Gesellschaft | TV-Serie

Spiel mit der Psyche

Warum ist “Game of Thrones” derart erfolgreich? Auch, weil uns die TV-Serie den Spiegel vorhält, so die Erkenntnis des Innsbrucker Psychologen Gerald Poscheschnik.
Game of Thrones
Foto: upi

Für die Fans in den USA hat das Warten endlich ein Ende gefunden. Am Sonntag wurde die erste Folge der achten Staffel von “Game of Thrones” ausgestrahlt. Es ist die letzte Staffel der Verfilmung des kolossalen Fantasy-Epos von George R. R. Martin.

Mittelalter-Setting, Drachen, Magie, Ränkespiele und epische Schlachten – und die Frage, welcher der Charaktere die letzte Folge überleben und wer am Ende auf dem titelgebenden Thron sitzen wird. Auch tausende Kilometer entfernt ist das Interesse am “Spiel der Throne” immens – auch aus wissenschaftlicher Sicht. An der Uni Innsbruck hat sich der Bildungswissenschaftler und Psychologe Gerald Poscheschnik näher angeschaut, was der Erfolg der TV-Serie über unsere kollektive Psyche verrät und seine Erkenntnisse zu Papier gebracht. Poscheschnik bezeichnet “Game of Thrones” als “Spiegel unserer Gesellschaft”.

“Die Charaktere sind nicht plump gut oder böse gezeichnet, durchleben einen Entwicklungsbogen, man will wissen, wie es weitergeht – alles Merkmale erfolgreicher Serien oder Filme, die auch ‘Game of Thrones’ erfüllt.” (Gerald Poscheschnik)

 

Psychoanalytische Landkarte

Drei Gebiete lassen sich in “Game of Thrones” und der zugrundeliegenden Roman-Serie unterscheiden: Westeros ist der Name des Hauptkontinents, auf dem sich die Handlung wesentlich abspielt. Im nördlichsten Teil von Westeros lauert eine anfangs nicht näher bestimmte und von den Charakteren der Serie als Märchen abgetane Gefahr – die sogenannten “Weißen Wanderer”, zombie-ähnliche Figuren. Eine vermeintlich unüberwindbare Mauer aus Eis grenzt den Süden des Kontinents außerdem von diesem Norden ab und schützt vor den “Weißen Wanderern”. Im Osten trennt ein Meer Westeros von seinem Nachbarkontinent Essos – im Gegensatz zum “europäisch”-mittelalterlich geprägten Westeros ein exotischer Ort voller Wunder und Magie. Hierhin wurde die ehemalige Herrscherfamilie aus Westeros – zumindest das, was zu Beginn der Handlung davon übrig ist – vertrieben und dort bereitet die letzte Thronerbin dieser Dynastie ihre Rückkehr vor.

 

Niedergang, Hoffnung und Verdrängtes

Für Gerald Poscheschnik verkörpern diese drei Gebiete und die Handlungsstränge, die sich auf diesen Schauplätzen abspielen, Unbewusstes, das auch unsere heutige Gesellschaft prägt: “Westeros ist die Welt im Konflikt, im Niedergang, symbolisiert durch den Tod des Königs als Auslöser. Hier herrscht Krieg, hier wird intrigiert, gemordet, auch vermeintlich ‘edle’ Charaktere können hier nicht viel ausrichten und sterben in der Serie”, sagt er. Das könne als Chiffre für die heutige Kultur gelesen werden, in der – zumindest subjektiv gesehen – ebenfalls Unsicherheit zunimmt und Gesellschaften immer mehr auseinander klaffen. “Vordergründig hat Westeros nichts mit uns zu tun, wir sind nicht bedroht von Eis-Zombies und Drachen gibt es auch nicht. Aber die Großgruppendynamik und die Stimmung ist bekannt.”

 

Der Norden verkörpert laut Poscheschnik Verdrängtes – die Gefahr, die man bewusst ignoriert oder weglächelt: “In der Serie werden Warner verlacht, niemand nimmt die Bedrohung ernst, bis sie buchstäblich vor der Tür steht. Das ist ein kollektiver Prozess, das Individuum ist ohnmächtig, etwas zu unternehmen und ignoriert die Gefahr.” Vergleiche mit realen Bedrohungen wie dem Klimawandel liegen hier nahe, auch dessen Gefahr wurde lange ignoriert und ausgeklammert. Und zu guter Letzt verkörpert Essos die Hoffnung: Die Königin, die vermeintlich Ordnung in Westeros schaffen kann, kommt von dort. “Essos ist Projektionsfläche für die Hoffnung auf eine gute Wendung, auf eine Lösung der Konflikte und eine Abwehr der Gefahr. In Zeiten der Angst und der Krise taucht immer Hoffnung auf und dient auch dazu, um uns über Schlimmes hinwegzutragen und zu trösten – auch eine Form des Selbstbetrugs, ähnlich der Verdrängung.”

 

Popkultur als Spiegel

“Nicht zuletzt ist ‘Game of Thrones’ auch spannendes Fernsehen”, stellt Poscheschnik fest. Anders seien die Erfolge, die die Serie feiert, nicht möglich. “Die Macher weben da einen sehr dichten Teppich an Erzählsträngen, die Charaktere mit ihrer Ambivalenz sind glaubwürdig. Wenn man sich nicht von der äußeren Form blenden lässt, kommt man drauf, dass diese Serie ein sehr guter Spiegel unserer Gesellschaft ist – das ist nicht so fern, wie die Fantasy-Elemente zuerst vermuten lassen. Zugleich ist Popkultur auch immer Ausdruck eines Zeitgeists, manchmal sogar Katalysator – und gerade ‘Game of Thrones’ zeigt das gut. Am Ende ist die Serie auch einfach unterhaltsam – und sie lenkt von realen Gefahren ab.”