Politik | Wir und unsere Nachbarn

Porta a Porta leben wir nicht etwa mit Vespa

Ganz schön spannend, Arno Kompatschers erste Woche im Amt. Das überwältigende und in Italien totgeschwiegene Ergebnis der Selbstbestimmungsumfrage, diese geballt angestaute Ladung Neidhasses des restlichen Italiens, die sich bei Porta a Porta symbolisch und stellvertretend auf unseren wackeren Landeshauptmann entlud, zeigen deutlich, wie erneuerungsschwanger unser Land geworden ist.

Und Kompatscher hat sich schon auf den Weg gemacht, folgt unserem Weihnachtsstern am Zukunftshimmel: Treffen mit Ugo Rossi, Treffen mit Günther Platter. Europaregion! Diese viel bemühte, wenig gelebte und oft falsch verstandene Euregio. Kaum sprechen wir von ihr, so reden wir auch schon aneinander vorbei. Aufgeschreckt und unkoordiniert grad wie vielleicht damals die Hirten scheinen wir ohne das Geleit der Engelen die Dinge mit dem Kometen Euregio nicht auf die Reihe zu kriegen. Arno ein Engele? 

Missverstanden wird die EVTZ wohl schon wegen des Begriffs Region. Eine regione im Sinne der Italienischen Institution ist es aber nicht. Die Region gemeinsam mit unseren Trentiner Freunden hat uns weder wirklich Glück gebracht, noch haben wir uns selbst dabei mit Ruhm bekleckert. Viele wollen sie komplett abschaffen, um den Weg für einen Dreiländerlandtag zu ebnen. Ob man Existierendes brachial zertrümmern muss, um Neues aufzubauen, einmal dahingestellt. Aber eben als solches Konstrukt wollte uns die Generation Durnwalder die Euregio verkaufen, ein Superset von drei Ländern, als Umarmung von drei verschieden geharnischten Wappenadlern. Als etwas, das der Europäischen Regionenidee eigentlich komplett widerspricht: einem verordneten Territorium mit genau definierten Grenzen, anstatt themenspezifischer Partizipation derer innerhalb der Grenzen nach Bedarf und Einladung derer außerhalb. 

Missverstanden wird die EVTZ wohl auch wegen des marketingtechnisch gut klingenden „Europaregion Tirol“. Europäisch wollen wir ja sein und visionär über die Nationengebilde von Italien und Österreich hinausreifen. Nur, letztendlich entlarvt der Begriff das nicht totzukriegende Bedürfnis nach einer Ersatznation, nach historischer Selbstrechtfertigung und letztlich nach Identität. Das ist nicht illegitim, aber es ist auch nicht wirklich zielführend, restaurierend in ein modernes Europa aufbrechen zu wollen, zumal die demografische Situation in Südtirol den direkten Weg zurück in die Vergangenheit eh nur über Stolpersteine führen ließe. 

Jetzt aber, anlässlich Arno Kompatschers Antrittsbesuchs beim Nordtiroler Kollegen, sprach Günther Platter dem Bezirksblatt ins Protokoll:  

 „Mein Ziel ist es, Tirol gemeinsam mit seinen Nachbarländern als starken regionalen Verbund in Europa zu positionieren. Mit der Westachse haben wir uns in der Vergangenheit bereits sehr klar positioniert. Auch mit Bayern gibt es eine gute und freundschaftliche Verbindung, die ich weiter forcieren möchte."

Bingo. Treffender und pragmatischer, ja pathosfreier hätte ich es nicht formulieren können. Auch wir hätten vom Drautal bis ins Engadin unsere Ost/Westachse, auch wir könnten uns noch wesentlich klarer gemeinsam mit dem Trentino (und why not nicht auch mit dem Belluno) positionieren, und haben auch sonst etliche nichtinstitutionalisierte Talschaften Porta a Porta um uns herum (siehe Bild), die in vielerlei themenspezifischen Sinne in unsere Gemeinschaft mit hineingehören. Unsere so verbundene Alpenfestung tut aber auch gut daran, mit dem südlichen Glacis gute und freundschaftliche Verbindungen zu pflegen. So, wie es dem Platter mit Bayern vorschwebt.  

Regionaler Verbund in Europa. Es ist kein charmanter Begriff, den Platter da wählt, aber ein sehr überlegter. Einer ohne ethnischen Sprengstoff, ohne sezessionistische Wortstärke. Einer der Türen öffnet. Keine überbetonte Tiroler fraternité (oder sororité), die schon unseren Cousinen ausschließt, sondern einfach nur ein zukunftsbetontes amitié in alle Himmelsrichtungen. Regionaler Verbund in Europa. Ein Begriff, der von Selbstbewusstsein nur so strotzt und von Bereitschaft zu Verantwortung. 

Und so nährt sich die Hoffnung, dass die Generation Kompatscher beginnt, eine andere Euregio zu bauen. Eine, die sich nicht über Grenzen und Historie, sondern über Interessen und Bedürfnisse definiert. Eine, die sich der regionalen Verantwortung und Solidarität verpflichtet. Gemeinschaft halt. Lasst uns unsere Energie mit denen investieren, mit denen wir wirklich Tür an Tür wohnen, und nicht bei denen, die uns nicht verstehen, sondern besitzen wollen. Es ist noch zu diskutieren, ob Selbstbestimmung und Autonomiekonvent dazu Instrumente sein könnten – und zu hoffen, dass Arno wie ein Engele den Weg leuchtet!