Kultur | Salto Afternoon

Ad Astra

Hätten „2001“, „Solaris“ und „Herz der Finsternis“ Sex, wäre dieser Film die gutgemeinte Konsequenz.
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Foto: Fox

Brad Pitt schwebt durchs Weltall. Lange Zeit. Doch vorher läuft er durch grell beleuchtete Gänge, grüßt seine Kollegen, hebt ab, stürzt weit, liegt im Krankenhaus, steht wieder auf, wird reaktiviert. Er heißt natürlich nicht Brad Pitt, sondern Roy McBride und ist der Sohn eines hochdekorierten Astronauten. Genau wie der Vater ist auch Roy exzellent in dem was er tut. Sein Puls übersteigt niemals die 80 Schläge, er bleibt selbst in den atemlosen Situationen ruhig und Herr über die Lage. Ob das so bleibt? Denn kaum wir Roy aus dem Krankenstand entlassen, wartet bereits die nächste Mission auf ihn. Er soll seinen Vater finden. Der verschwand nämlich vor rund 20 Jahren mit seiner Truppe irgendwo in Neptun-Nähe. Man befürchtet, das alte Genie ist noch am Leben und für die jüngsten mysteriösen Zwischenfälle auf der Erde verantwortlich. Man denkt, der Alte hat mit den Jahren die Kontrolle über sich selbst verloren und ist wahnsinnig geworden. Nun muss sich also Roy auf den Weg machen und nach dem rechten sehen. Mit einem kleinen Team bricht er zu einer geheimen Mission auf, die ihn über viele Lichtjahre hinweg zu den vermeintlichen Überlebenden der Mission „Lima“ bringen soll.

Ad Astra | Official Trailer [HD] | 20th Century FOX.

Einen Augenblick... Ein Held, der sich auf eine beschwerliche Reise quer durch unbekanntes Terrain macht, um sich einen Trupp Mitreisender schart, ein wahnsinniger Veteran, der am Ende der Reise wartet, und die Gefahr, im Laufe derselbigen langsam aber sicher selbst den Verstand zu verlieren? Das klingt alles nur allzu bekannt, und das ist auch kein Zufall. Heruntergebrochen ist „Ad Astra“ nämlich nichts anderes als eine lose Adaption von Joseph Conrads Roman „Herz der Finsternis“. Der stammt aus dem Jahr 1899 und war in der Vergangenheit schon oft Vorbild für Filme. Der bekannteste Vertreter ist natürlich Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“, der aktuell in einer neuen, finalen Version in den Kinos gezeigt wird (Besprechung folgt). Regisseur und Drehbuchautor James Gray verlegt die Handlung in den Weltraum. Eigentlich eine naheliegende Entscheidung. Was ist dem Menschen denn heute noch fremd, wenn nicht die Weiten des Alls? Oberflächlich betrachtet, versteht sich. Anders als in Coppolas Film gibt es in „Ad Astra“ aber kaum große Schlachten, Action findet nur an wenigen Punkten im Film statt (der Trailer vermittelt ein anderes Bild). In erster Linie haben wir es hier mit einer ruhigen Erzählung zu tun, die sich voll und ganz auf seinen Protagonisten fokussiert. Dementsprechend verhalten sich auch Grays Bilder. Sie sind unaufgeregt und zeigen den Weltraum in einigen der schönsten Bilder, die man je im Genre gesehen hat. Dass man sich an den Platzhirschen orientiert, ist kaum verwunderlich. „Ad Astra“ atmet visuell Kubricks „2001“ und Tarkowskis „Solaris“, bleibt erzählerisch aber hinter beiden Vorbildern zurück. Denn obwohl der Film vor allem im letzten Drittel mit der Psyche des Protagonisten spielt, und Pitt das überzeugend minimalistisch tut, lässt die Handlung den inneren Verfall der Conrad-Erzählung vermissen. Die Vereinsamung und das langsam Abdriften in den Wahnsinn wird nur angedeutet, findet aber letztlich nicht statt. Das ist schade und nimmt dem Film einiges an Potenzial. Man versucht sich zwar an philosophische Denkmuster von Kubrick oder Tarkowski anzunähern, erreicht aber nicht ihr Niveau. „Ad Astra“ ist dennoch ein beeindruckender Kinobesuch. Die Bilder und vor allem das Tondesign (Musik: Max Richter) drücken den Zuschauer in den Kinosessel und zeigen eine Zukunftsvision, die in einigen Jahren Wirklichkeit sein könnte. Der Mond wurde besiedelt, es gibt dort menschliches Leben und dementsprechend auch so absurd wirkende Elemente wie Weltraumpiraten. James Gray betonte im Vorfeld, es sei sein Anspruch, die realistischste Darstellung einer Weltraumreise zu schaffen. Ohne das fachliche Wissen um die Richtigkeit der darstellten Vorgänge zu besitzen, erhält man als Zuschauer doch den Eindruck, dass hier eines ins andere greift und nichts unlogisch oder unrealistisch wirkt. Möglicherweise war dieser Anspruch, dem Realismus treu zu bleiben aber auch das Todesurteil für den Symbolismus, der doch irgendwo unter der Oberfläche brodelt. Der römische Dichter Vergil schrieb in seinem Epos „Aeneis“ den Satz: „sic itur ad astra“. Übersetzt bedeutet das so viel wie: „So reist man also zu den Sternen“. James Gray schnappt sich einen Teil des Zitats und erhält so seinen Titel. Die Zukunft wird zeigen, ob der Film zumindest in dieser Hinsicht recht behalten soll.

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Peter Gasser Di., 15.10.2019 - 18:21

Ich hab den Film gesehen, berauschend ist er nicht; das Narrativ eher seicht und unaufgeregt spannungslos, der rote Faden sehr segmentiert dargeboten, Action betrifft stets Nebenszenen (die Affen im havarierten Schiff, die Piraten am Mond (??), die irgendwie extra als Actiongeber eingeflochten scheinen... nein, der Film hat mich nicht überzeugt, ich fühlte mich nicht “ad astra”.

Di., 15.10.2019 - 18:21 Permalink