Kultur | Salto Afternoon

Verfängliche Schönheit für die Ewigkeit

Autorin und "Vissidarte"-Mitherausgeberin Sonja Steger nähert sich im Salto-Gastbeitrag den Land-Art-Projekten von Jan Langer.
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Foto: Jan Langer

Ausschließlich Naturmaterialien verwendet der Land-Art-Künstler
Jan Langer für seine verwirrend schönen Installationen.
In seinen Fotografien wird der flüchtige Augenblick konserviert,
bevor die Kräf­te der Natur das Spiel der Vergänglichkeit beginnen.

 

Die durch Blätter und Äste gefilterten Sonnen­strahlen zeichnen Schattenmuster auf den Wald­boden, es duftet nach Frühling, Moos und Moder, im Unterholz knackt und raschelt es, vielleicht ein Vogel, vielleicht ein Wildtier. Unterbrochen von diesen kleinen Geräuschen wirkt die Stille noch tiefer und die Zweisamkeit mit der Natur gewinnt an Sinnlichkeit. Dieses Szenario erwacht in meinem Kopf, während Jan Langer von seinen Land-Art-Projekten erzählt, ich fühle mich hinein­versetzt in die Waldeinsamkeit und das wirkliche Umfeld, ein gut besuchtes Kaffeehaus rückt in den Hintergrund, verschwindet nahezu. Der junge Mann, mit bestimmter, doch melodiöser Stimme wählt seine Worte mit Bedacht, Musik schwingt mit in mehrfachem Sinne. Bekanntschaft mit ihm durfte ich vor rund zehn Jahren machen, Jan ist auch Perkussionist bei der Musikgruppe Opas Diandl – und jetzt eröffnet sich eine weitere Facet­te seiner Kreativität.

Im Juli 2014 erfuhr Jan Langer eine Art Erweckungserlebnis oder Erwachenserlebnis. Zuvor interessierte er sich vor allem theoretisch für Land Art. Der Film Rivers And Tides von Andy Golds- worthy, einem der Pioniere der Land Art, hatte ihn berührt und den Samen der Sehnsucht gepflanzt. Nach einem Mittagsschlaf am Sulfner-Weiher in Hafling entstand eine erste kleine Installation.
„Das Gefühl, welches ich dabei durchlebte, hat mich infiziert. Diese Art und Weise, mich mit der Natur auseinanderzusetzen, entsprach mir voll­kommen: intensive Naturwahrnehmung, Schär­fung aller Sinne, meditative Fokussierung.“

Beim Schaffensprozess ist gestalterische Behut­samkeit essenziell, ebenso wie das Sich-Einlas- sen auf den Ort. „Es geht nicht darum, mich in die Natur einzuschreiben, sondern darum, Spuren in Form von Kunstwerken zu hinterlassen, die von meiner engen Beziehung mit diesem Natur-Ort zeugen.“ Dem Künstler gefällt die Vorstellung, dass Witterung und Zeit an der Installation weiter­arbeiten werden und er diesen Kreislauf in Gang gesetzt hat. An einige abgeschiedene Orte kehrt er immer wieder zurück, baut eine Beziehung zu ihnen auf und fühlt sich mit ihnen verbunden.

Die Natur gibt vor, was wann, wo und wie entsteht.

Ein erster Schritt ist die Beobachtung des Laufs der Sonne, das Auskundschaften der Lichtver­hältnisse, die Wahl des Blickwinkels, des Bildaus­schnitts sozusagen. Nicht das Werk an sich, son­dern der Dialog zwischen Werk und Umgebung sind wesentlich, genauso wie das ludische Ele­ment, Empfindungen, denen Kindheitsintensität innewohnt und die an Erinnerungen anknüpfen: stundenlanges, gedankenverlorenes Spielen in einem verwilderten Garten, der in Kinderaugen riesig wirkte.

„Beim Schaffen brauche ich das Alleinsein mit der Natur, für mich ist das ein sehr intimer Akt, vergleichbar mit einem meditativen Zustand, begleitet von einer gewissen Entrücktheit. Sechs bis sieben Stunden lang verschwinden Zeitgefühl, Hunger und Durst ...“ Nach dem mi­nutiösen Aufbau wird der Auslöser des Fotoap­parats gedrückt, dieser Abschluss gleicht einem Aufatmen, einem Zurückkehren in die Welt der Bedürfnisse.

 

„Wegen der Land Art habe ich mich der Fotografie angenähert“, erklärt Jan. Die Betrachter bekom­men ausschließlich die Fotografie zu sehen. Ein flüchtiger Augenblick im Daseinszyklus des meta­morphen Kunstwerks wird großformatig reprodu­ziert und somit verewigt. Dies ist notwendig, da der Prozess der Vergänglichkeit oft sehr schnell einsetzt. Die mit Wasser benetzten Blätter, die da­durch intensiv strahlen, trocknen und wellen sich, der aufgetragene Lehm trocknet und bröckelt...

Ein „überirdisches“ Gefühl erfasst einen beim Be­trachten der Aufnahmen: farbige Mäander, die sich über Baumstämme schlängeln oder blut­rote Punkte auf der kristallinen Oberfläche eines zugefrorenen Sees. Die verblüffenden Eindrü­cke bestehen aus Zeit, Hingabe und natürlichen Werkstoffen, technische Nachbearbeitung am Computer gibt es keine.

 

Immer wiederkehrend sind geometrische For­men, wobei Jan keine zivilisatorischen Symbole verwendet, dies stünde im Widerspruch zu seiner Intention, die erlebte Einheit mit der Natur wider­zuspiegeln. Die Einbeziehung von Spiegelungen auf Wasserflächen verkörpert die Verschmel­zung von natürlicher Materialität und ätherischer Phantasie. Manchmal glaubt man, einer Sinnes­täuschung zu unterliegen: „Das kann doch nicht sein“, ist die unwillkürliche Reaktion. Doch kann es!
Mein Tipp: Genießt das Schauen, taucht ein in das Bild, lasst die Gefühle aufkeimen und hört das stille Lied der Natur.

 

Salto in Zusammenarbeit mit Vissidarte