht, verlangt, dass die Verwendung von Steuergeldern sehr sachlich und fundiert analysiert wird, gerade weil man die Übernahme des Systems unserer Nachbarn auch als Alternative hat, ist schon gerechtfertigt.”

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Sebastian Felderer Do., 14.01.2016 - 19:04

Bravo Paul! Genau das ist die Aufgabe der Opposition, wenn es der Regierung nicht am Herzen liegt, bei zukünftigen Ausgaben sparsamer umzugehen. 75 Millionen Euro für den neuerlichen Ausbau der EDV, die eigentlich schon funktionieren müsste, sind ein Schlag ins Gesicht für alle, die seit Jahren für die Erhaltung der Krankenhäuser in der Peripherie kämpfen.

Do., 14.01.2016 - 19:04 Permalink
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Heinrich Tischler Do., 14.01.2016 - 21:42

In den Nachrichten hat man ja gehört, dass der Vertrag mit der SAIM 30 Jahre lang geht, das wird wohl der Hauptgrund sein für die Entscheidung. Was wären die Konsequenzen, wenn man trotzdem aussteigen wollte, noch mehr Geld in den Sand gesetzt? Wer ist oder war denn für den Abschluss dieses Vertrags verantwortlich?

Do., 14.01.2016 - 21:42 Permalink
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Alfonse Zanardi Do., 14.01.2016 - 21:50

"Dieser bleibt perplex zurück."
Wunderschöner Italo-Germanismus Südtiroler Prägung.
Meiner Meinung ist aber das "zurück" nicht ganz korrekt. Richtig sollte es schlicht heissen: "Dieser jedoch blieb perplex." im Sinne von "Lui ne rimase perplesso."

Do., 14.01.2016 - 21:50 Permalink