Kultur | Salto Afternoon

Prinzessin auf der Rutschbahn

Die Schauspielerinnen des Altstadttheaters beweisen, dass sie das Märchenhaft-Dramatische ebenso souverän beherrschen wie die leisen Töne.
prinzessinnendramen
Foto: TidA

2015 sollte Elfriede Jelineks Stück „Prinzessinnendramen – Der Tod und das Mädchen“ im polnischen Breslau aufgeführt werden. Der damals frisch gewählte konservative Kulturminister wollte das verhindern mit der Begründung, die Inszenierung verstoße „gegen die Prinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens“.

Die Erzdiözese protestierte außerdem gegen den Auftritt von „ausländischen Pornodarstellern“, und überhaupt war die körperliche, psychische und sexuelle Gewalt, die Jelinek im Stück thematisiert, offensichtlich ein Dorn im katholisch-konservativen Auge. Und tatsächlich, es ist kein softer Märchenstoff, den Regisseur Torsten Schilling auf die Bühne des Meraner TIDA gebracht hat: Schneewittchen verendet im Kugelhagel des zweifachen Jägermeisters, Dornröschen wird von ihrem ebenfalls in doppelter Ausführung vorhandenen Prinzen wachgeküsst und gleich anschließend zu Tode vergewaltigt, währende Rosamunde für ihren Schmerz über den Zustand der Welt von den beiden Zwergen nur Unverständnis erntet und am Ende alleine zurückgelassen stirbt.

Das verstößt also „gegen die Prinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens“? Tja, nur blöd, dass die Zeitungen voll von solchen Nachrichten sind – Stichwort femminicidio und #metoo. Man kann der guten Jelinek ja viel vorwerfen, aber ihr angeblich längst überholter Altfeminismus scheint aktueller denn je.

Wer Elfriede Jelinek mag, ist in dieser mal verspielt-komischen, mal todernsten Inszenierung wunderbar aufgehoben.

Gleichzeitig ist Elfriede Jelineks Stück auch sprachlich eine Wucht. Im Programmheft wird eine „Herausforderung auf literarischem Höchstniveau“ angekündigt – und das ist nicht gelogen: Jelinek gibt mit ihren sprachlichen Assoziationsketten ein Galopptempo vor, dem man fast nicht hinterherkommt.

Und doch wird die Inszenierung von einer Leichtigkeit getragen, die die geistige Heraus- und manchmal auch Überforderung auf raffinierte Weise aufwiegt. Das liegt einerseits an der spielerisch-märchenhaften Komponente der Inszenierung – dem Bühnenbild in Spielplatzform und den Kostümen –, hauptsächlich aber an den starken Darstellerinnen.

Johanna Porcheddu, Sabine Ladurner und Magdalena Schwellensattl stemmen die gewaltigen Textmassen mit unglaublicher Souveränität und Sicherheit; sie portionieren, parodieren, turnen, schlüpfen in und aus Kleidern, skandieren im Chor; sie sind selbstironisch, grotesk, leise tragisch – und treffen dabei immer den richtigen Ton. Im Zentrum der Bühne steht eine Wand mit einem leeren Bilderrahmen, diesen versuchen die drei Darstellerinnen abwechselnd zu füllen mit den Abbildern des Frauseins, in die das Patriarchat sie drängt und an denen sie schlussendlich zu Grunde gehen. Wer Elfriede Jelinek mag, ist in dieser mal verspielt-komischen, mal todernsten Inszenierung wunderbar aufgehoben.