Politik | Gesetzgebung

Nie wieder Mals?

Koen Hertoge von PAN Italia warnt: Durch den neuen Landesgesetzentwurf zum Pflanzenschutz könnten die Gemeinden ihrer Zuständigkeiten in dem Bereich beraubt werden.

Vor einer Woche, am 7. März, sollte eine Expertenkommission entscheiden, ob das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat für weitere 15 Jahre EU-weit zugelassen wird. Nachdem die Entscheidung zunächst um einen Tag verschoben wurde, ist sie inzwischen von der EU-Kommission auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Der Grund: Immer mehr Mitgliedsstaaten hatten angekündigt, gegen die erneute Zulassung von Glyphosat stimmen zu wollen. Darunter auch Italien, Frankreich, Schweden und die Niederlande. “Ein erster Erfolg”, jubelten Umweltschützer, “Mals macht Schule”, freute sich der Südtiroler Abgeordnete Florian Kronbichler. Doch während außerhalb der Landesgrenzen das kleine Mals und sein “Ja” zur pestizidfreien Gemeinde weiter als Vorzeigebeispiel für Partizipation und Umweltschutz gilt – zuletzt war ein japanisches Filmteam vor Ort, um die Geschehnisse dort zu dokumentieren und aufzuzeichnen –, scheint man hierzulande alles Denkbare daran zu setzen, kein zweites Mals zu ermöglichen. So zumindest der Eindruck, den Koen Hertoge hat. Das Vorstandsmitglied von PAN (Pesticide Action Network) Italia hat sich den Landesgesetzentwurf Nr. 74/16 genauer angeschaut. Dieser trägt den Titel “Bestimmungen auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes” und liegt dem zuständigen II. Gesetzgebungsausschuss zur Behandlung vor. Bereits heute (14. März) könnten sich Albert Wurzer, Maria Hochgruber Kuenzer, Josef Noggler, Oswald Schiefer (alle SVP) sowie Riccardo Dello Sbarba (Grüne), Sigmar Stocker (Freiheitliche) und Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) damit beschäftigen.


Zimmerhofer, Schiefer, Stocker, Wurzer, Dello Sbarba, Noggler, Hochgruber Kuenzer (v.l.)

Rechtzeitig vor der Sitzung, die für 10 Uhr anberaumt ist, hat sich Koen Hertoge mit einem offenen Brief an die Mitglieder des II. Gesetzgebungsausschusses gewandt. Darin appelliert er an die Politiker, bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf “zum Wohl der Bevölkerung zu handeln”. Denn dieses sieht er durch den Entwurf gefährdet. “Auf Vorschlag von Landesrat Arnold Schuler (…) wird versucht, Gemeinden ihre bisher gültigen Kompetenzen zum Schutz der Gesundheit der Bürger zu nehmen”, schreibt Hertoge. Weiter: “Obwohl Bürgermeister gemäß der italienischen Verfassung dazu verpflichtet sind, die Gesundheit der Gemeindebürger zu schützen, ließe der Vorschlag von Landesrat Schuler, so dieser denn angenommen würde, keine Möglichkeit mehr, dieser Pflicht nach zu kommen. Und dies, obwohl es die Gemeinden sind, die lokale Gegebenheiten und Besonderheiten am besten kennen und beurteilen können. Hier würde sogar das EU-Subsidiaritätsprinzip weitgehend ignoriert.”

Anlass zur Sorge dürfte Hertoge unter anderem folgender Absatz im Gesetzentwurf zum Pflanzenschutz geben: “Den Gemeinden stehen im Bereich der nachhaltigen Verwendung von Pestiziden jene Verwaltungsbefugnisse zu, die ihnen vom Land Südtirol im Einvernehmen mit dem Rat der Gemeinden zugewiesen oder übertragen werden”, heißt es in Art. 7, Absatz 5, der die Zuständigkeiten der Gemeinden im Bereich Pflanzenschutzmittel klärt. “Das vorherrschende Motto scheint hier ‘Nie wieder Mals zu sein’”, wettert Hertoge und wirft der Landesregierung vor, anstatt auf Partizipation und Bürgerbeteiligung “auf eine nicht-nachhaltige und nicht-zeitgemäße Landwirtschaftspolitik” zu setzen. Die Mitglieder des II. Gesetzgebungsausschusses, die “von der Südtiroler Bevölkerung gewählte Volksvertreter”, fordert er auf, “ihre Gründe und Entscheidungen genau zu reflektieren und die rechtlichen Vorgaben und Konsequenzen genau zu prüfen” und mahnt: “Die geäußerten Meinungen und das Stimmverhalten der Abgeordneten wird von Seiten der Wähler nicht unbeobachtet bleiben.”