Kultur | 2020

Meraner Visionen

Meran ist noch im Rennen um die Kulturhauptstadt Italiens 2020. Freude bei Bürgermeister und Vize, Unverständnis bei STF. In einem Monat steht die Siegerstadt fest.
Wappen Meran
Foto: Hannes Prousch

Was haben das sizilianische Agrigento, Nuoro auf Sardinien, Reggio Emilia und die kleine Alpenstadt Meran gemeinsam? Sie alle sind unter den letzten zehn der anfänglich 31 Bewerberstädte für die Kulturhauptstadt Italiens 2020.
Es ist Kulturminister Dario Franceschini, der am Montag Abend die Namen jener Städte verkündet, die noch im Rennen um die “capitale italiana della cultura 2020” sind: Agrigento (Sizilien), Bitonto (Apulien), Casale Monferrato (Piemont), Macerata (Marken), Nuoro (Sardinien), Parma, Piacenza, Reggio Emilia (alle Emilia-Romagna), Treviso (Veneto) – und Meran, Südtirol.

Als Motto für die Bewerbung hat man sich in Meran bekanntlich für “Das kleine Europa Italiens” entschieden, wie Vizebürgermeister Andrea Rossi erinnert: “Bei uns sind die italienische und die deutsche Sprachgruppe gleich stark vertreten, hier steht die italienische Kultur täglich im Dialog mit der deutschen, mit der europäischen Kultur. In unserer Stadt ist die ständige kulturelle Interaktion eine Tatsache. Unterschiede und Begegnungen, Kommunikation und Integration: Mit dieser Vision bewirbt sich Meran als Kulturhauptstadt.”

Die Freude nach der Nachricht vom Montag Abend ist entsprechend groß. “Es ist uns gelungen, das Ministerium in diesem Wettbewerb von der historischen und kulturellen Besonderheit Merans zu überzeugen”, sagen Bürgermeister Paul Rösch und Vize Rossi in einer ersten Reaktion. Am heutigen Mittwoch erklärten die beiden die nächsten Schritte. Die zehn ausgewählten Städte sind in knapp drei Wochen nach Rom eingeladen. Dort werden sie ihren Vorschlag für die Kulturhauptstadt Italiens 2020 ausführlich präsentieren.

60 Seiten umfasst das Bewerbungsdossier, mit dem Meran bislang die Jury überzeugen konnte. Erstellt haben es zahlreiche Ehrenamtliche aus der Meraner Kulturszene. Inzwischen haben es Rösch und Rossi auch ins Deutsche übersetzen lassen – auf private Kosten. Im Falle eines Sieges sind in der Meraner Bewerbung Investitionen in Höhe von 12,6 Millionen Euro und zahlreiche Kulturprojekte und Veranstaltungen vorgesehen. Finanziert werden sollen die Ausgaben durch den staatlichen Zuschuss für die Siegerstadt in Höhe von einer Million Euro, durch Sponsoring-Einnahmen und Eintrittskarten.

Einzig 250 Euro für die Druckkosten hat die Gemeindeverwaltung bisher für die Bewerbung ausgegeben. Das wird sich nun ändern, denn bei der Präsentation in Rom will man sich gut verkaufen. “Eine großartige Chance, um Meran und Südtirol angemessen zu repräsentieren”, schwärmen Bürgermeister und Vize. Neben den Ausgaben für die Fahrt nach Rom soll auch ein kurzes Video für die Präsentation erstellt werden. In Unkosten will man sich dafür dennoch nicht stürzen, betont Rossi: “Es sind keine Unsummen nötig, um zu vermeiden, dass wir eine schlechte Figur abgeben.”

Erst am 16. Februar – und nicht wie ursprünglich angedacht bereits im Jänner – fällt schließlich die Entscheidung, wer sich 2020 “capitale italiana della cultura” nennen darf. “Alle, nur nicht Meran”, wünscht sich Christoph Mitterhofer. Der Meraner Gemeinderat der Süd-Tiroler Freiheit findet: “Meran mit seinem komplexen demografischen Gefüge ist kein geeigneter Ort für die Austragung eines nationalistisch betitelten Wettbewerbs ‘Kulturhauptstadt Italiens’. Viele Meraner verstehen nicht, warum ihre Kurstadt Meran, über Jahrhunderte Tiroler Landeshauptstadt, plötzlich plötzlich eine kulturelle Hauptstadt Italiens sein sollte.”

Falls sich Mitterhofers Hoffnung erfüllt und Meran an der letzten Hürde zur Kulturhauptstadt scheitert, ist man in Meran vorbereitet. “Die meisten der vorgeschlagenen Investitionen sind bereits Teil des Regierungsprogramms, wir werden sie also in jedem Fall umsetzen”, verspricht Bürgermeister Rösch. Das gemeinsam mit den Kulturschaffenden ausgearbeitete Dossier soll zum zentralen Anhaltspunkt für die Meraner Kulturpolitik der nächsten Jahre werden.