Politik | Österreich-Wahl

Rechts um! Kurz und Strache als Sieger

Nach dem deutlichen Rechtsrutsch ist eine türkis-blaue Koalition von ÖVP und FPÖ am wahrscheinlichsten. Debakel der Grünen.
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Foto: upi
Er ist unzweifelhaft der große Sieger dieser Wahl: Sebastian Kurz. Erst im Mai hatte das 31-jährige Polit- und PR-Talent mit putschähnlichen Methoden die Führung der christdemokratischen Traditionspartei übernommen. Damals lag die ÖVP in den Umfragen beim historischen Tief von knapp 20%. Kurz ließ sich mit bisher ungekannten Programm- und Personal-Vollmachten ausstatten, wechselte die Parteifarbe von schwarz auf türkis und den Namen auf „Liste Kurz – Die neue Volkspartei“. Der Sieg mit mehr als 31% der Stimmen gibt ihm Recht und macht ihn in der Volkspartei endgültig zum unumstrittenen Anführer.
 

Das alles entscheidende Thema: Migration und Flüchtlinge

 
Mit 25 Jahren wurde Kurz 2011 Staatssekretär für Integration in der rot-schwarzen Regierung, 2013 zum jüngsten Außenminister der EU. Hatte er als Staatssekretär noch medienwirksam für den Dialog der Religionen und Kulturen und für die Integration der Migranten der zweiten Generation in Österreich geworben, vollzog er in der Folge des Flüchtlingsansturms 2015 eine radikale Kehrtwende. Grenzzäune, Schließung der Balkanroute, Flüchtlingsobergrenze, Abschiebungen, Bündnis mit Orban und Balkanstaaten, Distanzierung von Angela Merkel und last but not least: Schließung der Mittelmeer-Route und (Zitat) „Ende des NGO-Wahnsinns“ im Mittelmeer, der angeblich gemeinsam mit den Schleppern die Flüchtlinge anlockt. 
Sebastian Kurz hat ganz gezielt die „Ausländerfrage“ zum Hauptthema seines Wahlkampfes gemacht und dabei streckenweise sogar die Strache-FPÖ rechts überholt. Diese beklagte seit dem Frühsommer lautstark, dass Kurz nichts anderes sei als eine „Kopiermaschine“. Erstaunlicherweise nicht eingetreten ist dadurch aber eine Schwächung der FPÖ. Ganz im Gegenteil. Die FPÖ konnte ebenfalls einen bedeutenden Wahlsieg mit einem Plus von 6% auf 26% landen, nicht zuletzt durch einen im Ton auffallend gemäßigteren Wahlkampfstil als früher.
 

Anti-Establishment und „ganz neue Politik“

 
Das zweite und ebenso wichtige Thema, das Kurz und Strache zum Erfolg verholfen hat, ist die Krise der etablierten Parteienpolitik. Bei der Wahl des Bundespräsidenten im vorigen Jahr sind die traditionellen Großparteien SPÖ und ÖVP niederschmetternd eliminiert worden. Die Kandidaten beider Parteien erhielten jeweils 11%, die Stichwahl fand zwischen den Außenseitern Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander van der Bellen (Grüne) statt. 
Seit 1945 gab es nur 14 Jahre, in denen nicht eine große Koalition aus SPÖ und ÖVP regiert hat. Die SPÖ hat seit 1970 40 Jahre lang den Kanzler gestellt (Ausnahme 2000-2006 Schwarz-Blau unter Wolfgang Schüssel) und die ÖVP war die letzten 30 Jahre mit an der Regierung.
Dass Heinz-Christian Straches FPÖ durch ihre jahrelange Opposition zu den „Altparteien“ den Frust vieler Menschen über die seit immer und jeher Regierenden nutzen und sich als Anti-System-Partei profilieren konnte, liegt auf der Hand. Aber dass dies auch dem seit sechs Jahren selbst in der Regierung sitzenden Sebastian Kurz noch viel besser gelang, ist erstaunlich. Kurz gelang es sich als den Neuerer, als den jungen, dynamischen und mit den bisherigen Polit-Ritualen brechenden Kandidaten darzustellen. Vorbilder: Frankreichs Emmanuel Macron, Kanadas Justin Trudeau, Christian Lindner (FDP) und selbst Matteo Renzi. Ja, denn wie Renzi versprach Kurz die alte Polit-Kaste zu verschrotten und hat es zum Teil schon getan. 
 

Das blaue Auge Christian Kerns und das grüne Debakel

 
Nach den in den letzten Wochen bekannt gewordenen Schmutzkübel-Tricks seiner Wahlkampfabteilung hatten viele Beobachter der SPÖ und Kanzler Christian Kern eine dramatische Niederlage vorhergesagt. Dass diese nicht so niederschmetternd ausgefallen ist, beweist dass besonders die SPÖ-Wähler vom unappetitlichen Gezänk in der Medien-Polit-Blase wenig mitbekommen haben und nur mäßig schockiert sind. Dass die SPÖ mit 27% ihr Ergebnis der letzten Nationalratswahl halten konnte, hat auch damit zu tun, dass sehr viele verunsicherte Grün-Wähler zur Verhinderung von Schwarz-Blau noch am ehesten auf Christian Kern gesetzt haben. Vergebens. 
Die Grünen scheinen nicht einmal die 4%-Hürde für den Einzug ins Parlament zu schaffen. Ein bitteres Debakel, das mit der Abspaltung prominenter Langzeit-Grüner rund um die Gallionsfigur Peter Pilz schon zu befürchten war. Auch der Einzug der Pilz-Liste in den Nationalrat wird letztlich erst nach der Auszählung der fast neunhunderttausend Briefwahlstimmen entschieden sein.
 

Regierungsbildung und Koalitionsspekulationen

 
Ende nächster Woche wird Bundespräsident Van der Bellen den Regierungsbildungsauftrag erteilen und zwar an Sebastian Kurz, weil traditionell die stärkste Partei nach Wahlen diesen Auftrag erhält. Betrachtet man die Übereinstimmung in programmatischer Hinsicht, dann scheint eine türkis-blaue Koalition der beiden Siegerparteien die logische Folge. Trotzdem hält sich Kurz natürlich auch die Option einer Regierung mit den Sozialdemokraten offen (aber dann jedenfalls nicht mit Kern als Parteichef), um in den Verhandlungen mit Strache pokern zu können. Strache wiederum wird mit einer möglichen Übereinkunft mit der SPÖ Drohpotential aufbauen – rein mathematisch ginge sich eine rot-blaue Koalition leicht aus. Politisch am wahrscheinlichsten bleibt wohl eine dem Wahlergebnis entsprechende Rechtswende mit Kurz und Strache.