Politik | salto Gespräch

“In Venezuela droht ein zweites Vietnam”

Der Konfliktforscher Kurt Gritsch analysiert den äußerst komplexen Konflikt in Venezuela, warnt eindrücklich vor Schwarz-Weiß-Malerei – und zeigt mögliche Lösungen auf.
Kurt Gritsch
Foto: Südtiroler Kulturinistitut

Um den Konflikt in Venezuela zu analysieren, zieht Kurt Gritsch gerne Tulio Hernández heran. In einem Interview mit dem österreichischen Standard hat der venezolanische Soziologe den Machtkampf, der in dem südamerikanischen Land tobt, mit einem Schachspiel verglichen, das auf mehreren Brettern gleichzeitig gespielt wird. “Hernández nennt den nationalen Konflikt, die regionalpolitischen Auswirkungen, die Rolle der venezolanischen Militärs und die geopolitische Dimension mit den USA, der EU, China und Russland. Das eine spielt in das andere hinein, es lässt sich nicht voneinander trennen”, fasst Gritsch zusammen. Der Konfliktforscher und Zeithistoriker mit Meraner Wurzeln analysiert die äußerst komplexe Situation in Venezuela – und warnt eindrücklich vor Schwarz-Weiß-Malerei.

salto.bz: Herr Gritsch, welche Konfliktparteien stehen sich in Venezuela gegenüber?

Kurt Gritsch: Einmal der bei den letzten Präsidentschaftswahlen unter fragwürdigen Umständen wiedergewählte Nicolás Maduro, der als Nachfolger des Sozialisten Hugo Chávez für eine linksgerichtete Politik der Verteilung steht. Und dann sein Herausforderer Juan Guaidó, vom Parlament ernannter Interimspräsident. Maduro steht zugleich für die Regierung, der vorgeworfen wird, zunehmend diktatorisch zu herrschen, und Guaidó für die parlamentarische Opposition. Es ist also auch ein typischer Kampf Regierung gegen Opposition.

Aber nicht nur?

Was natürlich noch hinzu kommt, ist die außenpolitische Komponente, wenn die USA und manche EU-Staaten Guaidó unterstützen, während Russland, China oder die Türkei, aber auch viele andere Länder wie Nicaragua oder Südafrika, Maduro weiterhin als Präsidenten sehen.

Der Machtkampf in dem Land mit dem größten bekannten Erdölvorkommen weltweit läuft nicht erst seit gestern. Warum ist er gerade jetzt offen ausgebrochen?

Das hängt damit zusammen, dass die wirtschaftlichen Probleme über die Jahre größer geworden, die Auslandsschulden Venezuelas gestiegen und die noch unter Chávez relativ großzügig geflossenen Sozialleistungen und Unterstützungen für Ärmere weniger geworden sind. Versorgungsengpässe und Inflation gefährden die Grundversorgung. Das hat einerseits das Frustrationspotential in der Bevölkerung erhöht, andererseits gab es den Gegnern des sozialistischen Regimes scheinbar recht in ihrer Behauptung, die linke Politik sei gescheitert und müsse dringend durch eine rechte, marktliberale, korrigiert werden. Die Situation ist in den vergangenen Monaten zunehmend eskaliert, die Opposition sieht sich ihrem Ziel der Machtübernahme näher und hat daher auch die Mittel in diesen Kampf verstärkt. Selbiges gilt für den Hauptunterstützer Guaidós, die USA, die sich in den vergangenen Monaten fast am Ziel wähnten.

In Venezuela geht es gewissermaßen um eine neokoloniale oder neoimperiale Agenda, um eine Art Great Game 2.0.

Die Verstaatlichung der Erdölindustrie unter Chávez, der Venezuela von 1998 bis zu seinem Tod 2013 regiert hat, hat dem Land mittel- und langfristig nicht den versprochenen Wohlstand gebracht. Das Land befindet sich heute in einer äußerst prekären wirtschaftlichen, sozialen und nun auch politischen Situation. Ist die Verantwortung einzig bei staatlicher sozialistischer Misswirtschaft und Korruption zu suchen?

Vorausgeschickt: Es ist die politische Aufgabe einer Regierung, Ressourcen zu verwalten und Entwicklung zu ermöglichen, und es ist gleichzeitig die Aufgabe der Opposition, diese Regierungsarbeit kritisch zu begleiten. Insofern ist es nur naheliegend, dass die parlamentarischen Gegner Maduros den Präsidenten für die negative Entwicklung verantwortlich machen. Zugleich muss man aber auch auf die Möglichkeiten schauen, die Chávez und Maduro zur Verfügung standen. Auch die sozialistischen Regierungen haben eine teilweise Politik der Marktöffnung umgesetzt und ausländische Investoren an den Staatsunternehmen beteiligt, so z. B. den russischen Ölkonzern Rosneft. China ist der größte öffentliche Gläubiger des Landes und lässt sich schon länger in Öl bezahlen, und die Staatsanleihen sind hauptsächlich in Besitz US-amerikanischer Investoren. So hat Venezuela bis 2018 rund 150 Milliarden Dollar an Auslandsschulden angehäuft, und die Gläubiger wollen nun ihr Geld bzw., wie im Fall Chinas, direkt das Öl.
Nur weil die Opposition berechtigte Kritik äußert, bedeutet dies nun aber nicht, dass sie es an der Stelle des Präsidenten besser gemacht hätte.

Weil man Venezuela nicht losgelöst vom internationalen Kontext betrachten kann?

Nachdem die linke venezolanische Regierung Staaten wie Russland und China den USA teilweise als Wirtschaftspartner vorgezogen hat – Russland liefert z. B. rund drei Viertel aller Rüstungsgüter –, haben die größten westlichen Wirtschaftsmächte mit Sanktionen reagiert. Wenn ein Land aber mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt wird, könnte es auch eine wirtschaftsliberale Opposition nicht wirklich besser machen. Wirtschaftssanktionen sind Mittel eines Krieges. Sie schränken die Spielräume ein, sodass keine Art der Regierung mehr über ausreichend Möglichkeiten verfügt. Das ist aber auch das Ziel von Sanktionen: Ein Land dermaßen in eine Ecke zu drängen, dass es nur noch unter gewaltigen Konzessionen wieder hervorkommen, also auf eigenen Beinen stehen kann. Doch nicht nur westliche Sanktionen, auch chinesischer Druck machen der venezolanischen Wirtschaft zu schaffen.

Vor dem Hintergrund, dass im Erdöl-Land Venezuela mächtige, kontroverse Wirtschaftsinteressen aus dem Ausland aufeinander prallen: Eine neue Regierung würde nicht automatisch eine Verbesserung der Wirtschaftssituation bedeuten?

Nein. Auch bei einer friedlichen Machtübernahme der Opposition oder eines durch US-amerikanische Unterstützung erreichten Regime-Changes sind von einer neuen rechts-konservativen und/oder wirtschaftsliberalen Regierung keine Wunder zu erwarten.

Caracas braucht diplomatische Unterstützung, keine militärische Intervention, und es braucht einen friedlichen Kompromiss und kein “Maduro oder Guaidó”.

Nichtsdestotrotz: Nicolás Maduro wird vom Westen als Autokrat, Diktator und Usurpator dargestellt, der nach den Wahlen im Mai 2018 unrechtmäßig das Amt des Präsidenten bekleidet. Wer gegen Juan Guaidó ist, ist für Nicolás Maduro – greift die These zu kurz?

Ja, sie greift zu kurz, weil sie den Machtkampf aus seinem Kontext löst. Maduro ist in der Nachfolge von Hugo Chávez 2013 zum Präsidenten gewählt worden, als Usurpator müsste eher Juan Guaidó bezeichnet werden. Aber auch das wäre nur eine vereinfachte Darstellung.

Weshalb?

Weil es in Venezuela auch um einen politischen Richtungskampf zwischen links und rechts geht, zwischen staatlichem Interventionismus und neoliberaler Privatisierung, und nicht zuletzt um den geopolitischen Kampf der Großmächte um Bündnispartner, Finanzpolitik und Erdöl. Also gewissermaßen um eine neokoloniale oder neoimperiale Agenda, um eine Art Great Game 2.0, und in diesem “Spiel” stilisieren die Westmächte Juan Guaidó zum demokratischen Hoffnungsträger und Nicolás Maduro zum Diktator, ebenso wie Russland, China, Kuba, Nicaragua und andere Maduro propagandistisch zum demokratischen Präsidenten erheben und Guaidó zum Usurpator erklären. Jede Seite – innenpolitisch wie außenpolitisch – folgt hier ihrer propagandistischen Logik und stilisiert sich bzw. den eigenen Kandidaten zum Guten und den Gegner zum Bösewicht.
Die These, wer gegen Juan Guaidó ist, der sei für Nicolás Maduro, greift aber auch noch aus einem anderen Grund zu kurz. Damit wird suggeriert, Guaidós Kritiker favorisierten einen sozialistischen Autokraten und nähmen wirtschaftliches und soziales Elend von Millionen von Venezolanerinnen und Venezolanern in Kauf, nur, um ihre eigene Weltanschauung rechtzufertigen. Es ist die alte dichotomische Zuschreibung vom Entweder-Oder, das beliebte Spiel der Propaganda in Schwarz-Weiß.

Mit Schwarz-Weiß-Malerei wird der Konflikt nicht zu lösen sein?

Die Friedensforschung zeigt, dass es in jedem Konflikt immer auch Alternativen gibt, dass mindestens noch ein dritter Weg existiert, ein tertium datur. Im konkreten Fall bedeutet dies einen Kompromiss zwischen Regierung und Opposition, aber auch zwischen den Großmächten, sodass die Eskalation beendet werden kann und Venezuela mit ausländischer Hilfe Schritte aus der Wirtschaftskrise findet.

In einer jüngst erschienenen Analyse des Konflikts schreiben Sie: “Die USA und viele EU-Staaten ersetzen nun einen wenig demokratisch legitimierten Präsidenten durch einen nicht demokratisch legitimierten”. Guaidó beruft sich auf die venezolanische Verfassung, laut der der Parlamentspräsident vorübergehend Exekutivgewalt ausüben kann, wenn es keinen rechtmäßig gewählten Präsidenten gibt. Damit ist seine Legitimation doch gegeben, oder?

Das ist nicht so einfach. 2013 wurde Maduro zum Präsidenten gewählt. 2015 hat die Opposition die Parlamentswahlen gewonnen und eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht, diese aber durch die Aufhebung der Wahl von vier Abgeordneten – drei davon Oppositionelle – durch den Obersten Gerichtshof wieder verloren. Das Parlament nahm den Machtkampf gegen Maduro trotzdem auf und erklärte ihn am 9. Januar 2017 unter Bezugnahme auf die Verfassung für abgesetzt. Begründet wurde dies damit, dass er sein Amt nicht ausführe. Am 29. März hob dann der leider nicht unparteiische Oberste Gerichtshof die Immunität aller Parlamentarier auf, machte dies drei Tage später unter internationalem Druck aber wieder rückgängig. Im Mai 2017 berief die Regierung eine Verfassungsgebende Versammlung ein, allerdings ohne vorheriges landesweites Referendum – was verfassungswidrig war. Bei den Wahlen zu dieser Versammlung Ende Juli gingen zwei Drittel an Vertreter der Gemeinden, unabhängig von der Größe. Dadurch erhielten ländliche, chávistisch geprägte Gebiete überproportionalen Einfluss. Die Opposition sprach von Wahlbetrug.

Es folgte die Entmachtung des Parlaments durch die Verfassungsgebende Versammlung.

Fakt ist, dass das ordentliche Parlament durch die neue Versammlung zwar nicht aufgelöst, aber doch seiner wesentlichen Kompetenzen beraubt worden ist. Im Mai 2018 fanden dann die letzten Präsidentschaftswahlen statt, aus denen Maduro – wenig überraschend – als Sieger hervorging. Die größte Oppositionspartei boykottierte die Wahlen, sodass die ebenfalls stattgefundenen Wahlmanipulationen nicht einmal unbedingt entscheidend waren. Die Opposition begründete ihre Nicht-Beteiligung mit der fehlenden Legitimation der Verfassungsgebenden Versammlung, die die Wahlen vorbereitet hatte. Das ist formal zutreffend, gleichzeitig erwies sich der Boykott – insbesondere im Ausland – als taktisch kluger Schachzug.

Weshalb ist Maduro demokratisch mehr legitimiert als Guaidó?

Geht man davon aus, dass die letzte Wahl 2018 eine Folge der nicht verfassungskonform einberufenen Verfassungsgebenden Versammlung ist, so ist Maduros Legitimation wacklig. Gleichzeitig kann aber Juan Guaidó keine ausreichende Legitimation für sich geltend machen, weil die Begründung, den Präsidenten wegen Amtsuntätigkeit zu ersetzen, auf tönernen Füßen steht. Theoretisch ist die Herrschaftsrechtfertigung von Nicolás Maduro hier, so fragwürdig ihre Aufrechterhaltung erscheint, demokratisch immer noch besser abgesichert als jene von Guaidó. Praktisch ist hier ein Machtkampf zu beobachten, bei dem beide Seiten mit schmutzigen Tricks arbeiten und die Wahrheit für sich beanspruchen.

Was bedeutet es, wenn ausländische Staaten einen selbst erklärten Interimspräsidenten anerkennen? Welche Konsequenzen – politischer, diplomatischer, eventuell auch wirtschaftlicher und rechtlicher Natur – hat eine solche Anerkennung?

Im Völkerrecht gilt, dass immer ein Höchstmaß an Legitimität gewährleistet sein muss, egal, unter welchen Umständen. Das bedeutet, dass ich einen wenig legitimierten Herrscher einem weniger legitimierten vorziehen muss. Das ist keine Frage von Sympathie, sondern von Recht. Nun ist die völkerrechtliche Theorie das eine, die politische Praxis das andere. Das heißt, ein politischer Vertreter eines Landes muss auch über die konkrete Macht im Land verfügen, sonst führt die Anerkennung nicht zum erhofften Ziel. Denn die Folgen sind weitreichend – der anerkannte Präsident muss die Einhaltung von Verträgen garantieren können, auf die eine wirtschaftliche Kooperation angewiesen ist. Hier wird mitunter der Praxis politischer Macht der Vorrang vor der völkerrechtlichen Theorie gegeben, was einerseits nachvollziehbar ist, andererseits aber großen Schaden anrichtet, weil dadurch eine im schlimmsten Fall globale Rechtsunsicherheit entsteht.
Wohin dies führt, hat man am Beispiel Syrien gesehen: Dort galt der Rücktritt Baschar al-Assads für die NATO-Staaten lange Zeit als Conditio sine qua non für Verhandlungen. Diese Forderung erwies sich jedoch als überzogen. Assad hat, unterstützt durch Russland, die konkrete Macht nie in einem Ausmaß eingebüßt, dass eine Opposition als Ansprechpartner mehr Garantien zur Umsetzung von Ausgehandeltem hätte geben können. Also hat der Westen seine Politik stillschweigend korrigiert. Niemand stellt derzeit Assad mehr in Frage. Und das hat nichts damit zu tun, wie man die Politik Assads beurteilen muss – sie ist durchaus kritisch zu sehen. Aber das spielt keine Rolle mehr, da er de facto einfach die größte Macht auf sich vereint. Alles, was man erreicht hat, ist Bürgerkrieg mit ausländischer Einmischung, also einen Stellvertreterkrieg. Dies ist auch für Venezuela das Worst-Case-Szenario.

Welche Rolle spielt das Militär in dem Konflikt in Venezuela?

Das Militär spielt eine entscheidende Rolle, weil es die Macht de facto besitzt. Es entscheidet darüber, wer von den beiden Kontrahenten das Rennen macht, indem es entweder weiterhin Maduro stützt oder sich auf Guaidós Seite stellt. Problematisch ist, dass es in Venezuela nicht nur eine sehr hohe Anzahl an Generälen gibt, sondern dass diese mit ihrer Truppe meist auch ein bestimmtes Geschäft kontrollieren, z. B. Drogen, Schmuggel oder Gold. Bewaffnete Guerillagruppen wie die marxistische kolumbianische ELN (Ejército de Liberación Nacional, dt. Nationale Befreiungsarmee), konservativ-reaktionäre Milizen aus dem kolumbianischen Bürgerkrieg, lokale Mafiagruppen – sie alle mischen in diesem Umfeld mit. Das macht die Situation so explosiv. Entscheidend für die politische Situation in Venezuela wird sein, dass die Armee geschlossen bleibt und entweder Maduro oder Guaidó stützt. Eine Aufspaltung würde unweigerlich zum Bürgerkrieg führen, ähnlich wie eine ausländische Militärintervention.

Hier ist ein Machtkampf zu beobachten, bei dem beide Seiten mit schmutzigen Tricks arbeiten und die Wahrheit für sich beanspruchen.

Innerstaatliche Konflikte, die ausländische Großmächte – aufgrund unterschiedlichster Interessen – auf den Plan rufen, ziehen sich durch das gesamte 20. und das junge 21. Jahrhundert. Zeigen sich in Venezuela Parallelen zu anderen Konflikten der jüngeren Geschichte?

Drei Beispiele, zu denen es sowohl Parallelen als auch Unterschiede gibt, drängen sich auf. Sie können auch zeigen, in welche Richtung der Machtkampf in Venezuela weitergehen könnte. Das erste Beispiel ist die Ukraine, der Euro-Maidan. Auch da war ein Machtkampf zwischen der russlandfreundlichen Regierung um Präsident Wiktor Janukowytsch und dem NATO-freundlichen Flügel im Parlament eskaliert. Der von den USA favorisierte Oppositionsführer im Parlament, Arsenij Jazenjuk, gewann letzten Endes den Machtkampf dank ausländischer Unterstützung, worauf Präsident Janukowytsch nach Russland floh und Jazenjuk am 27. Februar 2014 vom Parlament zum Ministerpräsidenten der Übergangsregierung ernannt wurde.

Was hat die westliche Unterstützung einer Seite im ukrainischen Machtkampf dem Land beschert?

Die Antworten sind unerfreulich: Die wirtschaftlichen Probleme sind weiterhin ungelöst, und die NATO-Unterstützung der ukrainischen Regierung, fortgeführt unter dem Milliardär und neuen Präsidenten Pedro Poroschenko, hat die russische Besetzung der Krim und die Unterstützung der ostukrainischen Paramilitärs durch Moskau provoziert. Die Entwicklung in der Ukraine hat klargemacht, dass sich eine schlechte Situation durch einseitige Unterstützung in einem Machtkampf zum Bürgerkrieg ausweiten und sich dadurch noch weiter verschlechtern kann, anstatt sich zu bessern. Seit dem Euro-Maidan ist die Ukraine kein wohlhabenderes, sondern ein ärmeres Land, darüber hinaus durch Krieg gespalten. Die Global Player USA und Russland haben ihren Zwist ein weiteres Mal auf dem Rücken eines Drittlandes ausgetragen.

Sie sprachen von drei Fällen, die mit Venezuela wegen der ein oder anderen Aspekte vergleichbar sind?

Das zweite Beispiel ist, berücksichtigt man vor allem die Aspekte Öl und Militärintervention, der zweite Irak-Krieg von 2003. Auch dort wurde ein Krieg um Ressourcen und Geopolitik von der Interventionsmacht USA als “Kampf gegen einen Diktator” und für Demokratie geführt. Anders als bei Maduro versuchten die USA bei Hussein, ihm Massenvernichtungswaffen anzudichten, und führten den Angriffskrieg unbeschadet der fehlenden Legitimation. Als Saddam Hussein gestürzt war, drängte der IS in das entstandene Machtvakuum, das Land stürzte in einen Bürgerkrieg und zerfiel – wohlgemerkt alles Szenarien, die in den politikwissenschaftlichen Publikationen in den USA seit Ende der 1990er Jahre diskutiert worden waren.
“Divide et impera” ist aber nicht nur ein Konzept, das im Irak angewendet wurde, sondern auch in Libyen 2011, indem Frankreich, Großbritannien und die USA die bewaffnete Opposition gegen Muammar al-Gaddafi militärisch unterstützten und ihr so zum Sieg verhalfen. Auch dort gibt es Ähnlichkeiten zu Venezuela heute – das Öl, der autoritäre sozialistische Führungsstil, aber auch die Gefahr, dass Venezuela ähnlich wie Libyen bei einer ausländischen Militärintervention ebenfalls in Herrschaftsgebiete lokaler Warlords zerfallen könnte. Die Voraussetzungen dafür sind leider gegeben.

Den USA droht in Venezuela aufgrund der militärisch hochexplosiven Lage ein zweites Vietnam.

Vor dem Hintergrund, dass die USA militärische Schritte nicht ausschließen: Wie kann eine Deeskalation gelingen? Kann sie überhaupt gelingen? Oder droht Venezuela Krieg?

Es droht Krieg, aber Deeskalation ist immer möglich. Sie gelingt dann, wenn sich alle Beteiligten der dramatischen Lage besinnen, in die sie geraten sind, und wenn sie erkennen, was sie alles zu verlieren haben. Das betrifft zuallererst die Venezolanerinnen und Venezolaner selbst, deren sozioökonomisch missliche Lage durch einen Bürgerkrieg mit ausländischer Einmischung noch potenziert würde. Aber auch die potentiellen Interventionsstaaten der NATO, allen voran die USA, haben viel zu verlieren, denn Krieg ist für einen Staat, für seine Bevölkerung, für die Steuerzahler, finanziell immer ein Verlustgeschäft – es profitieren ja nur wenige. Krieg ist eine Politik der Umverteilung von vielen zu wenigen.

Militärische Aktionen würden nicht nur Venezuela schaden?

Um es mit einem historischen Vergleich zu sagen: Den USA droht in Venezuela aufgrund der militärisch hochexplosiven Lage ein zweites Vietnam. Darüber hinaus würde eine westlich geführte Militärintervention das Völkerrecht weiter beschädigen und den Konflikt zwischen den USA einerseits und China sowie Russland andererseits noch weiter anheizen. Aber auch die EU stünde vor einer Zerreißprobe, da dort durchaus nicht alle Staaten bereit sind, ihre Interessen jenen der NATO-Führungsmacht USA unterzuordnen.
Es gibt gute Gründe, der Politik Maduros kritisch gegenüberzustehen, aber ihn mittels Regime-Change aus dem Amt zu putschen, birgt die große Gefahr, dass Venezuela ähnlich wie Libyen oder der Irak zum “failed state” wird. Wer jetzt behauptet, für Demokratie, Menschenrechte und eine Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in Venezuela zu sein, der kann sich nur für einen friedlichen, durch Diplomatie erreichten Kompromiss mittels Machtteilung und ganz eindeutig gegen militärische Mittel aussprechen. Alles andere ist, das zeigt die Geschichte, hochgradig unglaubwürdig.

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F. T. So., 17.02.2019 - 11:43

Im Gegensatz zu Guaido, der sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, ist Maduro ein Verbrecher, dem jegliche Legitimation abgeht. Ein potentiell reiches Land und seine Einwohner in die bitterste Not zu stürzen, dass Millionen aus dem Land geflohen sind, täglich tausende sterben weil es keine Medikamente gibt, hungernde Kinder für einen Teller Reis or Nudel stundenlang Schlange sehen müssen, sind nichts anderes als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Da hilft auch nichts wenn man versucht mit Recht und Gesetz zu kommen, und ihn mit wischi waschi beschönigen will. Verbrecher bleibt Verbrecher. Dass er von totalitären Staaten unterstützt wird ist ja der beste Beweis.

So., 17.02.2019 - 11:43 Permalink
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Franz Hilpold Mo., 18.02.2019 - 16:13

Antwort auf von F. T.

Was F.T. schreibt ist absoluter Schmarrn. Venezuela wurde von den Anhängern Guiados ins Elend gestürzt. Guaido, ein Agent der CIA (er wurde während seines Studiums in den USA angeworben und ausgebildet), gehört einer extrem reichen Oberschicht an, die es nicht verträgt, dass die Güter des Landes auch der Unterschicht zukommen. Deshalb wird ständig die rechtmäßige Regierung sabotiert, u.a., mit bezahlten Demonstranten.

Mo., 18.02.2019 - 16:13 Permalink
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19 amet So., 17.02.2019 - 17:56

Es gibt ja auch Leute die an die Chemical trails glauben, und an das was Putin erzählt. Ich glaube aber an das was mir meine Freunde und Verwandten dort erzählen. Wenn Millionen Bürger aus dem Land in die Nachbarländer flüchten weil man für eine wertlose Währung nichts mehr kaufen kann, und die Apotheken geschlossen sind weil sie keine Medikamente mehr haben, dann kommen Nichtswisser und plodern von Propaganda. Sie haben Venezuela nicht einmal auf der Landkarte gesehen und schämen sich nicht die Leiden der Menchen in dem vom Verbrecher Maduro und seiner Räuberbande ruinierten Land als US Propaganda abzutun.

So., 17.02.2019 - 17:56 Permalink
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Franz Hilpold Mo., 18.02.2019 - 16:40

Antwort auf von 19 amet

Es gibt ja offensichtlich auch Leute, die der Verschwörungstheorie der US-Regierung anhängen und glauben, vier afghanische Höhlenbewohner seien in der Lage einen Jumbo in die Zwillingstürme zu lenken, wobei sie das Fliegen in ihren Höhlen auf einem handkurbelbetriebenen Computer mit Hilfe eines Flugsimulators erlernt haben. Und dass Stahl bei 800° C schmilzt.

Mo., 18.02.2019 - 16:40 Permalink
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Martin Daniel Mo., 18.02.2019 - 08:34

Gritsch versucht als Wissenschaftler eine möglichst ausgewogene, sachliche, ja "neutrale" Analyse und verzichtet darauf, Gewichtungen oder politische Wertungen vorzunehmen. Muss Oliver beipflichten: das Land, ja das Volk, das damals Chavez mit weit größeren Mehrheiten als heute Erdogan akklamiert hat, trägt selbst den weitaus größten Anteil an der heutigen Lage. In Aussicht auf das Füllhorn hat es sich entmündigt und alles Chavez'Kaste delegiert. Genauso falsch wie Griechenlands Misere Goldman Sachs in die Schuhe zu schieben, die im Auftrag der Regierung geholfen haben, Staatsbilanzen zu fälschen, ist es hier, die Hauptverantwortung beim bösen Westen zu verorten. In seinem populistischen Verteilungswahn hat bereits Chavez begonnen, das Knowhow für die Erschließung und Gewinnung von Rohöl zu vernachlässigen, fähige Experten im Staatsbetrieb PDVSA wurden durch Günstlinge ersetzt. Schließlich war Venezuela vollkommen auf die Unterstützung westl. Unternehmen angewiesen, während es zugleich alles auf das Öl setzte und die anderen Wirtschaftszweige verkümmern ließ. Nicht einmal Nahrungsmittel vermochte das fruchtbare Land mehr ausreichend herstellen. Dass dann ausländ. Interessen präsent sind, ist ein Faktor, der den Werdegang dieser fatalen Entwicklung nicht verklären kann. Die ersten Sanktionen verhängten die USA vor 4 Jahren, da war schon Vieles intern ruiniert worden, von der Wirtschaft bis zur Demokratie. Leider ist Venezuela eines der diversen Beispiele, wie ein Land in Aufbruchstimmung und mit zunächst guten Vorsätzen abgewirtschaftet werden kann, weil hinter der Umverteilungsfassade Unvermögen, Dilettantismus und Machtkalkül stecken.

Mo., 18.02.2019 - 08:34 Permalink
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Frei Erfunden Mo., 18.02.2019 - 10:21

Aufschlussreicher Artikel, Schwarz-Weiss wäre praktischer und vielleicht für mancheinen Kommentator leichter zu verstehen. Schliesse mich Paul Schöpfers Kommentar an.

Mo., 18.02.2019 - 10:21 Permalink
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19 amet Mo., 18.02.2019 - 10:56

Da wird herumgeklaubt wer nun mehr Legitimation hat, und nach langer Wortklauberei sieht es aus als wäre es Maduro.
Das wäre als ob man Hitler legitimieren würde, weil er von den dummen Deutschen gewählt wurde, und der Stauffenberg wäre der Verbrecher. Die ganzen verstaubten Paragraphen des Völkerrechts interessieren doch heute niemand mehr der nur irgend eine Macht hat. Ukraine, Syrien etc. beweisen es. Und mit salbungsvollen Wünschen auf eine friedliche Teilung der Macht mit einem Verbrecher gibt man doch nur zu in welchem Elfenbeinturm man lebt.

Mo., 18.02.2019 - 10:56 Permalink
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Franz Hilpold Mo., 18.02.2019 - 16:20

Es wäre höchste Zeit, den Verbrecher Guaido wegen Hochverrats festzunehmen und schwer zu bestrafen. Hier wird internationales Recht und Staatsrecht mit Füßen getreten. Die USA haben diese Krise hervorgerufen und einige willfährigen und unterwürfigen Regierungen in Europa sind sofort mit der Anerkennung eines faschistischen Putschisten gefolgt. Der Merkel, stets am Gängelband der USA, gelingt es immer auf der falschen Seite zu stehen.

Mo., 18.02.2019 - 16:20 Permalink
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Peter Gasser Mo., 18.02.2019 - 17:57

Antwort auf von Franz Hilpold

Weder ist Guaido ein Verbrecher oder Hochverräter, noch haben die USA diese Krise hervorgerufen.
Faschistoid ist die Selbstbedienungs-Familientyrannei, welche bereits der Chavez-Clan aufgebaut hatte.
Venezuela ist systematisch an die Wand gefahren worden, höchste Mord- und höchste Korruptionsrate weltweit.
Und Schuld immer die anderen. Das ist ätzend.

Mo., 18.02.2019 - 17:57 Permalink
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Franz Hilpold Mo., 18.02.2019 - 16:25

Übrigens ein hervorragendes Interview, ein Kompliment für Herrn Gritsch und auch für die Interviewerin Lisa Maria Gasser. Nicht wie letzthin bei einem ZDF-Interview Marietta Slomka mit niveaulosen und dummen Fragen, geprägt von neoliberalen Propagandalügen, die erwartet dummen Antworten der von der Leyen unterstützt hat. Ein ZDF-Beitrag zum Kotzen.

Mo., 18.02.2019 - 16:25 Permalink
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19 amet Mo., 18.02.2019 - 17:13

Wie schön dass es Leute gibt die so in ihrer erfundenen Welt gefangen sind, dass sie jede Realität ablehnen können. Für die seit Jahren andauernde Hungersnot, Misswirtschaft und den Bankrott Venezuelas sind nicht die genialen Führer Chavez und Maduro verantwortlich, sondern der seit ein paar Monaten agierende US Agent Guaido. Auch die Flugzeuge von 9/11 waren nur im Fernsehen zu sehen, in New York selbst hat sie niemand gesehen.Die Türme wurden von unsichtbaren Agenten gesprengt. Der Armstrong war gar nie auf dem Mond, sondern nur in einem Fernsehstudio. Die perfiden Amerikaner wollen uns durch das berieseln mit Chemikalien aus den Flugzeugen verblöden damit wir ihrem Präsident ebenbürtig werden. Reichts Herr Hilpold ?
Aber sie haben sicherlich noch weitere Verschwörungstheorien auf Lager. Lassen Sie uns teilhaben. Lachen ist gesund.

Mo., 18.02.2019 - 17:13 Permalink
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Klaus Griesser Di., 26.02.2019 - 20:53

Antwort auf von Peter Gasser

Herr Gasser, lesen Sie bitte erst was im Artikel steht, bevor sie recherchieren, von welcher Seite er wohl kommt. Doch davor noch überprüfen Sie bitte lieber den Wahrheitsgehalt: haben die Experten des Bundestages die Einmischung ihrer Regierung als völkerrechtswidrig bezeichnet oder nicht?

Di., 26.02.2019 - 20:53 Permalink
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19 amet Fr., 22.02.2019 - 18:16

Und wen interessiert die Meinung dieser Experten? Diktatoren die ihr Volk ausbluten lassen, stehlen und morden, kann man nicht mit dem vorgestrigen Völkerrecht beikommen. Das eignet sich für akademische Diskussionen fern vom Schützengraben.
Übrigens lache ich nur über die skurrilen Verschwörungstheorien des Hilpold.

Fr., 22.02.2019 - 18:16 Permalink
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Franz Hilpold Sa., 23.02.2019 - 15:54

Auf den alten, ewiggestrigen und und in dummen Kalten-Kriegs-Schemata denkenden 19 Amet gehe ich gar nicht mehr ein, der tut mir bestenfalls leid. Er soll seinen Lebensabend in verkrampftem Gelächter verbringen, vor den Amis kriechend, vor Scham versteckt hinter seinem Pseudnym.

Sa., 23.02.2019 - 15:54 Permalink
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Peter Gasser Sa., 02.03.2019 - 09:14

Spiegel:
„Maduro hat das Militär eng in seinen Machtapparat eingebunden, zum Beispiel indem er die strategisch wichtigen Ministerien überwiegend mit Generälen besetzte: das Ministerium für die Erdölindustrie, das Energie-, das Landwirtschafts- und das Bergbauministerium, die Ressorts Ernährung und Wohnungsbau, das Innenministerium und die Ministerien für Grenzschutz und Verteidigung“.
8 Generäle als Minister... die anderen Minister aus Familien- und Freundesclans.

Sa., 02.03.2019 - 09:14 Permalink