Umwelt | Biodiversität

Keine Chance für auswärtige Blüten

Weil einheimisches Saatgut Mangelware, aber von großer Bedeutung ist, soll es künftig selbst gewonnen und vermehrt werden. Die Idee stößt auf fruchtbaren Boden.
Blumen und Kräuter
Foto: Südtirolfoto/Helmuth Rier

Einheimische zuerst! Was wie ein plumper populistischer Slogan klingt, ist Toni Riegler ein wichtiges Anliegen. Das bei Arnold Schuler auf offene Ohren stößt. Es geht um Saatgut, um den Erhalt hiesiger Flora und die biologische Harmonie.

Jahr für Jahr bringen Obst- und Weinbauern ihre Anlagen zum Blühen. Die Einsaat, die auf den Anbauflächen ausgebracht wird, leistet einen Beitrag, um die Biodiversität und die Anzahl der Nützlinge zu erhöhen. Doch allzu häufig stammt das Saatgut, das zum Einsäen, aber auch bei Begrünungen und Renaturierungsarbeiten in Südtirol verwendet wird, von auswärts. “Im biologischen Anbau werden Einsaaten schon seit Längerem durchgeführt. Das Saatgut dazu müssen wir aus Deutschland importieren”, erklärt der Obmann von Bioland Südtirol. Warum? “Ganz einfach: Weil wir kein einheimisches Saatgut haben.

 

Selbst ist die Saat

Was sich auf den ersten Blick womöglich harmlos anhören kann, hat aber einscheidende Folgen. “Gebietsfremdes” Saatgut, wie es in der Fachsprache heißt, ist häufig nicht an die lokalen Bedingungen angepasst. Eingeführte Pflanzen können mit heimischen Arten in Konkurrenz treten, das Erbgut der heimischen Pflanzenpopulationen verändern und Biotypen, die sich an die spezifischen regionalen Bedingungen angepasst haben, verdrängen. Dadurch werden auch andere Organismen gestört oder gar negativ beeinflusst. Etwa Insekten, die Nektar sammeln und als Bestäuber eine wichtige Funktion erfüllen.
Kurzum, ein ganzes Ökosystem kann aus dem Gleichgewicht gebracht werden, wenn flächendeckend eingeführtes Saatgut eingesetzt wird.

“Wir haben uns gefragt, ob man nicht hier, also in Südtirol, etwas machen kann, um zu verhindern, dass fremde Arten und Genotypen eingeführt werden müssen”, berichtet Toni Riegler. Mit dieser Idee wurde man bei Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler vorstellig. Erfolgreich: Ende vergangener Woche fiel der Startschuss für ein neues Projekt zur Gewinnung und Vermehrung von regionalem Saatgut.

 

Von der Idee zum Konzept

“Grundgedanke des autochthonen Saatgutes ist es, die innerartliche Diversität zu erhalten”, heißt es in der Aussendung, die nach dem Treffen vergangenen Freitag verschickt wird. Darin wird auch an die Pionierarbeiten von Florin Florineth erinnert. Der gebürtige Malser und inzwischen pensionierte Universitätsprofessor hat ab den späten 1970er-Jahren in den Berggebieten Südtirols gezielt Samen von Arten gesammelt und in großen Saatgutanstalten vermehrt – zunächst in Amerika, dann in Europa. Florineth habe “wichtige Akzente gesetzt”, seine Ansätze seien “aber nicht dahingehend weiterverfolgt” worden, “dass heute auch für andere Anwendungsbereiche lokales Saatgut zur Verfügung stehen würde”.

Dem soll nun Abhilfe geschafft werden. Am Freitag ist Arnold Schuler mit Toni Riegler und Dietmar Battisti, der bei der Ökologisierungsstelle von Bioland Südtirol als Berater für den Obst- und Weinbau zuständig ist, zusammengekommen. Mit dabei waren auch der Direktor des Versuchszentrums Laimburg, Michael Oberhuber und Giovanni Perathoner von der Sektion Berglandwirtschaft der Laimburg, der Direktor der Agentur Landesdomäne Josef Schmiedhofer und der Direktor des Amtes für Forstplanung Günther Unterthiner.

Bei diesem Treffen wurde die Laimburg beauftragt, eine Arbeitsgruppe zu bilden, das ein Konzept für die Saatgutgewinnung und Vermehrung regionaler Wildkräuter, Wildblumen und Gräser ausarbeitet. Mit einbezogen werden auch Bioland, die EURAC und das Landesmuseum für Volkskunde in Dietenheim, das bereits Erfahrung in diesem Bereich hat.

Ein erster Schwerpunkt soll Saatgut für die Einsaat in den Obst- und Weinbauanlagen sein. In weiterer Folge sollen auch heimische, standortangepasste Mischungen entwickelt werden.
“Dies ist eine wichtige und wertvolle Initiative in mehrfacher Hinsicht”, lässt Landesrat Schuler ausrichten, “heimische Pflanzen werden in den Vordergrund gestellt, die Biodiversität wird gefördert und zudem harmonieren lokales Saatgut und lokale Pflanzen viel besser mit den Nützlingen”.

“Sehr froh” und “guter Hoffnung” ist Toni Riegler. Er geht davon aus, dass die Initiative in Südtirol und speziell bei den Landwirten im Land auf fruchtbaren Boden stößt – “natürlich”: “Schließlich ist es von Vorteil wenn nicht mehr auf ausländisches Saatgut zurückgegriffen werden muss, weil einheimisches fehlt – und damit bliebe auch die Wertschöpfung im Land.”