Politik | Raumordnung

Die Dichte der Volkspartei

Seit über einem Jahr blockiert die Gemeinde Bozen die Umwandlung von Büros in Wohnungen. Weil die SVP einen Teil ihres Sitzes verkaufen will, ändert man jetzt das Gesetz.
SVP Sitz
Foto: Hannes Prosch
Wie ernst die Politik ein Problem nimmt, hängt oft davon ab, wen es betrifft.
Trifft es den oder die Richtigen kann alles ganz schnell gehen.
Wie zielstrebig und effektiv man die Probleme dann löst, zeigt sich an einer Änderung des neuen Raumordnungsgesetzes, an der man derzeit fieberhaft arbeitet.
Im Zentrum steht dabei eine urbanistische Streitfrage, die vor allem in der Landeshauptstadt Bozen zu einem seit fast anderthalb Jahren anhaltenden Stillstand geführt hat. „Es ist ein Problem, das im ganzen Land auftritt“, sagt ein Südtiroler Immobilienexperte. Er schätzt, dass rund 700 Fälle davon betroffen sind.
Dass man das Problem gerade jetzt durch eine Gesetzesänderung lösen will, hängt auch damit zusammen, dass sich unter den Betroffen plötzlich auch die Südtiroler Volkspartei befindet. Die Regierungspartei plant eine Immobilienoperation, die nach dem derzeitigen Stand der Dinge so nicht machbar ist. Das ist der Tropfen auf den heißen Stein, der dazu führt, dass man das neue Raumordnungsgesetz noch in diesem Jahr abändern wird.
Die Regierungspartei plant eine Immobilienoperation, die nach dem derzeitigen Stand der Dinge so nicht machbar ist.
Doch der Reihe nach.
 

Die Bestimmung

 
Im neuen Landesgesetz für Natur und Landschaft heißt es im Artikel 36 „Umwandlung in Wohnvolumen innerhalb des Siedlungsgebietes":
 
„Innerhalb des Siedlungsgebietes ist die Umwandlung bestehender Baumasse in Baumasse für andere Zweckbestimmungen nach Löschung der etwaigen Bindungen zulässig, soweit mit den geltenden Planungsinstrumenten vereinbar.“
 
Es ist ein unscheinbarer Satz, der auch schon im alten Gesetz vorhanden war, aber nie so rigide umgesetzt wurde.
 
 
Ende Juni 2020 hat der Landeshauptmann per Dekret die landesweit gültigen einheitlichen Vorschriften zum Bauwesen erlassen. Die Direktorin der Abteilung „Natur, Landschaft und RaumentwicklungVirna Bussadori hat in einem Rundschreiben (1/2020) zum neuen Raumordnungsgesetz, das an alle zuständigen Ämter, Gemeinden und örtliche Körperschaften ging, eine amtliche Interpretation dieses Gesetzespassus geliefert.
Im Rundschreiben heißt es:
 
„Nicht zulässig ist eine Änderung der Zweckbestimmung der bestehenden Baumasse, welche die Baudichte der betroffenen Zone überschreitet, da gemäß Art. 36 Absatz 1 des LGRL innerhalb des Siedlungsgebiets die Umwandlung bestehender Baumasse in Baumasse für andere Zweckbestimmungen nach Löschung der etwaigen Bindungen nur dann zulässig ist, wenn dies mit den geltenden Planungsinstrumenten vereinbar ist.“
 
Aus dem Urbanisten-Deutsch übersetzt, wird das Ganze an einem hypothetischen Fall verständlich.
In einem Wohnhaus soll ein Büro in eine Wohnung umgewandelt werden. Die Baudichte der Zone ist im Bauleitplan mit 3,5 (3,50 verbaute Kubikmeter pro Quadratmeter) angegeben. Im Wohnhaus ist aber bereits jetzt eine Dichte von 4,5 vorhanden. In diesem Fall ist die Dichte nicht mit den geltenden Planungsinstrumenten vereinbar und deshalb ist die Umwandlung des Büros in eine Wohnung nicht möglich. Aber auch Umwandlungen von Geschäftslokalen in Büros oder Wohnungen oder von Wohnungen in Büros können so nicht mehr gemacht werden.
 

Bozner Ausnahmezustand

 
Das Problem besteht in ganz Südtirol. Besonders akut ist die Situation aber in Bozen. Denn in der Landeshauptstadt stimmt auch wegen der Größe der Häuser in unzähligen Zonen die effektive Baudichte mit der im Bauleitplan eingetragenen Baudichte nicht überein.
Nach dem Rundschreiben des Landes hat man in der Gemeinde Bozen kurzerhand alle Umwidmungen abgelehnt. Es ist sind Hunderte Fälle in denen nichts weitergeht.
Dabei gibt es bereits jetzt eine mögliche Lösung. Denn im neuen Raumordnungsgesetz ist auch eine Sonderregelung enthalten. Dort heißt es:
 
„In spezifisch begründeten Ausnahmefällen kann der Gemeinderat nach Einholen einer Stellungnahme der Gemeindekommission für Raum und Landschaft die vollständige oder teilweise Umwandlung der Baumasse erlauben. In diesem Fall ist für die Abweichung von den Planungsinstrumenten eine Ausgleichszahlung zu leisten, welche gemäß Artikel 19 festgelegt wird.“
 
 
Warum man diese Ausnahmebestimmung nicht anwendet, versteht eigentlich niemand. Anscheinend ist das Eisen den Gemeindepolitikern zu heiß und man will sich nicht direkt mit möglichen Umwandlungen befassen. Nur so ist der Bozner Stillstand verständlich.
Das Problem wurde politisch von verschiedensten Seiten aufgeworfen. Der frühere Bozner Stadtrat und jetzige PD-Landtagsabgeordnete Sandro Repetto hat im Landtag einen Beschlussantrag dazu eingebracht.
Gleichzeitig kommt es zu einer Art politischen Schubumkehr in dieser Frage. Der Grund dafür ist eine SVP interne Immobilienoperation.
 

Die SVP-Schulden

 
Es ist keine Neuigkeit, dass die SVP mit einem Schuldenberg kämpft. Nach der Jahrtausendwende rutschte die Südtiroler Volkspartei immer weiter in die roten Zahlen. Die Gründe dafür waren zum einen schrumpfende Zahlungen aus Rom, immer teurere Wahlkämpfe, ein Parteiapparat, der immer aufgeblähter wurde und auch die Unfähigkeit mancher Verwalter. Jahrelang lebte man unterm Edelweiß einfach auf zu großem Fuß.
Ende 2009 erreichte der Schuldenstand mit 5,9 Millionen Euro eine Rekordhöhe. Ende 2013 waren es immer noch 4,9 Millionen. Heute steht man bei einem Minus von rund 3 Millionen Euro
Die SVP fährt deshalb seit Jahren einen harten Spar- und Sanierungskurs. Dabei wurde nicht nur der Mitarbeiterstab auf ein Minimum reduziert, sondern auch das Immobilien-Portefeuille der Partei deutlich verkleinert. So verkaufte man bereits vor Jahren einen kleineren Teil des SVP-Sitzes in Bozen, mehrere periphere Parteilokale und auch die SVP-Bar in der Rittnerstraße. Jetzt soll der nächste Schritt folgen.
 
 
Die Stiftung SVP, die formal die Besitzerin der Immobilien ist, hat beschlossen weitere Teile des Parteisitzes in der Rittnerstraße in Bozen zu verkaufen. Es sollen der zweite Stock des Sitzes (dort wo heute das Büro des Parteiobmannes liegt), ein Keller und Garagen veräußert werden. Nach Informationen von Salto.bz gibt es auch bereits einen Kaufinteressenten. Es handelt sich um ein Immobilienunternehmen, das einer bekannten Südtiroler Unternehmerfamilie gehört. Es soll dazu bereits ein unterschriebener Kaufvorvertrag vorliegen.
Der Verkauf, der operativ von Landessekretär Stefan Premstaller betreut wird, hat aber einen entscheidenden Haken. Die Käufer wollen das ehemalige SVP-Büro in eine Wohnung umwandeln. Eine Bedingung des Deals ist es deshalb, dass diese Umwandlung der Zweckbestimmung raumordnerisch möglich sein muss.
Der SVP-Sitz befindet sich aber in einem Wohnkomplex in einer sogenannten Auffüllzone, wo genau das Problem besteht, das auch Hunderte andere Immobilienbesitzer haben. Die Baudichte im Haus ist bereits höher als jene im Bauleitplan. Damit wäre eine Umwidmung nicht möglich.
 

Im Schnelldurchgang

 
Dieses SVP-Dilemma hat dazu geführt, dass man jetzt das Problem auf höchster Ebene angegangen ist. Karl Zeller, der im Verwaltungsrat der SVP-Stiftung sitzt, hat als Anwalt die rechtliche Situation analysiert. „Die Bestimmung ist anachronistisch und muss geändert werden“, sagt er zu Salto.bz.
Genau das passiert jetzt im Schnelldurchgang. Am vergangenen Montag fand im Land eine Anhörung zu diesem Problem statt, auf der nicht nur der Abteilungsdirektor der Raumordnung in der Gemeinde Bozen, Paolo Bellenzier, vehement eine Änderung dieser Bestimmung einforderte. Auch Virna Bussadori merkte an, dass eine Nachbesserung des Gesetzes notwendig sei.
 
 
Genau das wird jetzt vorbereitet. Bereits am Freitag wurde dem Gemeindeverband ein erster Entwurf eines Abänderungsantrags vorgelegt. „Es wird noch daran gefeilt werden“, sagt die zuständige Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer gegenüber dem Corriere dell’Alto Adige, „das Ziel ist es eine Bestimmung zu formulieren, die einerseits die Bozner Probleme lösen, anderseits aber auch Immobilienspekulationen verhindern kann“.
Bereits am heutigen Montag soll die Änderung in der zuständigen Gesetzgebungskommission des Landtages behandelt und dann in die Aula des Landtages gebracht werden. Man will die Gesetzesänderung in das Haushaltsgesetz einbauen und noch vor Weihnachten im Landtag verabschieden.
Dann werden nicht nur Hunderte Immobilienbesitzer glücklich sein, sondern auch die SVP. Sie kann ihren zweiten Stock so wie geplant endlich verkaufen.

 

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alfred frei Mo., 15.11.2021 - 08:45

und 100Tausend Bürger schauen zu wie man private Interessen in kurzer Zeit in öffentliche Interessen umwandelt, d.h das Wohl der Allgemeinheit schützt bzw. fördert und so die Anliegen der Bozner Gemeinschaft wahrnimmt. Oder nicht ?

Mo., 15.11.2021 - 08:45 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Mo., 15.11.2021 - 09:20

Typisch S V P ,wenn sie ihre Ziele für Privatinteressen nicht durchbringen kann,dann ändert sie einfach das zuständige Gesetz,das dies verhindert hat bis jetzt.BRAVO weiter SVP wählen und nicht vergessen "s KARTL zu zohln"

Mo., 15.11.2021 - 09:20 Permalink