Gesellschaft | Replik

Klarstellung nach Kritik

Die Südtiroler Kammer für Krankenpflegeberufe reagiert auf die öffentlich geäußerte Kritik an ihrer Arbeit: “Wir halten die staatlichen Gesetze ein.”
Krankenhaus
Foto: Pixabay

Auf “die ethnischen und sprachlichen Diskussionen dieser letzten Wochen” möchte man nicht eingehen. Aber: “Wir wollen einiges klarstellen.” Es ist der Verwaltungsrat der Südtiroler Kammer für Krankenpflegerberufe OPI, der sich mit einer langen Stellungnahme an die Öffentlichkeit wendet – und auf die jüngsten Polemiken antwortet. Vor einigen Tagen forderte ASGB-Chef Tony Tschenett die Krankenpflegeberufe-Kammer in einem offenen Brief auf, die verpflichtende Italienischprüfung für die Aufnahme in die Kammer abzuschaffen, sprach von einem “Anschlag auf die deutsche Sprache und damit auf das Autonomiestatut” und warf der OPI  “eine offensichtliche Diskriminierung der deutschsprachigen Bewerber” sowie “eine gewisse Distanz der deutschen Sprache gegenüber” vor.

Im Folgenden nun die Stellungnahme des OPI-Verwaltungsrates:

“In den letzten Tagen gab es heftige Polemiken rund um die Arbeit der Südtiroler Kammer für Krankenpflegeberufe OPI, zu deren institutionellen Aufgaben die Feststellung der italienischen Sprachkenntnisse – als Voraussetzung für die Eintragung in das Berufsverzeichnis der Krankenpflegeberufe für ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger – durch eine entsprechende Prüfung zählt.

Als Kammer für Krankenpflegeberufe möchten wir nicht auf die ethnischen und sprachlichen Diskussionen dieser letzten Wochen eingehen, doch nachdem unserem Verwaltungsrat vorgeworfen wird, das Südtiroler Autonomiestatut zu verletzen, ist es uns wichtig, einiges klarzustellen.

Die italienische Gesetzgebung sieht vor, dass Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger aus anderen EU-Staaten sowie aus Nicht-EU-Ländern neben der Anerkennung ihres Krankenpflegediploms beim Gesundheitsministerium auch eine Italienischprüfung bestehen müssen. Für EU-Bürger gilt dabei Art. 7 des gesetzesvertretenden Dekrets 206/2007, wonach ausländische Bürgerinnen und Bürger, die einen geistigen Beruf ausüben, verpflichtet sind, die Sprache des Gastlandes zu kennen; gerade in der Krankenpflege geht es explizit darum, Beziehungen zu den Patienten und Patientinnen, ihren Angehörigen, der gesamten Gemeinschaft (im Rahmen der Feststellung des Pflegebedarfs) und den anderen Fachkräften des Gesundheitswesens aufzubauen (u.a. bei der Umsetzung der jeweiligen diagnostischen und therapeutischen Verfahren). Darüber hinaus beteiligen sich Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen auch an der Ausbildung der Hilfskräfte.

All diese Aufgaben setzen die Kenntnis der Sprache des Gastlandes voraus. Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EU-Staaten müssen darüber hinaus die Bestimmungen zur Regelung der Berufsausübung in Italien kennen.

Bereits 2018 hat unser Verwaltungsrat auf die besondere sprachliche Situation Südtirols hingewiesen.

Die Kammer der Krankenpflegeberufe ist seit Jahrzehnten für die Einhaltung dieser gesetzlichen Bestimmungen zuständig, und zwar auf der Grundlage des bereits genannten gesetzesvertretenden Dekrets 206/2007, welches die entsprechende EU-Regelung von 2005 umsetzt, ebenso wie auf der Grundlage der Vorgaben des Dachverbandes FNOPI sowie der Bestimmungen des vom Gesundheitsministerium erlassenen Anerkennungsdekrets im Bezug auf die Berufsausübung von Ausländerinnen und Ausländern. Gemäß Dekret des Gesundheitsministeriums ist die Kammer nämlich verpflichtet, im Rahmen der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen vor der Eintragung in das Berufsverzeichnis zu überprüfen, ob die Antragsteller über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, um ihren Beruf in Italien auszuüben. In diesem Sinne geht die Überprüfung der Sprachkenntnisse also nicht auf einen eigenständigen Beschluss der Kammer zurück, sondern sie erfolgt im Sinne der Vorgaben des Dachverbandes, des Gesundheitsministeriums und der italienischen Gesetzgebung.

Nach der Eintragung in das Berufsverzeichnis sind ausländische Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger ermächtigt, ihren Beruf im gesamten Staatsgebiet auszuüben. Kein Gesetz beschränkt die Berufsausübung auf eine einzige Provinz.

Bereits 2018 hat unser Verwaltungsrat das Gesundheitsministerium und den Dachverband auf die besondere sprachliche Situation Südtirols hingewiesen und eine Abweichung von diesen Gesetzesbestimmungen eingefordert, und wir arbeiten weiter in diese Richtung.

Solange allerdings keine Ausnahmeregelung von der derzeit gültigen Gesetzgebung vorgesehen ist, muss sich die Kammer an die Gesetzesvorgaben halten. Sie muss nachweisen, dass alle, die in Italien den Krankenpflegeberuf ausüben, auch tatsächlich über die dafür notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen verfügen.

Nicht dieses Gesetz ist Schuld daran, dass in Südtirol nicht ausreichend Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger zur Verfügung stehen.

Es ist eine Tatsache, dass derzeit nicht nur in Südtirol ein großer Mangel an Pflegefachkräften herrscht, doch sei auch darauf hingewiesen, dass dieser Pflegenotstand nicht durch die genannten Gesetzesbestimmungen bedingt wird. Seit 2016 gab es pro Jahr nur je einen Antrag auf Eintragung in das Berufsverzeichnis der Südtiroler Kammer durch Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger aus deutschsprachigen Ländern, und alle vier Betroffenen haben mit einer einzigen Ausnahme die Italienischprüfung beim ersten Versuch bestanden.

Deshalb möchten wir einmal mehr unterstreichen, dass nicht dieses Gesetz daran Schuld ist, dass in Südtirol nicht ausreichend Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus wurde uns vorgeworfen, dass unsere Internetseite nicht zweisprachig ist, und zwar auch von Verbänden und Vereinen, die selbst eine rein deutschsprachige Internetseite haben. Bis 2018 war unsere Internetseite immer zweisprachig, doch die Umwandlung vom Berufsverband zur heutigen Kammer erforderte eine Überarbeitung der Internetseite, die noch nicht ganz abgeschlossen ist. Die Übersetzung eines Großteils der Texte ist bereits im Gange, doch leider sind wir noch dabei, unser Büro an die neuen Gesetzesvorgaben anzupassen. Dieser Prozess nimmt viel Zeit in Anspruch, da alle Mitglieder des Verwaltungsrates, der per Gesetz nur aus Krankenpflegern und Krankenpflegerinnen besteht, dieser Aufgabe in ihrer Freizeit nachgehen und dafür keine Freistellung in Anspruch nehmen dürfen. Aus diesem Grund dauert die Anpassung des Büros an die neuen Gegebenheiten und die Ausarbeitung zweisprachiger Texte länger als in einem Landesamt, das über mehr Mitarbeiter und finanzielle Mittel verfügt. In jedem Falle beabsichtigen wir als Südtiroler Kammer der Krankenpflegeberufe, die Internetseite noch innerhalb dieses Jahres an die neuen Gesetzesvorgaben anzupassen und zweisprachig zu veröffentlichen.”

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Krautwurst Jürgen Fr., 14.06.2019 - 12:48

"...doch sei auch darauf hingewiesen, dass dieser Pflegenotstand nicht durch die genannten Gesetzesbestimmungen bedingt wird. Seit 2016 gab es pro Jahr nur je einen Antrag auf Eintragung in das Berufsverzeichnis der Südtiroler Kammer durch Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger aus deutschsprachigen Ländern..."

Diese Argumentation ist sehr schwach... Interessierte informieren sich bereits im Voraus über die nötigen Voraussetzungen und werden, sollten sie kein Italienisch sprechen, sich erst gar nicht bewerben.

Fr., 14.06.2019 - 12:48 Permalink
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G. P. Sa., 15.06.2019 - 21:47

"... gerade in der Krankenpflege geht es explizit darum, Beziehungen zu den Patienten und Patientinnen, ihren Angehörigen, der gesamten Gemeinschaft (im Rahmen der Feststellung des Pflegebedarfs) und den anderen Fachkräften des Gesundheitswesens aufzubauen (u.a. bei der Umsetzung der jeweiligen diagnostischen und therapeutischen Verfahren) ..."
Vollkommen richtig. Und gerade deshalb wäre es wichtig - nachdem Südtirol mehrheitlich noch immer deutschsprachig ist, vor allem in den Landgemeinden - dass die Krankenpfleger deutschsprachig sind, währenddessen italienisch vernachlässigbar ist.
Aber soweit reicht der Horizont beim Gesetzgeber, aber vor allem auch bei den Kammerverantwortlichen nicht. Sonst würde man nicht eine solche Pressemitteilung aussenden.

Sa., 15.06.2019 - 21:47 Permalink
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Sepp.Bacher So., 16.06.2019 - 09:19

Ich habe letzthin irgendwo gelesen, dass die beschriebene Praxis gegen EU-Regeln verstößt und dass deutschsprachigen Bewerbern drei Jahre Zeit gegeben werde müsste, die verlangte Sprache berufsbegleitend zu lernen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass beschriebene Praxis, nur die Kenntnis der Staatssprache - und nicht der in Südtirol gleichgestellten deutschen Sprache - festzustellen gegen das Autonomie-Statut verstößt. Müsste hier nicht auch die Politik bzw. die Sanitätsverwaltung von Amtswegen handeln?!
Die Stellungnahme der Kammer klingt für mich aber plausibel. Sie will auftrags- und gesetzestreu handeln.

So., 16.06.2019 - 09:19 Permalink
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Profil für Benutzer △rtim post
△rtim post So., 16.06.2019 - 22:14

Dass der Verwaltungsrat »mehrheitlich italienisch besetzt« ist, sollte eigentlich irrelevant sein.http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=49116&fbclid=IwAR0G-BLnxr56YbOz…
Das Bürgerrecht, wie das völkerrechtliche Grundrecht der Bevölkerung hierzulande auf vollkommene (!) Gleichstellung und Gleichberechtigung der Deutschsprachigen im Sprachgebrauch mit dem Italienischsprachigen, ist bereits seit 1946 im Gruber-Degasperi-Abkommen verankert und müsste daher bereits schon längst zu den Selbstverständlichkeiten des Dienstes am Bürger und zur Alltagskultur zählen. Zumal das Völkerrecht einen höheren Rang als die Verfassung hat, die, wie die Verfassungsgesetze, unsere Grundrechte ja eigentlich schützen soll. Stattdessen: NO
Italienischer Kolonialismus und Faschismus bestehen fort und laufen gerade zu einer neuen Hochform auf. Wir lassen uns das heute alles gefallen.
Wenn der Landeshauptmann sich der Verantwortung und die SVP sich ihres eigenen Parteistatuts im Artikel eins abputzen (wollen), sollten sie das den Bürgern auch mal sagen - oder?
Vielleicht sollten sich die deutsch- und ladinischsprachigen Bürger und ihre Interessensvertreter bei all den fortgesetzten Verletzungen der Zweisprachigkeit in der Zukunft mal eher an Biancofiore und Co orientieren, die sich über angebliche Verstöße sofort medial, wie im Alto Adige ... ganz groß aufregen. Zudem werden gleich alle Hebel in Gang gesetzt: parlamentarische, ministerielle Anfragen, Interventionen beim Regierungskommissariat, beim Ministerpräsident und bei der Antidiskrimmierungsstelle UNAR, Eingabe bei der Staatsanwaltschaft usw. usw. http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=49075
Zum Heil- und Pflegepersonal gehören nicht nur die im Diskurs immer wieder erwähnten Röntgen- und Laborärzte oder, wie es manche formulieren, Arsch putzende Pflegekräfte. Kommunikation ist in der Heil- und Pflegebehandlung nicht nur wichtig, sondern mitunter lebensentscheidend. Patientensicherheit und das Wohl der Patienten, auch bei Medikamentenbeipackzettel..., geht vor. Das sollte man zumindest meinen. Denn viele haben ja schon Schwierigkeiten, medizinische Ausdrücke... in ihrer eigenen Sprache zu verstehen. Und warum sollte es dieses völkerrechtliche Grundrecht auf den deutschen Sprachgebrauch im Süden Tirols mit über 70 % Deutschsprachigen ausgerechnet dann zu 100 % nur für Italienischsprechende geben? https://www.ff-bz.com/.../2019-19/sprachegesundheit.html...

So., 16.06.2019 - 22:14 Permalink