Justitia
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Gesellschaft | Kranke Justiz

21 Jahre in Haft – unschuldig

Drei exemplarische Fälle haben in diesen Tagen das skandalöse Versagen der italienischen Justiz demonstriert.

Angelo Massaro aus Fragagnano bei Taranto ist ein Justizopfer der besonderen Art. Als er vor wenigen Tagen das Gefängnis verlassen konnte, hatte er wegen eins angeblichen Mordes 21 Jahre hinter Gittern verbracht. Unschuldig – wie der Gerichtshof von Catanzaro beschied. Massaros Glück war es, dass seine Anwälte nach langem Drängen eine Revision des Verfahrens erreichten. Dabei wurde festgestellt, dass die Ermittler ein abgehörtes und im Dialekt geführtes Telefongespräch falsch interpretiert hatten. Der Vater von zwei Söhnen hat im Gefängnis die Matura nachgeholt und ein Jusstudium begonnen. "Nur Meditation und Yoga haben mich vor dem Wahnsinn gerettet", gestand der 51-jährige beim Verlassen des Gefängnisses.

Doch das krasse Versagen der italienischen Justiz rückten in den letzten Wochen zwei weitere Fälle ins Scheinwerferlicht:

In Turin bleibt die Vergewaltigung eines siebenjährigen Mädchens ungesühnt, weil die Tat verjährt ist. Der Grund: In der Berufung wurde das Verfahren neun Jahre lang verschleppt. Die zuständige Richterin Paola Dezani enstchuldigte sich: "La bimba è stata violentata due volte." Der Täter war in erster Instanz zu 12 Jahren Haft verurteilt worden. Er kann nicht mehr belangt werden. Nun soll ein Inspektor des Justizministeriums die skandlöse Verzögerung klären.Kommentar des Turiner Oberstaatsanwalts Francesco Saluzzo: "La situazione è disastrosa. Ci sono 20.000 fascicoli pendenti in corte d'appello. E' impensabile smaltirli in tempo breve."

Schauplatz des dritten exemplarischen Falles ist Casale Monferrato in Piemont. Dort hatte ein Paar sein schlafendes Baby für wenige Minuten im Auto gelassen, um die Einkaufstaschen in die Wohnung zu tragen. Ein Passant verständigte die Polizei. Das Baby wurde in ein Kinderheim gebracht, die Eltern angezeigt. Ein Gericht gibt das kleine Mädchen zur Adoption frei. Die Eltern werden anschließend vom Kassationsgericht voll freigesprochen. Der Fall kehrt in die Berufung zurück. Dort wird der Freispruch bestätigt. Aber ihr Kind bekommen die Eltern nicht zurück. Das mittlerweile siebenjährige Mädchen habe sich in seiner neuen Familie eingelebt und könne daher nicht zu den leiblichen Eltern zurückkehren. Fazit: Das Kind wurde den Eltern zu Unrecht weggenommen. Um diesen banalen Tatbestand festzustellen, benötigte die Justiz ganze sieben Jahre. Dura lex, sed lex.