Politik | Aufgeschnappt

Ein Reim und seine Folgen

Beim Dichten stolpert der SVP-Kammerabgeordnete Manfred Schullian über einen Reim. Er reagiert: “Drum nehm' mit trüb gesenktem Blick den Zugvergleich ich hier zurück.”
Manfred Schullian
Foto: Facebook/SVP

Was macht Manfred Schullian während er in einem entgleisten Zug sitzt und auf den Ersatzzug wartet? Er lässt sich von der Muse küssen und reimt drauf los. Und was macht der SVP-Kammerabgeordnete, wenn sein Gedicht wegen eines verunglückten Verses in der Presse landet? Er reimt weiter.
Es war Ende vergangener Woche. Manfred Schullian befindet sich auf dem Weg von Rom nach Verona als die Frecciargento bei Florenz entgleiste. Verletzt wird niemand, allerdings müssen sich die Fahrgäste in Geduld üben. Um die Wartezeit auf den Sonderzug zu überbrücken, der die Passagiere weiterfahren soll, verfasst Schullian ein Gedicht. Und stellt es auf Facebook: “benvenuti a bordo del treno frecciargento.” Reimend und augenzwinkernd schreibt er vom Zugunfall und den Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste. Es wäre zum Schmunzeln, wäre Schullian nicht in der allerletzten Zeile selbst eine (verbale) Entgleisung passiert:

es endet, wie es enden muss
(und gänzlich ohne hochgenuss) ...
nach stunden ist ein zug gekommen,
die fahrt wird langsam aufgenommen,
die schiene glänzt,
das rad es rollt
(das hätt' es früher schon gesollt)
und endlich ist ein jeder da
(im allertiefsten afrika).

Empört greift der Alto Adige flugs die Zeile auf, tut Schullians “allertiefsten afrika”-Vergleich als “battuta di pessimo gusto” ab. Und was macht Manfred Schullian? Er greift die Kritik auf und schickt ein zweites Gedicht hinterher. Darin nimmt er den Vergleich – “so’s einer war” – zurück. Nicht ohne eine Prise an Ironie:

Mein lieber Freund,

wie vermutlich Du schon weißt
bin gestern ich per Zug gereist.
Die Bahn ist sicher unbeschwerlich,
doch mitunter recht gefährlich
(wie ich gestern, noch benommen,
deutlich habe mitbekommen),
da ein Zug von selbst nicht denkt
und sich demnach auch selbst nicht lenkt,
sondern ziemlich unbeschwert
und willenlos auf Schienen fährt.
Tut er dieses aber nicht
(etwa weil ein Rad ihm bricht,
oder weil zentrifugal
ihm die Schienenspur zu schmal
oder auch aus andern Gründen)
und will er einen Weg sich finden
fern von seiner Schienenspur,
dann ist dies nicht die Freiheit pur
(weil der Zug dann ungehemmt
praktisch alles überschwemmt),
sondern ziemlich ungewitzt
(für den, der in dem Zug drin sitzt).
Kurz und gut, mein Zug entgleiste,
als ich nach Verona reiste,
doch es blieb das Ungeschick
noch schadlos (welch ein Glück!).
Im Warten auf den Sonderzug
(an Zeit dafür hatt’ ich genug)
schrieb ich in Ruhe ein Gedicht
(die Eile, glaub’s mir, trieb mich nicht),
an dessen Ende dann geschah
ein Reim vom tiefstem Afrika.
Der Alto Adige befand,
dass mein politischer Verstand
hier nicht korrekt gewesen wäre,
und er hat, bei meiner Ehre,
in diesem Fall vollkommen recht,
da der Vergleich, so’s einer war,
jeglicher Vergleichskraft bar
(ich weiß ja nichts [wenn auch, woher?]
von afrikan’schem Zugverkehr).

Drum nehm‘ mit trüb gesenktem Blick
den Zugvergleich ich hier zurück.

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Profil für Benutzer alfred frei
alfred frei Mi., 15.11.2017 - 17:22

noch weitere fünf Zugentgleisungen und eine Eintragung in die Sammlung gemeinfreier Gedichte wäre fällig

Mi., 15.11.2017 - 17:22 Permalink