Wirtschaft | Messe Interpoma

Faszination Apfel

Die Apfelwelt kommt erneut zur Interpoma nach Bozen. Für Apfelfachmänner ist das Info-Angebot groß: Von neuen Sorten und Techniken bis hin zu Trends beim Konsumenten.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Walter Guerra

Gibt man in die Suchmaschine Google den Begriff Südtiroler Produkte ein, so erscheint, neben Bildern von Speck und Wein, am häufigsten eine runde, frisch polierte Frucht, die auch im Ausland symbolisch für die Region Südtirol steht: Der Apfel. Südtirol besitzt die größte geschlossene Anbaufläche für Äpfel in Europa. Über 100 km erstreckt sie sich hauptsächlich entlang des Etschtals. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass eine der führenden Messen zum Thema Apfel in Bozen stattfindet. Während der Interpoma vom 24. bis 26. November geht es nicht nur um Anbau, Lagerung und Vermarktung. Es präsentieren zudem die wichtigsten Baumschulen Europas ihre Sortenneuheiten.

Pomologe Walter Guerra vom Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg war an der Organisation von Interpoma beteiligt. „Viele Südtiroler Betriebe nutzen diese Plattform, um sich der Apfelwelt zu präsentieren. Meines Wissens ist die Anzahl der Aussteller in den Jahren kontinuierlich angestiegen und Interpoma eines der erfolgreichsten Produkte der Messe Bozen. Vor allem das Interesse an neuen Sorten ist derzeit enorm. Ein Symposium zu Apfel- und Birnensorten ist seit Wochen ausgebucht. Es haben sich Interessierte aus 20 Ländern angemeldet, von Japan bis Südafrika“, erklärt er.

Die Pomologie ist die Lehre der Arten und Sorten von Obst. Am Forschungszentrum Laimburg prüft Walter Guerra mit seinen Mitarbeitern rund 250 neue Apfelsorten und beliefert lokale Baumschulbetriebe mit Vermehrungsmaterial. Diese erzeugen schließlich Jungbäume auf Weltklassenniveau. Auch im Apfelanbau ist Südtirol ganz vorne mit dabei, betont Guerra:  „In der Anbautechnik und der damit verbundenen Produktivität und Qualität hat Südtirol weiterhin die Nase vorn. Zusammen mit den guten pedoklimatischen Voraussetzungen für den Apfelanbau ist das stark ausgeprägte Genossenschaftssystem, welches kleinstrukturierten Familienbetrieben in den vergangenen Jahrzehnten ein verhältnismäßig gutes betriebswirtschaftliches Ergebnis erlaubt hat, hervorzuheben.“

Bereits im 19. Jahrhundert wurden Südtiroler Äpfel bis nach Russland geliefert. Nach dem 2. Weltkrieg erlebte der lokale Apfelexport einen Boom. „Diese Entwicklung hängt damit zusammen, dass erst in der Nachkriegszeit die Wegenetze und Transportmittel optimiert und neue Lagertechnologien entwickelt wurden, welche den Apfel von einem saisonalen Produkt in eine Frucht verwandelt haben, die inzwischen zwölf Monate im Jahr genussreif erhältlich ist,“ erklärt der Pomologe. Während in den Anfängen des Obstbaus, der Apfel für den Eigenkonsum angebaut wurde, ist er inzwischen der bedeutendste Abnehmer des Lebensmitteleinzelhandels auf dem globalen Markt.

Auf diesen Trend reagierte Südtirol: Es besitzt heute rund 8.000 Apfelbauern und exportiert seine Äpfel in rund 50 verschiedene Staaten. Die Konkurrenz schläft jedoch nicht. Herr Guerra hat überraschende Erkenntnisse dazu: „Die größte Konkurrenz sind eigentlich Schokoriegel wie Mars, Twix und Co. Die globale Apfelwirtschaft täte gut daran, noch mehr Energie zu investieren um Magenanteile beim Konsumenten zurück zu erobern“. Als konkurrenzfähigste Anbaugebiete für den Südtiroler Markt gelten zurzeit Polen, Serbien sowie ehemalige Sowjetstaaten wie etwa Aserbaidschan. „Die Kostenstruktur ist in diesen Ländern wesentlich günstiger, etliche haben zudem gute pedoklimatische Voraussetzungen und kaufen sich Maschinerie, Material und Know-how aus den traditionellen Anbaugebieten. Und die Qualität ihrer Produktion wird immer besser“, bestätigt auch Pomologe Guerra. Auf die Frage, ob das Freihandelsabkommen CETA den heimischen Apfelanbau bedrohe, regiert er gelassen. Einer Öffnung der Märkte stehe er positiv gegenüber. Man solle allerdings die Harmonisierung von Richtlinien nicht aufgrund eines Freihandelsabkommen, sprich wirtschaftlichen Gründen, einleiten, sondern wenn, dann nur aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Überhaupt setzt das Forschungszentrum Laimburg stark auf nachhaltigen Apfelanbau. Dazu gehört etwa der integrierte Anbau, also die Verwendung innovativer Technologien zur ökologischen Schädlingsbekämpfung. Dazu gehört die maschinelle Ausdünnung genauso wie die Frostschutzberegnung. Heute kommt jeder dritte biologisch produzierte Apfel in Europa aus Südtirol.

Dennoch ist die Nutzung von Pestiziden weit verbreitet. In der Region Südtirol-Trentino wird sogar der höchste Chemieeinsatz Italiens vermessen. In den letzten Jahren hat der Pestizideinsatz im Vinschgau zu einem regelrechten Apfelkrieg geführt. In Mals wurde der Einsatz solcher Mittel nach einem Volksentscheid verboten. Bauern, insbesondere Biobauern, fürchten die Ausbreitung der Pestizide auf ihre Äcker. Diskussionen, die zu emotional und faktenarm ablaufen, hält Walter Guerra von der Laimburg jedoch für wenig konstruktiv: „Ein großflächiger Anbau von Äpfeln, welcher auch betriebswirtschaftlich interessant ist, sprich, dem Produzenten und seiner Familie ein Einkommen garantiert, ist ohne den Einsatz von Mitteln zur Erhaltung der Pflanzengesundheit, egal ob chemisch, synthetischer oder organischer Natur, nicht möglich. Die zugelassenen Rückstandsmengen in unseren Äpfeln sind nicht willkürlich definiert, sondern gründen auf wissenschaftlichen Studien unabhängiger Institutionen. Der Apfel, welcher auf den Markt kommt, hat einen langen Weg hinter sich: Kontrollen, Zertifizierungen, Kontrollen der Kontrollen.“

Ein weiterer heftig diskutierter Punkt war die zunehmende Spezialisierung auf den Apfelanbau, der seit dem Fall der Milchpreise zu beobachten ist. Die Angst einer Monokultur wird größer, und damit einhergehend vor der Erschöpfung der Böden, einer Überproduktion an Äpfeln, sowie Preisverfall, der bereits im letzten Jahr von vielen Apfelbauern beklagt wurde. Auch der Schaden am Südtiroler Landschaftsbild wurde häufig kritisiert. Guerra verteidigt die heimische Apfelwirtschaft: „Die Südtiroler Öffentlichkeit beschäftigt sich letzthin intensiver mit den Thematiken rund um den Apfelanbau, was eigentlich gut ist. Immerhin prägt der Apfelanbau unser Landschaftsbild und ist fester Bestandteil unserer Kultur und Tradition. Allerdings ist jeder Bauer selbst Unternehmer, und einer der treibenden Faktoren bei der Auswahl der Kultur sollte weiterhin die Wirtschaftlichkeit sein dürfen.“

Um dem Wettbewerb stand zu halten, und weiterhin die Vorreiterrolle im Apfelanbau zu übernehmen, gilt es laut Guerra, den wechselnden Anforderungen des Marktes durch eine laufende Anpassung des Apfelsortiments gerecht zu werden. „Im Vergleich zu anderen Anbaugebieten stehen wir eigentlich bezüglich Sortenvielfalt gut da. Über ein Dutzend verschiedene Sorten werden in signifikanten Mengen angebaut. Aber auch der Konsum und das Konsumentenverhalten sind im Wandel und darauf sollen und können wir reagieren, indem wir neue Sorten einführen. Im Schnitt wurden in Südtirol seit den 50er Jahren pro Jahrzehnt 2-4 neue Sorten eingeführt und haben alte, obsolete Sorten abgelöst.“

Der Trend geht im Moment Richtung rote, süße, knackige und saftige Äpfel. Zu den beliebtesten Sorten gehören etwa Gala, Fuji oder Nicoter Kanzi. Pink Lady hingegen ist laut Pomologen Guerra vor allem stark im Marketing, wodurch dieser Apfel den Konsumenten erfolgreich anspricht. Die heimische Hauptsorte Golden Delicious verkauft sich zwar im Mittelmeerraum noch recht gut, ist aber eher rückläufig. Der Absatz hängt schlussendlich vom jeweiligen Markt ab, der örtlich stark variiert, meint Guerra: „Der Weg zum Erfolg liegt letztendlich darin, ein geeignetes Sortenspektrum für die Vielfalt an Konsumenten zu haben.“ Es kommt deshalb zur Züchtung neuer Sortentypen für jeden Geschmack: „Die Sortentypen der Zukunft sind kleinfruchtige Snackäpfel, supersüße Sorten für den asiatischen Konsumenten, multiresistente Sorten, gelbschalige Ergänzungen zu Golden Delicious, aber auch Sorten für Allergiker, Diabetiker oder Fruktoseintollerante.“

An deren Entwicklung arbeiten zurzeit 80 weltweit existierende Apfelzüchtungsprogramme. Eine besondere Art neuer Apfelsorten ist  rotfleischig. Guerra ist sich aber noch unsicher darüber, wie der Konsument auf solch ungewohnte Äpfel reagieren wird: „Drei Viertel der Italiener wissen nicht, dass es überhaupt rotfleischige Apfelsorten gibt, genau so viele wären aber daran interessiert, sie zu probieren. Vorsicht ist aber angesagt. Wir haben derzeit über 50 rotfleischige Apfelsorten aus aller Welt in Prüfung. Ich bin überzeugt davon, dass ein Großteil der Äpfel den Konsumenten enttäuschen würde, weil sie in der inneren und äußeren Qualität nicht den Mindestanforderungen entsprechen.“ Zu diesem Ergebnis kam die Laimburg im Austausch mit nationalen und europäischen Institutionen. Das Netzwerk an Forschungspartnern wird auch bei der Interpoma anwesend sein.

Für alle Bio- und Öko-Fans fügt Guerra noch hinzu, dass alle, zur Zeit in Südtirol angebauten und in Prüfung befindlichen Sorten durch eine natürliche Kreuzung entstünden. Entweder als Zufallssämling oder durch manuelle Bestäubung des Züchters. Und auch für die Gentechnik hat Europa seine Pforten noch nicht geöffnet, zumindest noch nicht für den Anbau. In Holland und der Schweiz laufen zurzeit lediglich erste Freilandversuche mit sogenannten cisgenen Apfelsorten, die mit einem Resistenzgen gegen Schorf bzw. Feuerbrand aus Wildäpfeln transformiert wurden. Auch einige Institute in Kanada oder den USA arbeiten an gentechnischen Verfahren wie Trans- und Cisgenese erklärt Guerra: „Das sind gentechnisch veränderte Äpfel der Sorten Granny Smith und Golden Delicious, deren Fruchtfleisch bei Luftkontakt nicht oder weniger verbräunt. Trotz Zulassung sind die Anbauflächen noch sehr bescheiden, da selbst die nordamerikanischen Betriebe vor einem negativen Feedback der Öffentlichkeit Angst haben.“

Südtirol ist also, was den Apfelanbau angeht, Spitzenreiter. Allerdings gibt es in der lokalen Apfelbranche noch einige Luft nach oben. Etwa im Bereich Südtiroler Startups, meint der Walter Guerra: „Ich finde es sollten noch mehr Kreativität, Innovation und neue Ideen einfließen. Das Interpoma Innovation Camp, kann wichtige Impulse dafür geben.“ Diese Plattform wird vom 22.-23. November dem Austausch zwischen jungen Talenten, Unternehmen und Startups im Bereich Apfel und Landwirtschaft dienen. Nur so, wird sich der Südtiroler Apfel wohl in Zukunft gegen Mars, Twix und Co. durchsetzen können.