Gesellschaft | Ernährung

Essstörung. Was ist das?

Essstörungen können verschiedene Formen annehmen und jeden und jede treffen. Es handelt sich dabei um ein über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten.
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Foto: (c) unsplash

Laut Cynthia Bulik von der Universität von North Carolina handelt es sich bei Essstörungen „nicht um vorübergehende Phasen. Es sind ernste und möglicherweise lebensbedrohliche [psychische] Störungen, die nach einer [ärztlichen] Behandlung verlangen.“

Essstörungen gehören in der westlichen Gesellschaft zu den häufigsten psychosomatischen Erkrankungen. Sie äußern sich durch ein gestörtes Verhältnis zum Essen und zum eigenen Körper. Es gibt verschiedene Formen, wobei Mischformen häufig und die Übergänge fließend sind. Essstörungen können zu gravierenden gesundheitlichen, seelischen und sozialen Folgen führen. Laut dem Bundesverband für Essstörungen sind „seelisch bedingte Essstörungen [...] mehr als ein Schlankheitstick oder Folge einer Diät. Die Ursache liegt nicht in einer Ernährungsstörung. Die Essstörung ist eine erstzunehmende psychosomatische Krankheit.“

In der jüngeren Vergangenheit haben Essstörungen stark zugenommen. Davon betroffen sind bei weitem nicht nur Frauen, sondern auch Männer und Kinder. Heute ist es wichtiger denn je, für Menschen mit einer Essstörung ein gutes Therapieangebot zu haben.

Eine Essstörung erkennt man nicht zwingen daran, dass jemand zu dünn oder zu dick ist. Trotzdem sind die Essstörungen mit diesen beiden sichtbaren Merkmalen wohl am bekanntesten: Adipositas oder zu Deutsch Fettsucht und Anorexia nervosa oder auch Magersucht genannt. Neben diesen beiden Formen gibt es noch eine ganze Reihe verschiedenster Störungen. In einer Serie von insgesamt vier Artikeln werden wir uns mit Esssucht und Binge-Eating-Störung, Bulimia nervosa, Anorexia nervosa, Anorexia athletica, Orthorexia nervosa und Insulin-Purging befassen.

Es gibt einige Merkmalen, die bei (fast) allen Essstörungen gleich sind:

  1. Die Gedanken kreisen ständig um das Thema Essen, Figur und Gewicht.
  2. Die eigene Stimmung und das eigene Selbstwertgefühl hängen stark von der Waage ab.
  3. Angst vor (weiterer) Gewichtszunahme.
  4. Wenn man lieber alleine, als in Gesellschaft is(s)t. Der Grund für einen Rückzug von der Familie, dem Partner oder den Freunden kann sein, dass so das Umfeld nicht sieht, wie wenig, wie viel oder was und wie man isst.
  5. Wenn man zur Gewichtskontrolle regelmäßige Maßnahmen ergreift, wie in Intervallen extrem langes Hungern, immer wieder eine Diät machen, Einnahme von entwässernden, abführenden oder appetitzügelnden Medikamenten, extrem viel Sport treiben oder selbst herbeigeführtes Erbrechen.
  6. Wenn man Essanfälle hat, in denen unkontrolliert große Mengen an Lebensmitteln gegessen werden (Plündern des Kühlschranks oder das Essen einer ganzen Torte zum Beispiel).

Da nicht selten der Grundstein für eine Essstörung bereits bei Kindern und Jugendlichen gelegt wird, ist die Empfehlung für Eltern mit ihren Kindern grundsätzlich über eine gesunde und vollwertige Ernährung zu sprechen und diese Ernährung den Kindern auch vorzuleben. Es ist viel wichtiger einem Kind zu erklären, dass eine gesunde Ernährung wichtig für einen gesunden Körper, eine besser Entwicklung und für bessere Konzentrationsfähigkeit ist, als ihnen zu sagen, dass ihr Körpergewicht und ihr Körperumfang durch eine gesunde Ernährung reduziert wird.

Besonders wichtig ist es, bereits Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass sie so, wie sie sind, ok sind – egal wie ihre Figur ist, wie ihre Haare oder ihre Leistungen in der Schule sind! Um eine Essstörung erst gar nicht entstehen zu lassen, ist es also wichtig, mit gutem Beispiel voranzugehen und Aussehen und Leistung nicht ständig zu kritisieren, sondern auch zu loben.

 

Wie helfen, wenn man eine Essstörung in der Familie vermutet?

 

Es ist wichtig, dass die betroffene Person von sich aus bereit ist, ärztliche Hilfe zu suchen und anzunehmen. Wenn es sich um eine minderjährige Person handelt, ist es wichtig, die Entscheidung, professionelle Hilfe aufzusuchen, nicht über den Kopf der betroffenen Person zu fällen. Sie muss diesen Schritt mittragen und deshalb auch in die Entscheidung aktiv einbezogen werden.

Der erste Schritt für Angehörige (Eltern, Partner, Freunde) ist immer hinsehen und handeln! Wenn sich Angehörige nicht sicher sind, können sie sich vorab bei Ärzten oder Beratungsstellen informieren.

 

Jede Essstörung bedarf professioneller Hilfe!

 

Sucht die betroffene Person ein Gespräch, weisen Sie sie nicht zurück! Nehmen Sie sich die Zeit, wenn der/ die Betroffene bereit ist, zu reden! Oftmals fällt es leichter im Alltag nebenbei etwas zu fragen oder zu erzählen. Sollte tatsächlich gerade ein Gespräch nicht möglich sein, bieten Sie einen Zeitpunkt an, an dem Sie das gesuchte Gespräch fortführen können.

Wollen oder müssen Sie den ersten Schritt machen, um die Person auf eine (mögliche) Essstörung anzusprechen, wählen Sie einen ruhigen Zeitpunkt und versuchen Sie das Thema ohne Wertung, Emotionen und vor allem ohne Vorwürfe anzusprechen. Versuchen Sie in dem Gespräch das anzusprechen, was Sie aus Ihrer Wahrnehmung beobachten und sprechen Sie Ihre Sorgen an.

 

Bieten Sie Hilfe an!

 

Oft wird diese in einem ersten Moment nicht angenommen, aber das Hilfsangebot ist angekommen! Versuchen Sie in einem ersten Gespräch nicht ausschließlich über Gewicht (ab- oder zunehmen) und Figur zu reden. Ein weiteres Thema in einem ersten Gespräch könnte der allgemeine Wert und die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung sein.

Reichen Sie der betroffenen Person bildlich die Hand: bieten Sie Ihre Unterstützung an, wann immer sie notwendig ist. Sagen Sie deutlich, dass Sie nichts hinter dem Rücken der Person unternehmen, dass Sie sich aber unter Umständen auch für sich als Angehörige*r Hilfe holen.

Es kann sein, dass die betroffene Person aggressiv reagiert. Bleiben Sie trotzdem ruhig und zeigen Sie Verständnis!

Ist die betroffene Person bereit, eine Therapie zu machen, zeigen Sie Interesse an der Therapie und Ihre Bereitschaft zu unterstützen, wenn es gewünscht wird.

 

Versuchen Sie auf keinen Fall, die Person zu überwachen oder zu einer bestimmten Handlung (mehr oder weniger zu Essen) zu überreden. Das führt meist in eine Blockadehaltung und damit genau ins Gegenteil.

Unterschwellig kann man zu Hause Informationsmaterial herumliegen lassen!

Als Angehörige*r / Familie dürfen Sie über all die Gedanken und Sorgen, die Sie sich um Ihre(n) Angehörige(n) machen, sich selbst nicht vergessen! Auch Sie haben ein Recht auf Ihre eigenes Leben, darauf, in Urlaub zu fahren, Freunde zu treffen, gemeinsam Essen zu gehen oder zu einem gemeinsamen Essen einzuladen. In diesen Situationen können Sie mit der betroffenen Person gemeinsam eine Lösung vereinbaren, die für beide Seiten in Ordnung ist.

Für Angehörige kann es auch sehr wertvoll sein, in eine Selbsthilfegruppe für Angehörige zu gehen, um sich mit Menschen auszutauschen, die die gleichen Fragen, Sorgen und Probleme haben.