Gesellschaft | Körperkunst

Ein Job, der unter die Haut geht

Der eine zog nach Berlin, um seinen Traum zu leben, die andere kam der Liebe wegen nach Südtirol. Ein Interview mit den Tattookünstlern Jakob Kerschbaumer und Dani Green.

salto.bz: Ein Blick auf die leichtbekleideten Menschen an heißen Sommertagen lässt keinen Zweifel offen: Auch in Südtirol gelten Tattoos als schick, und sich zu tätowieren ist längst salonfähig. Wann habt ihr eigentlich den Entschluss gefasst: „So, ich werde jetzt TätowiererIn“?
Dani Green: Ich habe es, bereits Jahre bevor ich mit dem Tätowieren angefangen habe, gewusst. Damals habe mit meinem Studium der Kunstwissenschaften begonnen. In dieser Zeit, ich war 19 Jahre alt, habe ich mir auch mein erstes Tattoo stechen lassen. Als Tätowierer hat man die Möglichkeit, sich jeden Tag aufs neue kreativ zu betätigen und gleichzeitig auch von seiner Kunst zu leben.
Jakob Kerschbaumer: Bereits während meiner Oberschulzeit am Kunstlyzeum in Bozen begann ich mich für Tätowierungen zu interessieren. Nach meinem Abschluss begab ich mich auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz. Diesen habe ich in einem Tattoostudio nahe München gefunden, wo ich mit 19 Jahren angefangen habe zu arbeiten.

Die meisten Tattoo-Künstler haben einen individuellen Stil, für den sie bekannt sind. Welcher ist eurer?
Jakob: Ich glaube, dass ich noch so ziemlich am Beginn einer Laufbahn als Tätowierer stehe. Jeden Tag aufs Neue sammle ich Erfahrungen und lerne von den Leuten, die mich umgeben. Für gewöhnlich liegt der Fokus meiner Arbeit aber auf Western traditional/Old school.
Dani: Ich habe mein ganzes Leben lang gezeichnet, schon als Kind haben mich Zeichentrickfilme inspiriert. Auch später haben mich Kunst und Animationen weiterhin beeinflusst. Das spiegelt sich auch in meinem Tätowier-Stil wieder. Als Künstler saugst du all das, was dir gefällt, auf und machst etwas Eigenes daraus.

Was sind eure Lieblings-Tattoomotive?
Dani: Meine Lieblingsmotive sind Tiere und Pinups/girls.
Jakob: Ich mag vor allem Motive, die aus dem American traditional kommen, wie Adler, Schlangen, Frauen und Dolche.

Und welche Motive zieren euren eigenen Körper?
Jakob: Die meisten meiner Tattoos sind Oldschool-Motive, sie befinden sich auf meiner Brust und auf meinen Beinen.
Dani: Meine Haut zieren verschiedene Motive in unterschiedlichen Stilen. Vor allem habe ich Tattoos von Tieren, aber auch von einigen Frauen und Blumen.

Woher nehmt ihr die Inspiration für eure Arbeit?
Dani: In meiner Jugend habe ich sehr viele Satire-Comics und Mangas gelesen. Einfache Techniken zu verwenden, um eine gesamte Stimmung oder ein Gefühl zu kreieren, gibt Kunst einen persönlichen Bezugspunkt. Für mich sind Kunst und Illustration die Grundlage meiner Tattoos. Wenn man für einen Kunden nichts Einzigartiges schaffen kann, bekommt er nur ein Tattoo, das jeder Tätowierer hätte machen können.
Jakob: Die Inspiration kommt von mehreren Seiten: aus dem täglichen Leben, aus der Zusammenarbeit mit Kollegen – einfach aus allem, was mich umgibt.

…und was hat dich dazu inspiriert nach Berlin zu gehen, Jakob?
Jakob: Viele der besten Tätowierer überhaupt arbeiten in Berlin. Die Community dort ist sehr vielfältig und groß. Damals hatte ich schon ca. zwei Jahre in Bayern gearbeitet, und es war für mich die Zeit für eine Veränderung gekommen.

Wie lebt es sich als Südtiroler Tätowierer in Berlin?
Jakob: Da es in Berlin sehr viele verschiedene Tattoo-Studios und dadurch viel Konkurrenz gibt, ist es dort nicht ganz so leicht Fuß zu fassen. Jedoch arbeite ich in einem tollen Studio und fühle mich wohl.


Einige Tattooarbeiten von Jakob Kerschbaumer

Dani, auch du arbeitest in einem anderen Land. Du kommst aus England und lebst und tätowierst jetzt in Südtirol. Warum?
Dani: Ich bin nach Südtirol gezogen, um mit meinem Freund zusammen sein zu können. Er ist auch Tätowierer, dadurch haben wir uns kennengelernt.

Südtirol gilt auch noch heute als eher traditioneller...
Dani: Ich habe in der Tat den Eindruck, dass tätowierte Menschen in Südtirol im Vergleich zu anderen Ländern in Europa im allgemeinen eher mit Vorurteilen behaftet werden. In vielen lokalen Medien werden Schreckensgeschichten über gefährliche Farbpigmente verbreitet, nur um eine dramatische Headline zu bekommen. Genauso stellen Südtiroler Bestimmungen ein Problem dar, die es ausländischen Tätowierern fast unmöglich machen hier zu arbeiten. Das führt natürlich dazu, dass es an einem internationalen Austausch mangelt, wodurch die hiesige Tattooszene an Farbe verliert und Innovationen, wie in einer vielfältigen Stadt wie Berlin, eher ausbleiben.

Einige Arbeiten von Tattookünstlerin Dani Green

Hand aufs Herz: Glaubt ihr, dass es einen Unterschied zwischen der Südtiroler Kundschaft im Vergleich zu den Kunden in anderen Ländern gibt?
Jakob: Die Frage kann ich nur schwer beantworten, da ich nie in Südtirol gearbeitet habe. Prinzipiell habe ich aber schon das Gefühl, dass Leute aus der Großstadt etwas offener gegenüber dem Berufsfeld und der Tattookunst an sich sind.
Dani: Die Kundschaft, mit der ich bis jetzt in Südtirol gearbeitet habe, besteht aus sehr verschiedenartigen, tollen Menschen. Im Vergleich zu Großbritannien wird das Tattoohandwerk hier aus einer etwas altmodischeren Sichtweise betrachtet. Ich glaube, weniger Menschen sehen es als eine Kunstform an.

Wenn ihr kurz auf eure Karriere als Tätowierer zurückblickt. Gab es einen besonderen Moment, der euch besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Dani: Mir fällt kein konkretes Ereignis ein. Allerdings ist es immer großartig, wenn sich andere Tätowierer an mich wenden. Das ist ein Zeichen für mich, dass ich etwas richtig mache. Immerhin beschäftigen sie sich genauso ausführlich mit dieser Kunstform und dann wählen sie mich. Das zeugt von Respekt.
Jakob: Grundsätzlich habe ich am meisten Spaß, wenn ich mit einem Kunden an einem Motiv oder Projekt arbeite, das uns beiden gefällt. Wenn der Kunde am Ende mit seiner neuen Tätowierung glücklich ist und ich Freude an der Arbeit hatte und zufrieden bin, dann ist das so ein Moment, der mir im Gedächtnis bleibt.

Stichwort Motive: Immer mehr Leute lassen sich ihre Tätowierungen wieder entfernen, da sie nicht mehr als modern gelten. Welche neuen Tattoo-Trends gibt es zur Zeit?
Jakob: Sehr hoch im Kurs stehen zurzeit Schriftzüge. Auch kleine Symbole, wie zum Beispiel Federn oder die liegende Acht am Handgelenk sind speziell bei Mädels sehr angesagt. Beeinflusst werden solche Trends meist durch Film- oder Musikstars. Ein gutes Beispiel sind die Sternchen-Motive: ein Trend, der hauptsächlich durch die Sängerin Rihanna verbreitet wurde und sich mittlerweile zu einem Horrormotiv ähnlich dem Steißbeintribal, auch „Arschgeweih“ genannt, entwickelt hat.
Dani: Wenn man sich ein Tattoo sticht, nur weil man es gerade cool findet tätowiert zu sein, wird man es früher oder später bereuen. Andererseits muss nicht jedes Tattoo eine tiefgründige Hintergrundgeschichte haben – auch wenn Tattoosendungen dies einem vermitteln wollen. Zurzeit gibt es viele Motive, die häufig gestochen werden. Solche Trends sind jedoch nichts Neues. In den 90er Jahren ließen sich zum Beispiel viele Frauen ein „Arschgeweih“ stechen, schon öfters musste ich dieses Motiv mit einem Cover-up überdecken.

Ein weiterer Trend für die Zukunft könnte das Tätowieren mit einem 3D-Drucker sein. Zwei Studenten haben die Maschine vor ca. einem Jahr zur Tätowier-Maschine umgebaut. Glaubst du, diese Erfindung könnte den klassischen Beruf des Tätowierers in Zukunft ablösen?
Dani: Ich denke nicht, dass die Maschine eine Gefahr für den Tätowierberuf darstellt. Es ist ein Unterschied, ob man einen Menschen oder ein nicht lebendiges Objekt tätowiert. Schon durch eine kleine Bewegung kann der Drucker aus der Linie geworfen und somit das Tattoo versaut werden. Man muss die Haut fühlen und auch aus verschiedenen Winkeln arbeiten können.
Jakob: Ich habe bisher nichts von einem solchen Drucker gehört, bezweifle aber auch, dass er einen Einfluss auf das Tattoohandwerk haben wird.

Last but not least: Welchen Tipp würdest du Neulingen, die den Beruf des Tätowierers/der Tätowiererin ergreifen wollen, mit auf den Weg geben?
Jakob: Als Neueinsteiger in der Branche finde ich es am wichtigsten am Ball zu bleiben. Wichtig ist es, nicht beim ersten Rückschlag aufzugeben und einfach sein Ding zu machen.
Dani: Man sollte sich selbst fragen: Warum will ich ein Tätowierer werden? Es sollte einem nicht nur um das „Image des Tätowierers“ gehen, da es sich nicht um den im Fernsehen präsentierten Rock'n'Roll Lebensstil handelt. Als Tätowierer sollte man eine Leidenschaft für Tattoos haben und engagiert bei der Sache sein. Man darf nie vergessen, dass man dafür verantwortlich ist, wie die Haut seines Kunden am Ende aussieht.

Jakob (22) stammt ursprünglich aus Brixen, lebt seit Februar in Berlin und tätowiert dort zurzeit im „Good Hope Tattoo“ bei Luis Marquardt.

 

Dani (28) stammt ursprünglich aus England und arbeitetet, nach zahlreichen Besuchen in Südtirol, nun seit kurzem selbstständig in Meran.