Wirtschaft | Ressourcen

Overshoot Day

Erdüberlastungstag: Italien hat heute, am 15. Mai, seine natürlichen Ressourcen für 2023 verbraucht. Die OEW ruft zum Umdenken auf und erklärt die Hintergründe.
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Foto: Sami Aksu / Pexels
Am Montag, 15. Mai erreichen wir italienweit wieder den sogenannten Erdüberlastungstag (Overshoot Day). Von da an leben wir bis zum Jahresende ressourcentechnisch auf Pump und konsumieren unwiderruflich mehr, als sich natürlich regeneriert. Würden alle Länder so viele Ressourcen verbrauchen wie wir in Italien, dann bräuchten wir laut dem Global Footprint Network rund 2,7 Erden. Da wir diese nicht zur Verfügung haben, leben wir von begrenzten Reserven, die eigentlich für zukünftige Generationen bestimmt wären – und auf Kosten anderer. Denn die stärksten Auswirkungen des Überkonsums wie Landraub, Umweltverschmutzung, Wassermangel, Nahrungsunsicherheit, Vertreibung und Extremwetterereignisse treffen jene Länder und Bevölkerungsgruppen, die kaum finanziellen Mittel haben, sich dagegen zu schützen.
Der Klimawandel bedeutet für sie, dass sie aufgrund von zu vielen oder zu wenigen Niederschlägen nicht mehr Lebensmittel anbauen und sich davon ernähren können.
Im Rahmen weltweiter Aktionen gegen den Überkonsum ruft die OEW-Organisation für Eine solidarische Welt deshalb heuer zum dritten Mal die Aktionswochen zum Erdüberlastungstag in Südtirol aus. Unter dem Titel „Move The Date“, zu Deutsch „Verschieb mit uns den Erdüberlastungstag“, haben sich mehr als 50 Vereine, Gruppen, Schulen und Organisationen zusammengeschlossen und organisieren vom 15. bis zum 27. Mai Aktionen, die dazu inspirieren sollen, Ressourcen zu schonen und bewusst globale Fairness einzufordern. Alle Aktionen sind unter www.oew.org/movethedate einsehbar, darunter auch die OEW-Challenge #MoveTheDate, die alle Südtiroler*innen dazu auffordert, zwei Wochen lang einen Selbsttest im Ressourcenschonen durchzuführen.
 
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Move The Date: Die OEW ruft zum Ressourcensparen auf, um den Erdüberlastungstag gemeinsam nach hinten zu verschieben. (Foto: OEW)
 
In einem einzigen Jahr produzieren wir in Europa* pro Kopf durchschnittlich 554 Kilogramm Müll, 5.000 Kilogramm CO2-Emissionen, konsumieren 1.300 Kilowatt Strom, 150 Kilogramm Papier, 2.336 Stunden Internet, 60 Kilogramm Kleidung, 70 Kilogramm Fleisch, schmeißen 78 Kilogramm Lebensmittel weg und fahren 11.387 Kilometer mit dem Auto (*Quelle: OEW-Ausstellung: www.oew.org/movethedate). Dass diese Auflistung bei weitem noch nicht alles beinhaltet, was wir täglich konsumieren und verbrauchen, zeigt, wie stark wir täglich in die Pedale eines globalen, ausbeuterischen Wirtschaftssystems treten.
 
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Verena Dariz: „Würden wir es beispielsweise schaffen unsere Nahrungsmittelabfälle weltweit zu halbieren, würde der globale Erdüberlastungstag 13 Tage später stattfinden.“  (Foto: OEW)
 
Verena Dariz von der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt erklärt: „Mit den Aktionswochen wollen wir Handlungsspielräume aufzeigen und für eine Ressourcenschonung sensibilisieren, die uns und allen Menschen weltweit einen Vorteil bringt.“ Die Globalisierung stelle vor große Herausforderungen, dabei könnten laut Dariz bereits kleine tägliche Verhaltensänderungen zu einer Minderung des Überkonsums beitragen: „Würden wir es beispielsweise schaffen unsere Nahrungsmittelabfälle weltweit zu halbieren, würde der globale Erdüberlastungstag 13 Tage später stattfinden. Auch eine Halbierung des Verbrauchs von fossilen Ressourcen würde dieses Datum um 90 Tage nach hinten verschieben.“ 
 

Globale Unterschiede

 
Die ungerechte Ressourcenverteilung und -nutzung ist dabei ein wichtiger Punkt, den die Initiatorinnen der Wochen in den Fokus stellen wollen. Vor allem die Menschen in den „Produktionsländern“, im sogenannten Globalen Süden, in denen die meisten Rohstoffe wie fossile Brennstoffe, Metalle, Holz, Lebensmittel, Futtermittel und Textilprodukte angebaut oder gefördert werden, gehören zu den direkten Verlierern des vermeintlichen Ressourcengewinns. Aktuell liegt der Pro-Kopf-Konsum an Rohstoffen in Ländern des Globalen Nordens, also auch bei uns, schätzungsweise viermal höher als in Ländern des Globalen Südens. Die Menschen dort konsumieren aber nicht nur weniger, sondern sind auch am heftigsten von den Folgen des Überkonsums betroffen. So ist beispielsweise der Klimawandel eine direkte Folge der weltweiten Umweltbelastung – und führt derzeit vor allem in Ländern mit unzureichender Infrastruktur und in südlichen Klimazonen zu fatalen Extremwetter-Ereignissen.  
 
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Monika Thaler: „Kaum ein Produkt unseres Alltags kommt ohne die Rohstoffe aus Ländern des Globalen Südens aus.“ (Foto: OEW)
 
OEW-Netzwerkpartnerin Alexandra Almeida arbeitet für Acción Ecológica, eine der wichtigsten Umweltorganisationen in Ecuador zum Schutz der lokalen Bevölkerung im Amazonas. Sie betont: „Klimakrisen betreffen den gesamten Planeten und die Menschheit als Ganzes. Doch in Ecuador und in vielen weiteren Ländern des Globalen Südens sind Frauen, indigene und bäuerliche Gemeinschaften und andere verarmte Bevölkerungsgruppen am stärksten betroffen. Der Klimawandel bedeutet für sie, dass sie aufgrund von zu vielen oder zu wenigen Niederschlägen nicht mehr Lebensmittel anbauen und sich davon ernähren können.“
Ruth Salditos, eine philippinische Menschenrechtsaktivistin für Fair-Trade-Produzent*innen, die schon mehrmals in Südtirol war, ergänzt: „Transnationale Konzerne und Regierungen profitieren von den günstig angebotenen Ländereien und den geringen Produktionskosten im Globalen Süden. Vertreibung ist das Ergebnis, sobald Bäuerinnen und Bauern die Kontrolle und die Rechte über ihr Land verlieren. Ein Fischer verliert das Recht in seinem gewohnten Fischereigebiet zu fischen. Daraus resultieren Armut und Hunger. Weniger Land für die lokale Lebensmittelproduktion bedeutet Nahrungsunsicherheit.
OEW-Mitarbeiterin Monika Thaler schließt: „Kaum ein Produkt unseres Alltags kommt ohne die Rohstoffe aus Ländern des Globalen Südens aus. Gerade deshalb tragen wir eine Mitverantwortung für die weltweiten ökologischen und sozialen Folgen unseres Konsums.“ Als Teil einer globalen Gesellschaft stehen wir laut OEW alle in der Verantwortung, etwas dazu beizutragen, um die negativen Auswirkungen des Ressourcenverbrauchs auf unsere Mitmenschen, unsere Umwelt und für die nachkommenden Generationen einzuschränken. Die energieintensive, meist menschenrechtsverletzende und umweltbelastende Ressourcengewinnung von oft reinen Wegwerfprodukten führe aktuell zu einem enormen sozialen Ungleichgewicht.
Um mit konkretem Beispiel voranzugehen hat die OEW deshalb im Rahmen der Aktionswochen auch die #MoveTheDate-Challenge ins Leben gerufen. Alle Gruppen, die daran teilnehmen und zwei Wochen lang eine der 15 Herausforderungen wie vegan essen, kalt duschen, plastikfrei einkaufen und nichts streamen annehmen, können am Ende der Wochen eine faire Marende gewinnen. Die Gruppen können sich frei zusammensetzen aus Familie, Arbeitskolleg*innen, Freund*innen, Klasse, Verein oder anderes. Natürlich sind auch Einzelpersonen eingeladen, sich Inspiration unter www.oew.org/movethedate zu holen und sich auf eine der Challenges einzulassen, um gemeinsam langfristig eine Veränderung zu bewirken.
 
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Dietmar Nußbaumer Mo., 15.05.2023 - 20:38

Deutschland hat es früher geschafft, Anfang Mai. Der Faule soll allerdings nicht davon ablenken, dass es noch genug zu tun gibt. Beispielsweise Flugreisen und Reisen ins All. Zum Letzteren, es gibt Leute, die, nach menschlichem Ermessen, zuviel Kohle haben und damit allerlei unsinnigen Unfug treiben inkl. eines riesigen CO2-Fußabdrucks. Daher wäre ein individuelles CO2-Kontingent dringend notwendig.

Mo., 15.05.2023 - 20:38 Permalink
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Josef Fulterer Di., 16.05.2023 - 07:11

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Wenn die Entscheidungs-Träger in der Politik und Wirtschaft nicht endlich den Mut haben,
"einschränkende Gesetze,"
Verbote,
Steuern auf den Flugtreibstoff,
Geschwindigkeits- und Gewichts-Beschränkungen für den Privat-Verkehr,
Aktivierung der Staatlich geführten Eisenbahnen nach wirtschaftlichen Grundsätzen,
passende Steuern / Zölle für unsinnige Warentransporte um die ganze Welt usw. einzuführen,
wird sich die Natur rächen.

Di., 16.05.2023 - 07:11 Permalink