Gesellschaft | Gastbeitrag

Die Schilderung eines “Insiders”

Werner Beikircher arbeitet als Anästhesist in der Intensivstation des Brunecker Krankenhauses. In diesem Beitrag schildert der Arzt, wie er die Masken-Affäre erlebt hat.
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Foto: upi
Sie wünschen sich den Beitrag eines “Insiders”, ich werde es versuchen. Es wird ein subjektiver Blick aus dem Inneren des Systems. Ich bin Anästhesist an einer Intensivstation in Südtirol mit Erfahrung.
Es geht um Masken. Und speziell um die KN95 aus der Chinalieferung durch die Firma Oberalp. Die Leistungsklasse dieser Maske liegt offiziell zwischen FFP2 und FFP3, die renommierte Weltfirma 3M klassifiziert sie als FFP2, die bereits hinlänglich bekannten Prüfberichte aus Essen und Wien als mehrfach unterhalb FFP2.
Vorab einige Prämissen. Im Hochrisikobereich wie auf Intensivstationen sind Masken der Schutzklasse FFP3 vorgeschrieben. Hochwertige Produkte dieser Linie dichten so gut, dass das Arbeiten damit zur Qual wird; das Atmen fällt schwer, es besteht Sauerstoffmangel, hohe Kohlendioxyd-Rückatmung und Sekretstau. Nach einigen Stunden unter dieser Maske ist man völlig fertig. Das ist gut so, das muss so sein, es ist das Qualitätskriterium eines guten Produkts.
Irgendwann in der zweiten Märzhälfte sind die Bestände dieser hochwertigen Masken an den Südtiroler Krankenhäusern zu Ende gegangen. Diese Tatsache ist kein Anlass zu Kritik an unserem Sanitätswesen, es ist ein flächendeckendes internationales Problem, entstanden durch Lieferembargos und dem Auftreten des großen Players Amerika auf dem Weltmarkt.
Als Ersatz hatten wir nun französische FFP3 Masken, bei denen aufgrund eines Konstruktionsfehlers reihenweise die Haltebänder an den Nahtstellen bereits beim Anlegen ausgerissen sind, wir mussten diese Stellen mit einer Klammermaschine nachtackern.
Ich war vorerst erleichtert als ich merkte, dass mn mit dieser Maske auch noch besser atmen kann. Erst mitten in meinem Turnus dämmerte mir langsam, warum das wohl so wäre.
Wir waren also sehr froh, als Ende März dann die KN95 eingetroffen sind. Ich war vorerst erleichtert als ich merkte, dass man mit dieser Maske auch noch besser atmen kann. Erst mitten in meinem Turnus dämmerte mir langsam, warum das wohl so wäre.
In der Folge habe ich dann mehrfach versucht, einen besseren Dichtsitz mit mehreren Masken zu erzielen, es ist mir nicht gelungen.
 
 
Die Sanitätsdirektion des Betriebes hat dann durchaus zügig reagiert und in einem Rundschreiben am 31.03.2020 die Verwendung dieser Masken auf Intensivstationen untersagt. Allerdings waren bis dahin schon große Mengen davon ausgegeben worden. Parallel dazu wurden putzige Filme dazu gedreht, wie man eine solche Maske dicht kriegen könnte und auch die Covid-19 Taskforce hat diese Maske noch für die Verwendung auf Intensiv verteidigt. Trotz zweier kritischer Gutachten von anerkannten internationalen Prüfstellen klammerte sich Zerzer noch an den Strohhalm eines Innsbrucker Gutachtens. Hier brauchte es nicht mal mehr investigativen Journalismus, denn noch bevor Zerzer's Tinte trocken war, hat Tirol die Existenz jeglicher Expertise dementiert.
Von allen guten Geistern verlassen? Panik? Hilflosigkeit?
Von allen guten Geistern verlassen? Panik? Hilflosigkeit?
Warum sich nicht einfach hinstellen und sagen, wir haben hier eine tolle große Lieferung für den niederschwelligen Risikobereich, auch das haben wir schließlich gebraucht.
„Ich bin da kein Fachmann, aber es war von Anfang an klar, dass die Masken nicht für Intensivstationen gedacht sind“ (Heiner Oberrauch im Dolomiten-Interview).
Ein Satz wie ein Schwert.
 
 
Die Sanitätsdirektion hat durchaus zügig reagiert und in einem Rundschreiben dieser Masken auf Intensivstationen untersagt. Allerdings waren bis dahin schon große Mengen davon ausgegeben worden.
Ja warum sind dann diese KN95 an Intensivstationen ausgegeben worden?
Bis zu 25% des sanitären Personals könnten weltweit infiziert sein. Und wenn schon kein ethischer Imperativ besteht, diese Personen bestmöglich zu schützen, dann wenigstens ein medizinstrategischer: wenn diese Berufsgruppen ausfallen, dann hilft niemand mehr.
Vielen Dank Heiner, für deinen großartigen Einsatz, Dank auch an alle in den Beschaffungsämtern und politischen Instanzen, die sicher mit aller Kraft darum kämpfen, dass wir Schutzausrüstung bekommen. Es ist Ostern und noch Höhepunkt der Krise, wir müssen jetzt alle zusammenstehen, auch mit jenen, die vielleicht Fehler gemacht haben.
Vieles wird sich später klären, wenn das Schlimmste vorbei ist.
Kein schöner Land in dieser Zeit, aber Vertrauen ist verloren gegangen in dieser Zeit.
 
 
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Profil für Benutzer Steuer Zahler
Steuer Zahler Mi., 15.04.2020 - 12:33

Hut ab, Herr Dr. Beikircher, fuer all das, was Sie und Ihre Kollegen in dieser Zeit leisten und mitmachen mussten und noch muessen.
Danke fuer den Einsatz und die Leistung !
Mir bleibt nur ein ironischer Kommentar: In Deutschland und Oesterreich werden technische Beschaffenheiten zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und der oeffentlichen Sicherheit zertifiziert, bei uns in Suedtirol hingegen ZERZIFIZIERT.

Mi., 15.04.2020 - 12:33 Permalink