Umwelt | Tiere

Schluss mit der Kutschenfahrt?

Ein Gesetzesentwurf sieht ein Verbot von Pferdekutschen in italienischen Städten vor. Bedeutet dies ein Aus für romantische Kutschenfahrten auf den Weihnachtsmärkten?
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Foto: Schneehöhen

Romantische Kutschenfahrten auf Südtirols Christkindelmärkten könnten in Zukunft der Vergangenheit angehören. Das sieht zumindest ein Gesetzesentwurf von Michela Vittoria Brambilla vor, ehemalige Tourismusministerin der Regierung Berlusconi  Der Gesetzesentwurf strebt ein Verbot von Pferdekutschen in allen italienischen Städten an. Zudem soll für alle Pferde, die zur Zeit Touristen durch die Gegend kutschieren, eine geeignete Unterbringung gefunden werden. Damit die Kutschenfahrer nicht erwerbslos werden, sollen sie zukünftig Touristen mit elektronisch betriebenen Kutschen durch die Städte führen.

Auslöser der Diskussion ist der Tod eines Pferdes in Messina. Dieses ist nach einem Arbeitstag in der sizilianischen Hitze vollendet. Brambilla schildert die enormen Anstrengungen, denen die Tiere jeden Tag ausgeliefert sind. Sie spricht von einem Pferdeleben auf dem Asphalt der Straßen zwischen Hitze, Witterungen und Verkehr. Das kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen mit sich ziehen: Von Übelkeit über gebrochene Beine bis zu Verletzungen durch Unfälle. Dabei ist ein Einschläfern der Tiere oft der letzte Ausweg. Bei den großen Problemstädten handelt es sich vorwiegend um Rom, Florenz, Neapel und Palermo. Der von Brambilla eingereichte Gesetzesentwurf sieht kutschenlose Städte in ganz Italien vor und würde damit auch Südtirol und seine traditionellen Kutschenfahrten auf den Weihnachtsmärkten betreffen.

 Bei den Fahrten geht es um den Charme und nicht um die Mobilität.

Die Christkindlmärkte wären in Südtirol am stärksten vom Verbot betroffen. „Die weihnachtlichen Kutschenfahrten gehören gewissermaßen zu unserer Tradition. Bei den Fahrten geht es um den Charme und nicht um die Mobilität, Elektrokutschen stellen in den Städten Südtirols keine Alternative dar. In den Großstädten Italiens sind die Gründe für ein Verbot nachvollziehbar, in Südtirol würde ich es sehr schade finden“, gibt die Direktorin des Verkehrsamts Bozens Roberta Agosti zu bedenken. Laut ihr werden die Tiere auf den Märkten gut behandelt. "Die Pferde werden geputzt, erhalten Decken, werden vom Tierarzt sorgfältig untersucht und sind nur in der Adventszeit in der Stadt unterwegs - von einer Ausbeutung der Tiere kann also gar keine Rede sein."

Bei uns hat das Wohl der Tiere oberste Priorität.

Bereits das dritte Jahr steht Bernhard Psenner mit seinen Pferden und Ponys am Bozner Christkindlmarkt, wo er Kutschenfahrten und Ponyreiten anbietet. Von einer schlechten Behandlung der Pferde in Städten wie Rom weiß Psenner schon länger, aber „wenn ein Schaf schwarz ist, sind das noch lange nicht alle“. Das möglicherweise bevorstehende Verbot findet er absurd, denn laut Psenner kann man die Situation in den Großstädten nicht auf die Kleinstädte übertragen. Psenner verschweigt die schwarzen Schafe seiner Berufsgruppe nicht: “Es gibt Kutscher, für die der persönliche Profit weit über dem Wohl der Tiere liegt, dementsprechend werden die Tiere behandelt.“ Er erzählt von Gerüchten, die besagen, dass Pferde in Großstädten teils sogar in Garagen übernachten müssen. In Südtirol sei die Situation aber ganz anders. „Bei uns hat das Wohl der Tiere oberste Priorität. Wenn die Tiere auf den Rummel am Markt vorbereitet werden, gewöhnen sie sich daran und es macht ihnen nichts aus. Zusätzlich arbeiten unsere Pferde nur an jedem zweiten Tag, also sind es zwei Wochen im Jahr an denen sie eine Kutsche durch die Stadt ziehen und den Rest der Zeit können sie in der Natur ihre Freiheit ausleben. Mit Herzensfreude arbeite ich mit meinen Tieren, für ihr Wohl würde ich auf jedes Geld verzichten“, äußert sich Bernhard Psenner.  

 Es ist ungerecht, wenn einzelne Kutscher eine ganze Berufsgruppe durch den Dreck ziehen.

Michael Gruber ist der Direktor des Haflingerzuchtverbandes. Er ist der Meinung, dass man vom Einzelfall nicht auf die Gesamtheit schließen kann. Laut Gruber müsste man jeden Einzeln betrachten und dubiosen Kutschern das Handwerk legen. Als Experte weiß er, dass ein ausgebildetes Pferd dem Kutscher großes Vertrauen entgegenbringt und in der Hektik ruhig bleibt. „Die Kutschenfahrt gehört sozusagen zu unserer Kultur und Tradition. Mit der korrekten Vorbereitung, Verpflegung und ausreichend Ruhepausen machen die paar Arbeitswochen im Jahr dem Pferd nichts aus. Es ist ungerecht, wenn einzelne Kutscher eine ganze Berufsgruppe durch den Dreck ziehen“, meint Gruber.  

Traditionen sollen nicht auf dem Rücken von Lebewesen ausgelebt werden.

„Traditionen sollen nicht auf dem Rücken von Lebewesen ausgelebt werden“, äußert sich Anna Pitarelli zur Pferdekutschendebatte. Die Präsidentin des Südtiroler Tierfreundevereins empfindet die derzeitige Situation in Italien als höchst bedenklich und befürwortet Brambillas Gesetzesentwurf. Denn die Pferde würden nicht nur unter den enormen Hitzewellen im Sommer leiden, sondern auch der Winter setze den Tieren zu. Die häufig von Glatteis und Schnee überzogenen Pflastersteine provozieren laut Pitarelli Verletzungen und stellen neben anderen Faktoren eine Gefahr dar. Die Präsidentin des Südtiroler Tierfreundevereins sieht die kleinen Züge, die bereits jetzt Gries und die Altstadt verbinden, als mögliche Alternative zu Pferdekutschen. Auch viele Touristen würden mittlerweile die Auffassung teilen und den Flair der Städte genießen ohne dabei Tiere zu belasten. Entscheidet sich Italien tatsächlich für ein Verbot der Pferdekutschen, wäre das eine Chance, ist  Anna Pitarelli überzeugt:  "Durch ein solches Gesetz könnte Italien eine neue Vorreiterrolle im Sinne des Tierschutzes einnehmen."