Kultur | Musik

Exzellenz als Ausgleichssport

Das „Vision string quartet“, ein Streichquartett, welches sich nicht einordnen lassen will und dennoch an der Spitze seines Fachs steht, gibt Antwort.
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Foto: Harald Hoffmann

Heute ist das „Vision string quartet“ zu Gast beim Bozner Konzertverein. 2012 gegründet, hat es sich innerhalb kürzester Zeit in der internationalen Streichquartett-Szene etabliert. Mit ihrer einzigartigen Fähigkeit, zwischen dem klassischen Streichquartett-Repertoire und eigenen Kompositionen zu „wandeln“, stellen die vier jungen Musiker aus Berlin die klassische Konzertwelt auf den Kopf. Das Ensemble besteht aus den Geigern Florian Willeitner und Daniel Stoll, dem Bratschisten Sander Stuart und dem Cellisten Leonard Disselhorst. Wir haben Daniel Stoll, zweite Geige des Quartetts, interviewt.

 

Salto.Bz: Mit welchem Projekt oder welcher Idee wurde das „Vision string quartet“ gegründet?

Daniel Stoll: Wir vier kannten uns bereits freundschaftlich seit langem, haben auch immer mal wieder in unterschiedlichen Kammermusik-Formationen in der Schulzeit miteinander gespielt. Aber als Quartett haben wir uns erst dann fest zusammengetan, als wir alle vier Hannover für ein klassisches Musikstudium verlassen haben. Aus Angst, von nun an ausschließlich noch klassische Musik vorgesetzt zu bekommen, haben wir jeweils Gleichgesinnte gesucht, die sich auch nicht nur auf dieses eine Genre beschränken wollten und das „Vision string quartet“ quasi als Ausgleichssport gegründet. 

 

Ihr Programm ist in zwei Teile aufgebaut. In der ersten spielen Sie Musik von Bartok und Webern, zwei der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Der erste fand die Wurzeln der Erneuerung der europäischen Tradition in der Folklore, der zweite in der Zwölftonutopie. Im zweiten Teil schlagen Sie Ihre eigene Musik vor, die auch Bezüge zum Folk, Pop und Minimalismus hat. Ist der Kontrast das Wesentliche an Ihrem Projekt, oder gibt es Affinitäten zwischen diesen (zumindest scheinbar) unterschiedlichen Musiken?

Diese „gemischten“ Programme sind uns am liebsten. Der Reiz liegt für uns gerade in der Vielseitigkeit, was wir viel spannender finden als zwei „klassische“ Quartette vor der Pause und noch ein weiteres nach der Pause. Der große gemeinsame Nenner ist, dass so unterschiedlichste Musik auf den selben vier Instrumenten, die ein Streichquartett bilden, authentisch erklingen kann. Man kann auch ohne Schlagzeug und Bass eine Band sein. Folkloristische Elemente finden sich zudem durchaus nicht nur bei Bartoks Musik, sondern auch in unserem „zweiten“ Teil. 

 

Macht es für Sie Sinn, zwischen Kunst- und Unterhaltungsmusik zu unterscheiden, und wenn ja, wo ist die Grenze, der Unterschied?

Sehr viel früher gab es diese Grenze nicht und die Musiker waren vollumfänglich geschult, konnten alle frei spielen, improvisieren. Dann plötzlich wurde so eine strikte Grenze gezogen, was in einen bürgerlichen Konzertsaal gehört und was nicht. In den letzten Jahren ist diese Grenze zum Glück wieder an einigen Stellen aufgeweicht worden. Gute „Kunstmusik“ kann genau so unterhalten wie gute „Unterhaltungsmusik“ berühren kann und anspruchsvoll sein kann. 

 

In Bezug auf den Krieg in der Ukraine ist auf Ihrer Website zu lesen: “Wir stehen ganz klar auf der Seite von Frieden und Harmonie”. Stimmen Sie mit Dostojewski überein, dass "die Schönheit die Welt retten wird"?

Das sollte zumindest die wünschenswerteste Zukunft sein. Nur müssen alle Akteure in der Lage sein, Schönheit auch zu erkennen und ihren Wert schätzen zu lernen. 

 

 

Ein Buch (oder ein Film), das Ihr Leben geprägt hat?

Carl Fleschs Skalenbuch hat zumindest einen großen Teil des Lebens ausgefüllt. Wir sind immer noch dabei, uns davon zu erholen. 

 

Machen sie heute das, wovon sie als Junge geträumt haben?

Drei von uns vieren definitiv ja, nur Sander hat als Junge immer davon geträumt, eines Tages Geiger zu werden.