Politik | Gemeinderatswahlen

Mitregieren auf Sarnerisch

Im Sarntal formiert sich Gegenwind für die SVP. Eine neue Bürgerliste will bei den Gemeindewahlen am 26. Mai mitmischen – mit Unterstützung von Team Köllensperger.
Sarner
Foto: Othmar Seehauser

Am 26. Mai werden die Karten im Sarntal neu gemischt. Zugleich mit den Europawahlen finden in der (flächenmäßig) größten Gemeinde des Landes Gemeinderatswahlen statt. Ebenso wie in Freienfeld, wo der ehemalige Bürgermeister Peter Faistnauer im Oktober in den Landtag gewählt wurde.
Auch der langjährige Sarner Bürgermeister Franz Locher hat den Sprung in den Landtag geschafft. Im Kampf um seine Nachfolge betritt nun ein neuer politischer Player die Bühne. Während ein anderer dieselbe verlässt.

 

Die einen gehen...

Über Facebook geht die Nachricht am Samstag Nachmittag hinaus: “It’s time to say GOODBYE!” Mit einem langen Post verabschiedet sich die Sarner Bürgerliste. 2015 aus der Traufe gehoben, sitzt die Bürgerliste seither mit drei Räten in der Opposition. Darunter auch der Sarner Busunternehmer Thomas Rauch. Der ehemalige SVP-Gemeinderat ging 2015 als Bürgermeisterkandidat ins Rennen. “Parteilos – skandallos – furchtlos”, so der Slogan der Liste, die der SVP und ihrem “Dorfkaiser” Franz Locher gar manches Mal einheizt. “Vor allem die Gemeinderäte der SVP-Mehrheit haben wir immer wieder durch unsere Anfragen, Interpellationen und Beschlussanträge auf Trab gehalten und sie an ihren Wählerauftrag und ihre Wahlversprechen erinnert”, zieht die Bürgerliste nun, vier Jahre später, Bilanz.

Sie wird sich auflösen und am 26. Mai nicht mehr antreten. Auch der nicht unumstrittene “Frontman” Thomas Rauch zieht sich aus der aktiven Politik zurück – “ob für immer oder nur für eine schöpferische Pause, wollte er uns nicht verraten”, heißt es von der Bürgerliste.

 

...die anderen kommen

Doch das Feld ganz allein der SVP überlassen, das wollen längst nicht alle im Sarntal. Zuletzt verdichteten sich die Hinweise, dass bei den Gemeinderatswahlen eine neue Bürgerliste antreten wird. Nun ist die Katze aus dem Sack: Wiederum auf Facebook präsentiert sich seit diesem Wochenende “Das neue Team im Sarntal”.

“Teamarbeit statt Einzelkämpfer, Transparenz statt Gemauschel, Gemeinwohl statt Einzelinteressen, gelebte Demokratie statt einfaches ‘Händeaufhalten’, Bürgerentscheide statt Strippenzieher im Hintergrund, konstruktive Kritik statt unnützer Polemiken, Menschen statt Parteimitglieder” – dafür will die neue Bürgerliste unter anderem stehen. Name und Farbwahl lassen kaum Platz für Spekulationen: Hinter der Liste steht das Team Köllensperger.

 

Team K ‘light’

Die treibende Kraft vor Ort ist Manfred Heiss. 2015 hat sich der Unternehmer aus Sarnthein der Protestbewegung “Südtiroler Frühling” angeschlossen, verwaltet dessen Facebook-Forum mit. Parteipolitisch war er bislang nicht aktiv, sympathisierte aber zunächst mit Paul Köllensperger und dann mit dessen Partei. “Die Idee, im Sarntal für die Gemeinderatswahlen eine Bewegung zu gründen, entstand eigentlich erst vor wenigen Wochen”, berichtet Heiss auf Nachfrage von salto.bz. Im Austausch mit Team Köllensperger habe er, der Anfragen, sich politisch zu engagieren immer abgelehnt habe – “aus Arbeitsgründen” – sich schließlich umstimmen lassen und sich nach Mitstreitern im Sarntal umgetan. “Erstaunlicherweise waren die Anfragen innerhalb weniger Tage sehr erfolgreich. Wir sind jetzt schon eine bunt gemischte Truppe.” Angestellte, Selbstständige, Krankenschwestern, Lehrer und ein Jurist seien darunter, so Heiss.

Die Anlehnung an Köllenspergers Partei wird sich zwar im Logo wiederfinden, doch die neue Bewegung will sich als autonome Liste präsentieren – und nicht als Ableger von Team K. Logo und offizieller Name werden noch unter Verschluss gehalten. “Team Sarntal” wird sie aber nicht heißen, versichert Heiss. Am Samstag werden am Postplatz von Sarnthein Unterstützungsunterschriften gesammelt.

 

Denselben Weg wie die Sarner Bürgerliste – den der knallharten Opposition – will die Truppe um Manfred Heiss nicht einschlagen: “Unser Grundsatz ist, nicht ‘dagegen um jeden Preis’, sondern Missstände aufzeigen, Fehlentwicklungen korrigieren und vor allem: versuchen, es besser zu machen als die anderen.”

 

Kratzen an der SVP-Festung

60 Unterschriften müssen zusammenkommen, damit die neue Liste am 26. Mai antreten kann. “Kandidatinnen und Kandidaten werden wir erst nach der Listenabgabe preisgeben”, wimmelt Heiss die Frage nach Namen ab. Bis Dienstag, 23. April, 12 Uhr, ist dafür Zeit. Fest steht aber: Man wird einen eigenen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen schicken, und der SVP so viele Stimmen wie möglich abzuluchsen versuchen.

Seit jeher ist das Sarntal eine SVP-Hochburg. Trotz wechselnder Konkurrenz – von 1990 bis 2005 trat eine Bürgerliste an, 2010 kandidierten Freiheitliche und Süd-Tiroler Freiheit, 2015 neben der Sarner Bürgerliste erstmals auch der PD – rutschte die Volkspartei bei Gemeindewahlen nie unter 80,6 Prozent und konnte zuletzt 2015 wieder auf 83,9 Prozent zulegen.

Spannend könnte zumindest die Wahl des Bürgermeisters werden, der direkt gewählt wird. Dort könnte die Bürgerliste von der Tatsache profitieren, dass die SVP traditionell zwei Bürgermeisterkandidaten aufstellt. Auch am 26. Mai soll neben dem amtierenden Vizebürgermeister Christian Albert Reichsigl ein zweiter, von Franz Locher unterstützer Kandidat, ins Rennen gehen. Doch selbst wenn sich die SVP-Stimmen auf zwei Kandidaten aufteilen und das Sarntal sensationell einen Bürgerlisten-Bürgermeister erhalten sollte – die Mehrheit im 18-köpfigen Gemeinderat ist in unerreichbarer Ferne.

Das weiß auch Manfred Heiss. Doch er hält bereits heute der SVP die Hand hin – wie einst Köllensperger: “Wir treten nicht an, um in die Opposition zu gehen. Wir setzen uns selbst die Latte höher. Konkret heißt das: Wir wollen mitregieren. Denn im Sarntal wäre so einiges an politischen Entscheidungen zu korrigieren bzw. In die richtigen Bahnen zu lenken. Im Sarntal hatten viel zu lange Einzelne das sagen. Das wollen wir ändern: Wir möchten Schluss machen mit Steigbügelhaltern, Einflüsterern und einer Handvoll Leuten, die bisher den Gemeinderat und insbesondere auch den Bürgermeister und Ausschuss von außen, sagen wir mal, die Richtung vorgegeben haben.”