Gesellschaft | Schulamt

Göttliche Vergebung

Die Geschichte des Inspektors für den Religionsunterricht, Christian Alber, macht deutlich, dass in der Bildungsdirektion mit den richtigen Fürsprechern alles geht.
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Foto: katholisch.de
Für Christian Alber ist der 30. Mai 2022 der Tag der Erlösung.
An diesem Tag wird das Ergebnis des Auswahlverfahrens für die Ernennung zum Inspektor für den katholischen Religionsunterricht an den deutschsprachigen Grund- und Sekundarschulen offiziell bekanntgegeben. Der Gewinner des Wettbewerbes heißt Christian Alber.
Mit dieser Entscheidung wird eine seit eineinhalb Jahrzehnten anhaltende Situation beendet, die formal und rechtlich äußerst fraglich ist. Der heute 51-jährige Theologe kann sich jetzt auf seinen Stuhl im Schulamt zurücklehnen. Er ist am Ziel seiner beruflichen Wünsche.
Dabei macht diese Sanierungsaktion deutlich, wie der Südtiroler Schuldienst funktioniert und welchen Einfluss die Amtskirche in diesem Land und in der Landesverwaltung hat.
Im Namen Gottes werden die Regeln der öffentlichen Verwaltung nach Belieben gebogen und gedehnt.
Im Namen Gottes werden die Regeln der öffentlichen Verwaltung nach Belieben gebogen und gedehnt. Selbst eine zeitweise Suspendierung und staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen können diesem Arrangement keinen Abbruch tun.
 

Die Schulinspektoren

 
In der Hierarchie des Schulamtes (heute Landesdirektion deutschsprachige Grund-, Mittel- und Oberschulen) stehen Schulinspektoren und -inspektorinnen gleich neben dem Schulamtsleiter bzw. der Landesschuldirektorin an oberster Stelle. Sie sind für eine Reihe von Arbeitsbereichen und Schlüsselfunktionen zuständig, die von der Durchführung von Inspektionen, der Aufsicht bei Abschlussprüfungen, der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen bis hin zu den Zielvereinbarungs- und Dienstbewertungsgesprächen mit Schulführungskräften reichen. Die Rolle des Schulinspektors ist eine Art strategische Stabsstelle im Schulbereich.
Schulinspektoren werden direkt vom Schulamtsleiter bzw. der Landesschuldirektorin unter den erfahrenen und kompetentesten Schulführungskräften ernannt. Voraussetzung ist, dass die Auserwählten einen Direktorenwettbewerb bestanden haben.
 
 
In diesem Konstrukt gibt es aber seit fast 25 Jahren eine Südtiroler Besonderheit.
Religionslehrer erhalten ihre Stelle bekanntlich nicht wie alle Lehrpersonen der curricularen Fächer über einen öffentlichen Wettbewerb, sondern werden von der Diözese nach Überprüfung ihrer Eignungskriterien (Missio) beauftragt. Nachdem nur Lehrpersonen mit mehrjähriger Lehrtätigkeit als Inhaber eines durch Landeswettbewerb erteilten Lehrstuhls die Zugangsvoraussetzungen für einen Wettbewerb als Schulführungskräfte besitzen, kann ein Religionslehrer deshalb auch nicht Schulführungskraft werden.
Vor diesem Hintergrund hat man 1998 ein eigenes Landesgesetz erlassen, dass besagt, dass der Diözesanordinarius ein Ausleseverfahren für die Ernennung der Religionsinspektoren durchführt. Die Entscheidung, wer für diese Aufgabe als geeignet betrachtet wird, orientiert sich eher an göttlichen als an irdischen Gesetzen.
Das Landesgesetz sieht vor, dass diese Ernennung des Religionsinspektors „zeitlich beschränkt“ ist.
 

Wunder im Schulamt

 
Ähnlich wie die Religionslehrer hatte auch der Religionsinspektor damit schon seit seiner Einsetzung eine Art Sonderstellung. Wie der eigentliche Titel „Inspektor für den Religionsunterricht“ besagt, war die Figur ursprünglich ausschließlich für die Betreuung der Südtiroler Religionslehrer gedacht. Und damit wäre auch die Ernennungsformel durchaus schlüssig.
Doch so war es nur in den ersten Jahren. Josef Stampfl war nur für die Religionslehrer zuständig. Als er in Pension ging, ernannte 2007 die Diözese Christian Alber als seinen Nachfolger.
 
 
Jahrelang war Erica Fassa als Koordinatorin im Schulinspektorat tätig. Unter ihrer Leitung war - wie vom Gesetz vorgesehen - Christian Alber ausschließlich für die Religionslehrer zuständig. Alber durfte damit keine Schulführungskräfte bewerten.
Als Fassa 2009 in Pension ging, geschah aber plötzlich ein Wunder.
Der damalige Schulamtsleiter Peter Höllrigl ändert ohne gesetzliche Absicherung kurzerhand die Spielregeln. Mit Beginn des Schuljahrs 2009/2010 überträgt Höllrigl Christian Alber alle Kompetenzen eines normalen Schulinspektors
Doch damit nicht genug: Als am 31. August 2016 die Fassa-Nachfolgerin und Koordinatorin der Schulinspektoren Martha Herbst in den Ruhestand geht, überlässt Schulamtsleiter Peter Höllrigl die Entscheidung über die Nachbesetzung seinem Inspektorenteam. Und nachdem sich niemand bereit erklärte, den Auftrag zu übernehmen, fiel die Wahl auf den Dienstältesten des Inspektorats: Christian Alber.
 

Zeitliche Beschränkung: 15 Jahre

 
Damit besteht jahrelang eine doppelt absurde Situation.
Südtirols Direktoren werden von einem Inspektor bewertet, der nie einen Wettbewerb als Schulführungskraft bestritten und bestanden hat. Und der einzige Inspektor ohne öffentlichen Wettbewerb als Schulführungskraft wird gleichzeitig zum Koordinator der Inspektoren und zum direkten Vorgesetzten der Sekretariatskräfte des Inspektorates -  was laut Dienstrecht einer Führungskraft in der Landesverwaltung vorbehalten ist. Nachdem Salto.bz diese Geschichte öffentlich macht, wird die Aufgabe des Koordinators an Sigrun Falkensteiners Stellvertreter Werner Sporer übertragen.
Dennoch bleibt ein Grundproblem. Im Landesgesetz ist von einer „zeitlich beschränkten Ernennung des Religionsinspektors“ die Rede. Christian Alber aber tritt am 1. September 2007 seinen Dienst an. Er hat danach 15 Jahre lang dieses Amt ununterbrochen inne.
Möglich wird das durch einen Trick: Alber bekommt immer nur eine Beauftragung für ein Jahr. Diese Beauftragung wird 13 mal verlängert.
 
 
Dass man in all diesen Jahren keinen offiziellen Wettbewerb für die Stelle ausschreibt, hat einen einfachen Grund: Christian Alber hat die Voraussetzungen nicht. Inzwischen aber hat man das zurechtgebogen. Albers Studientitel wurde gleichgestellt und in Südtirol anerkannt.
Das ist dann auch der Hauptgrund, warum man am 15. März 2022 völlig überraschend ein „Auswahlverfahren für die Ernennung zum Inspektor oder zur Inspektorin für den katholischen Religionsunterricht an den deutschsprachigen Grund- und Sekundarschulen“ ausgeschrieben hat. Es ist ein Auswahlverfahren, das von Anfang an auf eine Person zugeschnitten ist.
Die Wettbewerbskommission, bestehend aus Bildungsdirektor Gustav Tschenett, Laura Cocciardi, Direktorin des Bozner Lyzeums „Pascoli“ und dem Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-theologischen Hochschule Brixen, Martin Lintner, hat am 27. Mai 2022 eine Vorauswahl getroffen. Neben Christian Alber wurde dabei auch die Religionslehrerin Sabine Kuppelwieser zur eigentlichen Auswahl zugelassen. Drei Tage später wird dann der Gewinner der Stelle ernannt: Christian Alber.
 

Die vergessenen Sünden

 
Wie sehr man den alten und neuen Religionsinspektor in der Landesschuldirektion schätzt, zeigt sich auch daran, dass man bei diesem Auswahlverfahren einen kleinen Skandal kurzerhand „vergessen“ hat.
Im April 2019 deckten die Freiheitlichen im Landtag auf, dass eine von Christian Alber verfasste Broschüre „Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule – Informationen, Orientierungen und Empfehlungen“ wortwörtlich und ohne Quellenangabe von einem Flyer der Evangelischen Landeskirche Baden abgeschrieben wurde. Nachdem die Südtiroler Freiheitlichen auf einer Pressekonferenz den Inhalt des Leitfadens zum Umgang mit muslimischen Schülerinnen und Schülern vehement kritisieren, zieht Bildungslandesrat Philipp Achammer umgehend die Reißleine und verlangt den Einzug der Broschüre.
 
 
Die Landeschuldirektion meldet wenig später, dass Christian Alber „die institutionellen Aufgaben als Inspektor bis auf Weiteres ruhen lasse”. Alber selbst habe darum ersucht, vorerst von seinen Aufgaben entbunden zu werden. Danach wird es wieder ruhig um den Religionsinspektor.
Bis Anfang 2020 Diego Nicolini das Thema auf eine neue Ebene hebt. Der Fünf-Sterne-Abgeordnete macht zwei Anfragen zu Christian Alber im Landtag. Inzwischen sind andere Unregelmäßigkeiten in der offiziellen Vita des Religionsinspektors aufgetaucht.
Denn es kann schlüssig nachgewiesen werden, dass der Religionsinspektor jahrelang eine Falscherklärung abgegeben hat.
Alle Führungskräfte des Landes müssen jährlich einen Lebenslauf einreichen, den das Land dann im Einklang mit den Bestimmungen zur "transparenten Verwaltung" veröffentlichen muss. Im Lebenslauf müssen auch die Sprachkenntnisse angeführt werden. Jahrelang führt Christian Alber dabei Italienischkenntnisse auf C2-Niveau, d. h. auf Muttersprachenniveau an. Dazu Englisch-Kenntnisse auf B1-Niveau. Laut Curriculum handelt es sich dabei um eine „Selbstbeurteilung“.
Nachdem die Tageszeitung in einem Artikel offen diese Sprachkenntnisse auf höchstem EU-Niveau aber anzweifelt, hat Alber diese Angaben deutlich revidiert. In einem neuen offiziellen Lebenslauf ist jetzt von C2- und B1-Niveau nicht mehr die Rede. Plötzlich heißt es: Italienisch (Zweisprachigkeitsnachweis A) und Englisch (Grundkenntnisse).
Vor allem aber wird eines immer deutlicher: Christian Alber hat damals keinen in Italien anerkannten Studientitel. Diego Nicolini macht deshalb im Jänner 2020 eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft Bozen.
Vor diesem Hintergrund bekommt der jetzt abgehaltene Wettbewerb des Landes einen noch fahleren Beigeschmack.
Vergebung für manche wird anscheinend nicht nur in der Kirche großgeschrieben.

 

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Hans Obermair Do., 16.06.2022 - 12:05

Dasselbe gilt für den letzten Direktorenwettbewerb 2021: 91 schriftliche Arbeiten zu jeweils 5 Themen in nicht einmal drei Tagen korrigiert. Nur 16 Kandidaten bestehen die Prüfung, davon auffallend viele aus dem Nahebereich des Schulamts. Wohin soll das führen mit unserer Landesverwaltung?

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Gregor Beikircher So., 19.06.2022 - 18:20

Seid getrost! Das war bei Wettbewerben vor 2021auch nicht besser. Politisch missliebige oder allzu kritische Personen hat man immer schon versucht aus entsprechenden Posten auszusieben.

So., 19.06.2022 - 18:20 Permalink